«Die ETH gibt im Zentrum Wohnfläche zurück»
Die ETH wird in den nächsten Jahren wachsen. Dadurch benötigen neue Studierende und Professoren zusätzliche Arbeits-, Studier- und Laborplätze. Die Anwohner im Zentrum fürchten sich vor den Ausbauplänen. Roman Boutellier, ETH-Vizepräsident für Personal und Ressourcen, versteht die Ängste der Anwohner und erklärt, warum diese unbegründet sind.
Die Anwohner der Sonneggstrasse fühlen
sich durch die Ausbaupläne der ETH Zürich im Zentrum bedrängt und haben Angst,
dass sie aus ihren Wohnungen und Geschäften vertrieben werden. Können Sie dies verstehen?
Roman
Boutellier: Ja, das verstehe ich sehr gut. Die Anwohner haben
Eigentumswohnungen gekauft und fürchten, dass sie dort ausziehen müssen. Seit
rund 40 Jahren baut die ETH erstmals im Quartier an der Leonhardstrasse ein
neues Gebäude. Es ist eine gewaltige Baustelle und eventuell entsteht der
Eindruck, dass ein solcher Neubau jetzt auch für die Sonneggstrasse geplant ist.
Und ist etwas geplant?
Um es
klar und deutlich zu sagen: in diesem Gebiet ist bis heute kein Neubau
vorgesehen. Die Ängste sind verständlich, aber unbegründet.
Die Anwohner beklagen auch, dass sie
nicht ausreichend informiert wurden.
In den
vergangenen Jahren haben bereits einige Informationsveranstaltungen
stattgefunden. Daher war ich erstaunt, als ich hörte, dass die Anwohner der
Sonneggstrasse besorgt sind. Wir sind daran interessiert, dass sie wissen,
welche Pläne die ETH hat. Wir haben uns deshalb mit der Stadt Zürich getroffen,
die für den kantonalen Richtplan und die Kommunikation zuständig ist. Zusammen mit
dem neuen Stadtbaumeister Patrick Gmür wollen wir die
Anwohner noch besser informieren. Im April ist bereits eine gemeinsame
Veranstaltung im Quartier geplant.
Wie gebaut werden darf, regeln Richt-
und Masterpläne. Können Sie den Unterschied erklären?
Der
kantonale Richtplan gibt den Rahmen für den Ausbau des Hochschulquartiers der
Universität und der ETH Zürich vor. Der Masterplan definiert auf Seiten der ETH,
wie sie in Zukunft wachsen will und welche Schwerpunkte sie setzt. Gemäss dem
Richtplan dürften wir in das Quartier hinein wachsen, aber es gibt keine
entsprechenden Projekte.
Dass heisst, zurzeit ist nichts
geplant, aber vielleicht benötigt die ETH in einigen Monaten doch mehr Platz?
In
einigen Monaten sicher nicht, aber vielleicht in zehn Jahren. In dieser Zeit kann
sich der Bedarf ändern, aber dann werden wir die Anwohner selbstverständlich frühzeitig
informieren.
Bereits heute baut die ETH, zum Beispiel
den Neubau „Oberer Leonhard“ (LEE).
Dies
ist eines von zwei grossen Bauvorhaben. Neben dem LEE ist auch ein Neubau in der Gloriastrasse
geplant. Dort wird Ende 2013 die Versuchsanstalt
für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie abgerissen und im Jahr
2014 mit einem Neubau begonnen. Wir haben bereits mit den Anwohnern Kontakt
aufgenommen. Diese waren beunruhigt, ob ihre Aussicht auf den Zürichsee erhalten
bleibt. Das können wir ihnen garantieren, da das Gebäude nicht höher werden
darf, als das bestehende.
Die ETH belegt durch ihr Wachstum am
Standort Zentrum auch viel Platz in Wohnhäusern.
An der
Leonhardstrasse entstehen jetzt 400 Büroarbeitsplätze und in der Gloriastrasse
200 Arbeitsplätze und 200 Laborplätze. Durch die beiden Bauten bekommen wir
zusätzliche Kapazitäten, so dass sich die ETH gegenüber der Stadt Zürich
verpflichtet hat, in den kommenden Jahren wieder Büroraum freizugeben. Bereits
bis Ende 2010 haben wir über 1000 Quadratmeter zurückgegeben. In den kommenden
15 Jahren werden über 6500 Quadratmeter Büroraum wieder als Wohnraum verfügbar
sein.
