Marktgleichgewicht: Markt und Nachhaltigkeit

Lord May stellt Darwins evolutionäre Kooperation und das daraus resultierende Verhalten des Individuums seinen Überlegungen voraus. Die Übertragung biologischer Muster auf die sozialen Strukturen des Menschen und seine mehrdimensionalen Systeme ist aber fraglich. Das hat schon die Chicago School of Sociology am Anfang des 20.Jh. bewiesen.

Einer der überzeugten Anhänger von Darwins Theorien im 19. Jh., der Arzt und Biologe Ernst Haeckel (1834-1919), vertrat die Ansicht, dass im freien Wettbewerb der Natur sich immer das stärkste (und rücksichtsloseste) Individuum durchsetzt und sich der Wettbewerb damit selbst reguliert. Die freie Markwirtschaft hat dieses Modell übernommen und in letzter Zeit durch den von den USA ausgehenden Neoliberalismus wieder verstärkt gepflegt. Erst die nun entstandene Finanzkrise hat die Diskussion wieder angeheizt.

Dass schon lange Zweifel an der Übertragbarkeit von Haeckels und Darwins Theorien auf die Humansysteme bestanden, ist aber bekannt. Der baltische Naturforscher Jakob von Uexküll (1864-1944) war ein entschiedener Gegner Haeckels und der Ansicht, dass sich in der Natur auf die Dauer nur jene Lebewesen durchsetzen, deren inneres Konzept, deren Veranlagung „nachhaltig“ ist. Die alten Griechen kannten dieses Prinzip bereits und nannten es Entelechie. Der Schweizer Naturforscher Adolf Portmann entwickelte ganz ähnliche Theorien der Dauerhaftigkeiten von gewissen Basiskonzepten des organischen Lebens, die nichts mit der momentanen Valenz zu tun haben. Ökonomischer Gigantismus, Monokulturen oder raumplanerische Ballungen und Konzentrationen übertragen die Theorien Darwins und Haeckels kritiklos auf unsere Systeme. Nicht Einfalt sondern die Vielfalt mit der Förderung der kleinen und oft scheinbar marginaler Unternehmungen gestattet die Entdeckung der inneren Nachhaltigkeit eines wirtschaftlichen Organismus. Und erst die Vernetzung dieser Feinstrukturen bildet die Stärke eines ökonomischen Systems. Das ist nicht evolutionäre Kooperation, sondern moderne Feldtheorie.Die Anwendung biologischer Modelle fraglicher Evidenz auf die menschliche Ökonomie sollte mit Vorsicht geschehen.

Dr.sc.techn.ETH Norbert C. Novotny - 02.12.09

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