Veröffentlicht: 22.12.11
Campus

«Es ist wichtig, über den Tellerrand zu schauen»

Der ETH-Spin-off Dacuda wurde mit seiner Scanner-Maus vom Red Herring Global Award in die Top 100 der weltweit innovativsten Unternehmen aufgenommen. Entwicklungschef Martin Zahnert erklärt, welches die technischen Herausforderungen waren, wie ihm das Studium an der ETH geholfen hat und welche Fehler Spin-off vermeiden können.

Thomas Langholz
Für Dacuda Entwicklungschef Martin Zahnert ist eine interdisziplinär zusammen gesetztes Team ein grosser Erfolgsfaktor bei der Entwicklung eines neuen Produkts. (Bild: Thomas Langholz / ETH Zürich)
Für Dacuda Entwicklungschef Martin Zahnert ist eine interdisziplinär zusammen gesetztes Team ein grosser Erfolgsfaktor bei der Entwicklung eines neuen Produkts. (Bild: Thomas Langholz / ETH Zürich) (Grossbild)

Wie kam es zur Gründung von Dacuda?
Martin Zahnert:
Zusammen mit anderen Studierenden arbeitete ich 2008 während meines Maschinenbaustudiums an der ETH an einem Projekt im Bereich Robotik. Danach traf sich die Gruppe zu weiteren Brainstormings. Wir hatten ein paar Ideen, mit denen wir einen Venture Challenge Kurs für Unternehmensgründer besucht haben. Dort lernten wir Alexander Ilic und Michael Born kennen, die aus der ETH und dem Business-Bereich der Universität St.Gallen kamen. Im Kurs bekamen wir ein gutes Feedback zu unserer Idee einer scannenden Computermaus. Anschliessend haben wir an Wettbewerben teilgenommen, Startkapital gewonnen und weitere Investoren eingeladen. Auch diese waren begeistert. Dann haben wir ein Modell gebaut, mit dem wir die Funktionsweise vorstellen konnten. (siehe Bildgalerie) 2009 gründeten wir eine AG und haben das Unternehmen professionell aufgezogen.

Welche Idee steht hinter der Scan-Maus?
Wir wollten es Nutzern erleichtern, mit einem Eingabegerät, das sie ohnehin schon benutzen, reale und digitale Welt besser zu verbinden. Daher haben wir die Maus mit einem Scanner ausgestattet. Das Ziel unserer Entwicklung ist es, den Arbeitsfluss flüssiger zu gestalten, ohne ihn zu unterbrechen. So können Texte sofort in Word – mitsamt jeglicher Formatierung – weiterbearbeitet werden oder Inhalte von Tabellen mit wenigen Klicks in Excel verwendet werden. Gescannt wird alles, von kleinen Visitenkarten, Notizen über ganze A4 Seiten bis hin zu Fotos und Bildern, die nicht mal in einen Scanner passen.

Jetzt ist das Produkt in der Schweiz erhältlich. Gibt es Schweizer Besonderheiten?
Neben dem Scannen können alle Zahlen auf den Schweizer Einzahlungsscheinen erfasst und in das E-Banking-Programm übernommen werden. Wer die Zahlen bisher einzeln eintippen muss, weiss, wie viel einfacher das mit unserem Produkt funktioniert. Die Integration funktioniert mit allen Schweizer E-Banking Portalen.

Was war technisch gesehen die grösste Herausforderung bei der Entwicklung?
Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Kamera in der Maus 30 Bilder pro Sekunde aufnimmt und diese in Echtzeit am Computer fehlerfrei zusammengesetzt werden müssen. Bei einem Scan von drei Sekunden sind dies fast 100 Einzelbilder, die verarbeitet werden müssen. Es ist wie ein grosses Puzzle, das immer wieder richtig zusammengesetzt werden muss - und das bei einer nicht vorhersehbaren Bewegung der Kamera. Der Benutzer kann so in einer beliebigen Bewegung scannen.

Es heisst immer, dass es schwer ist, Investoren für eine neue Idee zu gewinnen. Wie war es bei Ihnen?
Natürlich mussten wir auch Investoren überzeugen, aber alle, die bei der Gründung mitgeholfen haben, sind noch immer sehr stark engagiert. Wir konnten uns sogar aus mehreren Investoren die Besten mit dem passenden Know-how für unser Geschäftsmodell aussuchen. Darüber hinaus haben wir Forschungsprojekte an der ETH, die von der KTI gefördert werden und mit deren Hilfe wir die Entwicklung vorantreiben konnten.

