Veröffentlicht: 09.03.11
Campus

«Die ETH gibt im Zentrum Wohnfläche zurück»

Die ETH wird in den nächsten Jahren wachsen. Dadurch benötigen neue Studierende und Professoren zusätzliche Arbeits-, Studier- und Laborplätze. Die Anwohner im Zentrum fürchten sich vor den Ausbauplänen. Roman Boutellier, ETH-Vizepräsident für Personal und Ressourcen, versteht die Ängste der Anwohner und erklärt, warum diese unbegründet sind.

Das Interview führte Thomas Langholz
Roman Boutellier, ETH-Vizepräsident für Personal und Ressourcen, kann die Anwohner beruhigen. (Bild: ETH Zürich)
Roman Boutellier, ETH-Vizepräsident für Personal und Ressourcen, kann die Anwohner beruhigen. (Bild: ETH Zürich) (Grossbild)

Die Anwohner der Sonneggstrasse fühlen sich durch die Ausbaupläne der ETH Zürich im Zentrum bedrängt und haben Angst, dass sie aus ihren Wohnungen und Geschäften vertrieben werden. Können Sie dies verstehen?
Roman Boutellier: Ja, das verstehe ich sehr gut. Die Anwohner haben Eigentumswohnungen gekauft und fürchten, dass sie dort ausziehen müssen. Seit rund 40 Jahren baut die ETH erstmals im Quartier an der Leonhardstrasse ein neues Gebäude. Es ist eine gewaltige Baustelle und eventuell entsteht der Eindruck, dass ein solcher Neubau jetzt auch für die Sonneggstrasse geplant ist.

Und ist etwas geplant?
Um es klar und deutlich zu sagen: in diesem Gebiet ist bis heute kein Neubau vorgesehen. Die Ängste sind verständlich, aber unbegründet.

Die Anwohner beklagen auch, dass sie nicht ausreichend informiert wurden.
In den vergangenen Jahren haben bereits einige Informationsveranstaltungen stattgefunden. Daher war ich erstaunt, als ich hörte, dass die Anwohner der Sonneggstrasse besorgt sind. Wir sind daran interessiert, dass sie wissen, welche Pläne die ETH hat. Wir haben uns deshalb mit der Stadt Zürich getroffen, die für den kantonalen Richtplan und die Kommunikation zuständig ist. Zusammen mit dem neuen Stadtbaumeister Patrick Gmür wollen wir die Anwohner noch besser informieren. Im April ist bereits eine gemeinsame Veranstaltung im Quartier geplant.

Wie gebaut werden darf, regeln Richt- und Masterpläne. Können Sie den Unterschied erklären?
Der kantonale Richtplan gibt den Rahmen für den Ausbau des Hochschulquartiers der Universität und der ETH Zürich vor. Der Masterplan definiert auf Seiten der ETH, wie sie in Zukunft wachsen will und welche Schwerpunkte sie setzt. Gemäss dem Richtplan dürften wir in das Quartier hinein wachsen, aber es gibt keine entsprechenden Projekte.

Dass heisst, zurzeit ist nichts geplant, aber vielleicht benötigt die ETH in einigen Monaten doch mehr Platz?
In einigen Monaten sicher nicht, aber vielleicht in zehn Jahren. In dieser Zeit kann sich der Bedarf ändern, aber dann werden wir die Anwohner selbstverständlich frühzeitig informieren.

Bereits heute baut die ETH, zum Beispiel den Neubau „Oberer Leonhard“ (LEE).
Dies ist eines von zwei grossen Bauvorhaben. Neben dem LEE ist auch ein Neubau in der Gloriastrasse geplant. Dort wird Ende 2013 die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie abgerissen und im Jahr 2014 mit einem Neubau begonnen. Wir haben bereits mit den Anwohnern Kontakt aufgenommen. Diese waren beunruhigt, ob ihre Aussicht auf den Zürichsee erhalten bleibt. Das können wir ihnen garantieren, da das Gebäude nicht höher werden darf, als das bestehende.

Die ETH belegt durch ihr Wachstum am Standort Zentrum auch viel Platz in Wohnhäusern.
An der Leonhardstrasse entstehen jetzt 400 Büroarbeitsplätze und in der Gloriastrasse 200 Arbeitsplätze und 200 Laborplätze. Durch die beiden Bauten bekommen wir zusätzliche Kapazitäten, so dass sich die ETH gegenüber der Stadt Zürich verpflichtet hat, in den kommenden Jahren wieder Büroraum freizugeben. Bereits bis Ende 2010 haben wir über 1000 Quadratmeter zurückgegeben. In den kommenden 15 Jahren werden über 6500 Quadratmeter Büroraum wieder als Wohnraum verfügbar sein.

