«Roboter müssen leicht zu bedienen sein»
Rodney Brooks ist einer der renommiertesten Robotiker weltweit. Er leitete bis 2007 das Labor für Computerwissenschaft und künstliche Intelligenz am MIT und gründete die beiden US-Unternehmen iRobot und Heartland Robotics. Jetzt war er zu Gast an der ETH – beim ersten Symposium des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Robotik». Mit ETH Life sprach er unter anderem darüber, warum Roboter noch immer Schwierigkeiten haben, einen Haufen Zucker von schmutziger Wäsche zu unterscheiden.
Herr Brooks, wie viele
Roboter sind bei Ihnen zu Hause im Einsatz?
Ich
habe zwei. Den Staubsauger-Roboter «Roomba». Und den ebenfalls bei iRobot
entwickelten «Scooba 230» - einen kleinen Roboter, der feucht das Badezimmer
reinigt.
Sie sind berühmt für die
von Ihnen Anfang der 1980er Jahren propagierte verhaltensbasierte künstliche
Intelligenz. Danach agieren Roboter, vereinfacht gesagt, ähnlich wie Insekten,
instinktiv, direkt nach ihren Sensordaten, ohne aufwendige Karte. Sind sie
zufrieden damit, wie dieses Konzept heute in Robotern umgesetzt wird?
Der
verhaltensbasierte Ansatz ist auf dem Vormarsch. Er wird zum Beispiel in den
von uns entwickelten Robotern «Roomba» und «Scooba» genutzt, oder in selbständig
fahrenden Auto- oder Mars-Robotern. Aber die Technologie ist noch nicht
ausgereizt. Daher habe ich mir vor ein paar Jahren überlegt: Entweder ich
bleibe am MIT und werde ein grantiger, alter Professor, der sich darüber ärgert,
dass seine Ideen nicht umgesetzt werden. Oder ich starte eine Firma und setze
sie um.
Sie haben sich für die
Industrie entschieden und daher Erfahrung in beiden Bereichen – der Forschung
und der Wirtschaft. Wo sehen Sie die grössten Anwendungsgebiete, die grössten
Marktchancen für Roboter?
Ganz
sicher in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Da wird es auf jeden Fall
eine grosse Nachfrage geben, etwa in China, aufgrund der Ein-Kind-Politik. Aber
wie man diese Nachfrage in Produkte umsetzen soll, ist noch fraglich. Wir haben
die Technologie, aber was sollen wir damit bauen, was wirklich hilft? Ich
glaube, es könnte letztlich einmal viele kleine Geräte geben. Mit denen etwa Einkäufe
die Treppe hochtransportiert werden können. Denn Menschen wollen länger in
ihrer gewohnten Umgebung leben.
Der Roboter als Freund
und Helfer?
Ich
glaube nicht daran, dass Roboter, wie viele japanische Unternehmen prophezeien,
unsere Freunde werden. Es geht darum, dass Menschen länger ihre Würde und
Unabhängigkeit bewahren können. Und Roboter können ihnen dabei assistieren.
Wo können uns Roboter
noch helfen?
In
der Landwirtschaft zum Beispiel. In Traktoren steuern Robotersysteme etwa anhand
der gemessenen Feuchtigkeit auf den Feldern die zu verteilende Menge an Dünger
oder Samen – wobei die Traktoren selbst ebenfalls robotergesteuert fahren. Und
ein weiterer wichtiger Markt ist natürlich das Militär. Da helfen Roboter bei der
Bombenentschärfung und Minensuche. Oder sie sind bei Katastrophen wie in
Fukushima im Einsatz. Sicherheitssysteme in Autos sind ein weiterer Bereich,
der immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Was sind die
wesentlichen Kriterien, um Roboter erfolgreich kommerzialisieren zu können,
abgesehen vom Preis?
Die
einfache Anwendung kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Ich will nicht
unnötig viel Zeit damit verbringen, herauszufinden, wie etwas funktioniert. Ein
Roboter muss leicht zu bedienen sein, sonst wird er nicht gekauft und genutzt.
Da sind die Entwickler
gefragt. Was sind die grössten technologischen Herausforderungen beim Bau von
Robotern?
Die
Wahrnehmung ist immer noch ein Problem. Wenn ein Roboter ein Haus säubern soll,
muss er den Unterschied erkennen zwischen einem Stapel Papier, einem Haufen
Zucker und Wäsche. Er muss diese Dinge unterschiedlich behandeln. Er sollte
nicht den Zucker in die Waschmaschine stecken. Und auch was das Greifen, die
Manipulation von Gegenständen angeht, haben wir noch keine grossen Fortschritte
gemacht.
Brauchen wir also wieder
eine visionäre, bahnbrechende Idee, wie Ihre zur künstlichen Intelligenz?
Auf
jeden Fall nicht von mir, sondern von jüngeren Kollegen (lacht). Nein, im
Ernst: Man probiert Dinge aus. Dann lässt man sie für zehn bis 20 Jahre wieder
ruhen und probiert noch mal. Das Navigieren von Robotern etwa hat man in den
1960er Jahren probiert, aber es funktionierte nicht gut. Aber in den 1990er hat
es dann geklappt; das Problem der Navigation ist grösstenteils gelöst. Man muss
alle 20 oder 30 Jahre wieder probieren. Und beim zweiten oder dritten Mal führt
es dann zum Erfolg.
Ist ein Programm wie der
Nationale Forschungsschwerpunkt «Robotik» in der Schweiz ein vielversprechender
Ansatz, um vielleicht schneller zum Erfolg zu gelangen?
Eine
interdisziplinäre Zusammenarbeit wie sie im Nationalen Forschungsschwerpunkt
zwischen den vier Institutionen stattfindet (siehe Kasten) ist sehr wichtig.
Vor allem der damit verbundene Austausch von Ideen kann sehr fruchtbar sein.
In welchen Bereichen
werden Roboter in 20 Jahren den grössten Einfluss auf unser Leben haben?
Sicher
ist, dass Geräte, die die Welt wahrnehmen, berechnen und darin agieren sehr
verbreitet sein werden. Aber in welcher Form, lässt sich heute schwer
vorhersagen.
Was sind Ihre Träume, Ihre
Ziele, wenn Sie an die Zukunft der Robotik denken?
Man
könnte sagen, dass ich meinen Traum schon gelebt habe. Von einer Zeit, in der
es gar keine Roboter in der Welt gab, bis hin zu Millionen Robotern heutzutage.
Andererseits ist für mich die Befreiung der Menschen von stupiden oder
gefährlichen Arbeiten ein wichtiger Punkt. Ja, die zunehmende Befreiung der
Menschen durch die Robotik ist ganz sicher etwas, was mich glücklich machen
würde.
Nationaler Forschungsschwerpunkt «Robotik»
Der Nationale Forschungsschwerpunkt (NFS) «Robotik – Intelligente Roboter für eine verbesserte Lebensqualität» wurde Ende 2010 vom Schweizerischen Nationalfonds lanciert. Im Rahmen des Programms wollen Wissenschaftler in den kommenden zwölf Jahren neue, auf den Menschen ausgerichtete Robotertechnologie entwickeln. Das Programm vereint führende Robotik-Experten der ETH und Universität Zürich, der EPF Lausanne und des in Lugano angesiedelten Dalle Molle Institute for Artificial Intelligence. Die Federführung liegt bei der EPF Lausanne.
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