Nur drei Jahre nach den ersten Prototypen lag das Produkt in den Läden. Wie ging es nach der Gründung weiter?
Von Anfang an wollten wir ein Massenprodukt entwickeln, das weltweit verkauft werden kann. Hierzu suchten wir einen Partner, der über globale Vertriebskanäle verfügt. Mit unseren Referenzmodellen haben wir weltweit grosse Firmen abgeklappert und unser Produkt vorgestellt. Schlussendlich gingen wir mit LG, einem der grössten Technologiekonzerne, eine Kooperation ein. Die Firma verfügt über die Lizenz und vermarktet nun das erste Produkt weltweit.

Wäre es nicht besser gewesen, alles selbst in der Hand zu behalten?
Wir haben uns überlegt, ob wir ein Unternehmen sein wollen, das die Technologie an andere liefert, die die Produktion gut beherrschen, oder ob der gesamte Produktprozess bei uns liegt. Für uns als Start-up wäre es nicht möglich gewesen, von der Produktion über den Vertrieb bis hin zum Marketing weltweit alles selber so schnell zu machen. Daher schien uns ein Lizenzmodell mit einem starken Partner als die bessere Alternative, um unsere Technologie langfristig zum Standard bei Computermäusen zu machen.

Wie nach dem ersten Erfolg von Apple sind alle Gründer jetzt Millionäre geworden?
(lacht) Nein, so ist es nicht. Wir sind nicht über Nacht reich geworden, denn das Geld steckt in der Firma. Wir haben inzwischen 18 Vollzeitarbeitsplätze in der Schweiz geschaffen, die wir finanzieren müssen und mit unserem Unternehmen streben wir weiteres Wachstum an. Ein Produkt reicht sicher nicht für einen permanenten Markterfolg und die Expansion will finanziert werden.

Das Gründungsteam bestand aus vier Personen - jetzt sind es 18 Leute. Wie haben Sie sich selbst vom Studenten mit einer guten Idee zum technischen Leiter des Unternehmens verändert?
Anfangs haben wir alle Prototypen gebaut und die Software selbst geschrieben. Da merkten wir schnell, dass wir noch Manpower und Know-how brauchen. Das haben wir mit Angestellten in die Firma hereingeholt. Ich nehme die Managementfunktionen automatisch wahr und versuche, für das Team zu arbeiten, damit es in Ruhe entwickeln kann. Ich denke, dass bei uns die Entwicklung im Vordergrund steht und nicht, dass Hierarchien und Autoritäten aufgebaut werden.

Wie hat Ihr Studium an der ETH dazu beigetragen, das Produkt zu entwickeln?
Insbesondere das sehr breite und tiefe technische Verständnis, das ich durch das Studium bekommen habe, hat mir geholfen. Dadurch erkenne ich Dinge ziemlich schnell, kann diese abschätzen und begreifen. Gerade unser Produkt ist sehr komplex und interdisziplinär. Es gibt Software mit hochkomplexen Computer-Vision-Algorithmen, Optik, Elektronik, Mechanik - alle Disziplinen müssen zusammenspielen und das ist ein wesentlicher Punkt, für den die ETH die Basis gelegt hat. Ohne das Studium an der ETH wäre es schwierig geworden, das Produkt zu realisieren.

Wenn Sie Ihre Produktentwicklung rückblickend anschauen: Was würden Sie anderen Spin-off-Firmen raten?
Wichtig ist es, einfach anzufangen und die richtigen Leute zusammenzusuchen. Ein interdisziplinäres Team ist Gold wert. Wenn sich Leute im kaufmännischen Bereich sehr gut auskennen und hervorragende Techniker dabei sind, hilft das. Beim Aufbau des Unternehmens, sowie bei der technischen Entwicklung sollte man nicht versuchen, das Rad neu zu erfinden, sondern schauen, wie andere spezifische Themen angehen.

Gibt es weitere Produktideen von Dacuda?
Wir arbeiten kontinuierlich an neuen Ideen und wollen unsere Technologie in weiteren Geräten zum Einsatz bringen. Zu viel kann ich noch nicht verraten. Zunächst steht im kommenden Jahr noch die Mac Version für die Maus auf dem Programm.

 
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