Diese Liegenschaften gehören zum Teil
der ETH. Wird sie diese selbst vermieten oder verkaufen?
Gemäss
einer Neuregelung des Bundes darf die ETH diese Liegenschaften verkaufen und
den Erlös in andere Immobilien, zum Beispiel in Labors, investieren. Der Bund
hat aber ein Vorkaufsrecht.
Am Standort Science City auf dem Hönggerberg
hat die ETH noch Platz. Warum wächst sie nicht dort?
Das
ist eine berechtigte Frage. Im Zentrum haben wir die wahrscheinlich weltweit einmalige
Chance direkt mit der Universität und dem Universitätsspital zusammenzuarbeiten.
Mit dem neuen Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie (D-HEST),
das am 1. Januar 2012 startet, will die ETH diese Kooperationen vertiefen. Die
dafür nötigen Fachbereiche müssen in der Nähe des Spitals liegen und können
nicht auf dem Hönggerberg angesiedelt werden.
Im Moment wird auch auf dem
Hönggerberg gebaut. Welche weiteren Pläne verfolgt die ETH dort?
Der
Physikturm (Gebäude HPP) wird gerade umgebaut und kann bald wieder genutzt
werden. Das neue Life Science Center HPL wird 2012
bezugsbereit sein. In diesem Jahr beginnt der Neubau für die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und
Glaziologie und für die Architekten ist ein weiteres Gebäude geplant. Ausgehend
vom aktuellen Bestand kann die ETH auf dem Hönggerberg noch um weitere 40
Prozent wachsen. Diese Chance will sie auch nutzen.
Das heisst, der Bau von neuen Gebäuden
hat oberste Priorität?
Nicht
nur. Neben dem Ausbau versuchen wir auch die beiden Standorte Science City auf
dem Hönggerberg und Zentrum miteinander zu vernetzen, denn das schafft
zusätzliche Flexibilität. Mit der direkten Busverbindung City Link, die alle 20
Minuten fährt, haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. In einem Pilotversuch wurden
erstmals in den Semesterferien zusätzliche Busse eingesetzt. Eine direkte
Anbindung kann aber nur eine Tramlinie leisten. Die Planung hierfür ist bereits
in den kantonalen Richtplänen enthalten und sieht vor, dass ein Tram über den
Hönggerberg nach Oerlikon fährt. Wann diese umgesetzt wird, kann allerdings
noch niemand sagen.
Die ETH hat wieder mehr
Ingenieur-Studierende. Auf der einen Seite erfreulich, auf der anderen Seite platzt
das Departement Maschinenbau dadurch aus allen Nähten. Was unternimmt die ETH
hier?
Wir
benötigen insbesondere Laborarbeitsplätze. Die, die im Gebäude CLA in der
Tannenstrasse verfügbar sind, werden im Moment als Büroräume genutzt. Durch den
Neubau LEE, der 2013 bezugsfertig sein wird, bekommen die Ingenieure Büroräume
und die Labors werden frei. Neben dem Departement Maschinenbau und
Verfahrenstechnik wird die Konjunkturforschungsstelle KOF in den Neubau an der
Leonhardstrasse einziehen. Darüber hinaus mietet die ETH in der Weinbergstrasse
zusätzlich 6000 Quadratmeter Büroräume, in denen derzeit eine Wirtschaftskanzlei
untergebracht ist. Dort wird Anfang 2012 das Departement Management,
Technologie und Ökonomie einziehen und damit wird der jetzige Standort am
Kreuzplatz frei.
Der zweite Neubau entsteht in der
Gloriastrasse. Wie sieht dort der aktuelle Stand aus?
Für
dieses Projekt fand ein Architekturwettbewerb statt. Aus den 60 eingereichten
Projekten wurden 15 ausgewählt und zwei davon stehen in der Endauswahl. Jetzt
werden wir den Sieger bestimmen. Das neue Gebäude soll vor allem das vorhandene
Volumen sehr gut ausnutzen. Geplant sind 12‘000 Quadratmeter Hauptnutzfläche.
Der Neubau soll mit dem Gebäude ETZ, in dem sich das Departement Elektrotechnik
befindet, zusammen mit dem Scherrer-Hörsaal zu einem Gebäude zusammenwachsen. Dort
werden vor allem Nasslabors untergebracht sein, welche für die Zusammenarbeit
mit dem Universitätsspital sehr wichtig sind. Auch die Professuren für das neue
Departement HEST werden dort Platz finden.
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