Diese Liegenschaften gehören zum Teil der ETH. Wird sie diese selbst vermieten oder verkaufen?
Gemäss einer Neuregelung des Bundes darf die ETH diese Liegenschaften verkaufen und den Erlös in andere Immobilien, zum Beispiel in Labors, investieren. Der Bund hat aber ein Vorkaufsrecht.

Am Standort Science City auf dem Hönggerberg hat die ETH noch Platz. Warum wächst sie nicht dort?
Das ist eine berechtigte Frage. Im Zentrum haben wir die wahrscheinlich weltweit einmalige Chance direkt mit der Universität und dem Universitätsspital zusammenzuarbeiten. Mit dem neuen Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie (D-HEST), das am 1. Januar 2012 startet, will die ETH diese Kooperationen vertiefen. Die dafür nötigen Fachbereiche müssen in der Nähe des Spitals liegen und können nicht auf dem Hönggerberg angesiedelt werden.

Im Moment wird auch auf dem Hönggerberg gebaut. Welche weiteren Pläne verfolgt die ETH dort?
Der Physikturm (Gebäude HPP) wird gerade umgebaut und kann bald wieder genutzt werden. Das neue Life Science Center HPL wird 2012 bezugsbereit sein. In diesem Jahr beginnt der Neubau für die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie und für die Architekten ist ein weiteres Gebäude geplant. Ausgehend vom aktuellen Bestand kann die ETH auf dem Hönggerberg noch um weitere 40 Prozent wachsen. Diese Chance will sie auch nutzen.

Das heisst, der Bau von neuen Gebäuden hat oberste Priorität?
Nicht nur. Neben dem Ausbau versuchen wir auch die beiden Standorte Science City auf dem Hönggerberg und Zentrum miteinander zu vernetzen, denn das schafft zusätzliche Flexibilität. Mit der direkten Busverbindung City Link, die alle 20 Minuten fährt, haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. In einem Pilotversuch wurden erstmals in den Semesterferien zusätzliche Busse eingesetzt. Eine direkte Anbindung kann aber nur eine Tramlinie leisten. Die Planung hierfür ist bereits in den kantonalen Richtplänen enthalten und sieht vor, dass ein Tram über den Hönggerberg nach Oerlikon fährt. Wann diese umgesetzt wird, kann allerdings noch niemand sagen.

Die ETH hat wieder mehr Ingenieur-Studierende. Auf der einen Seite erfreulich, auf der anderen Seite platzt das Departement Maschinenbau dadurch aus allen Nähten. Was unternimmt die ETH hier?
Wir benötigen insbesondere Laborarbeitsplätze. Die, die im Gebäude CLA in der Tannenstrasse verfügbar sind, werden im Moment als Büroräume genutzt. Durch den Neubau LEE, der 2013 bezugsfertig sein wird, bekommen die Ingenieure Büroräume und die Labors werden frei. Neben dem Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik wird die Konjunkturforschungsstelle KOF in den Neubau an der Leonhardstrasse einziehen. Darüber hinaus mietet die ETH in der Weinbergstrasse zusätzlich 6000 Quadratmeter Büroräume, in denen derzeit eine Wirtschaftskanzlei untergebracht ist. Dort wird Anfang 2012 das Departement Management, Technologie und Ökonomie einziehen und damit wird der jetzige Standort am Kreuzplatz frei.

Der zweite Neubau entsteht in der Gloriastrasse. Wie sieht dort der aktuelle Stand aus?
Für dieses Projekt fand ein Architekturwettbewerb statt. Aus den 60 eingereichten Projekten wurden 15 ausgewählt und zwei davon stehen in der Endauswahl. Jetzt werden wir den Sieger bestimmen. Das neue Gebäude soll vor allem das vorhandene Volumen sehr gut ausnutzen. Geplant sind 12‘000 Quadratmeter Hauptnutzfläche. Der Neubau soll mit dem Gebäude ETZ, in dem sich das Departement Elektrotechnik befindet, zusammen mit dem Scherrer-Hörsaal zu einem Gebäude zusammenwachsen. Dort werden vor allem Nasslabors untergebracht sein, welche für die Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital sehr wichtig sind. Auch die Professuren für das neue Departement HEST werden dort Platz finden.