«Es ist wichtig, über den Tellerrand zu schauen»
Der ETH-Spin-off Dacuda wurde mit seiner Scanner-Maus vom Red Herring Global Award in die Top 100 der weltweit innovativsten Unternehmen aufgenommen. Entwicklungschef Martin Zahnert erklärt, welches die technischen Herausforderungen waren, wie ihm das Studium an der ETH geholfen hat und welche Fehler Spin-off vermeiden können.
Wie
kam es zur Gründung von Dacuda?
Martin Zahnert:
Zusammen mit anderen Studierenden arbeitete ich 2008 während meines
Maschinenbaustudiums an der ETH an einem Projekt im Bereich Robotik. Danach traf
sich die Gruppe zu weiteren Brainstormings. Wir hatten ein paar Ideen, mit denen
wir einen Venture Challenge Kurs für Unternehmensgründer besucht haben. Dort lernten
wir Alexander Ilic und Michael Born kennen, die aus der ETH und dem Business-Bereich
der Universität St.Gallen kamen. Im Kurs bekamen wir ein gutes Feedback zu
unserer Idee einer scannenden Computermaus. Anschliessend haben wir an Wettbewerben
teilgenommen, Startkapital gewonnen und weitere Investoren eingeladen. Auch
diese waren begeistert. Dann haben wir ein Modell gebaut, mit dem wir die
Funktionsweise vorstellen konnten. (siehe Bildgalerie) 2009 gründeten wir eine AG und haben das
Unternehmen professionell aufgezogen.
Welche
Idee steht hinter der Scan-Maus?
Wir wollten es Nutzern erleichtern, mit einem
Eingabegerät, das sie ohnehin schon benutzen, reale und digitale Welt besser zu
verbinden. Daher haben wir die Maus mit einem Scanner ausgestattet. Das
Ziel unserer Entwicklung ist es, den Arbeitsfluss flüssiger zu gestalten, ohne
ihn zu unterbrechen. So können Texte sofort in Word – mitsamt jeglicher
Formatierung – weiterbearbeitet werden oder Inhalte von Tabellen mit wenigen
Klicks in Excel verwendet werden. Gescannt wird alles, von kleinen
Visitenkarten, Notizen über ganze A4 Seiten bis hin zu Fotos und Bildern, die
nicht mal in einen Scanner passen.
Jetzt
ist das Produkt in der Schweiz erhältlich. Gibt es Schweizer Besonderheiten?
Neben dem Scannen können alle Zahlen auf den Schweizer
Einzahlungsscheinen erfasst und in das E-Banking-Programm übernommen werden.
Wer die Zahlen bisher einzeln eintippen muss, weiss, wie viel einfacher das mit
unserem Produkt funktioniert. Die Integration funktioniert mit allen Schweizer
E-Banking Portalen.
Was
war technisch gesehen die grösste Herausforderung bei der Entwicklung?
Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Kamera in der
Maus 30 Bilder pro Sekunde aufnimmt und diese in Echtzeit am Computer
fehlerfrei zusammengesetzt werden müssen. Bei einem Scan von drei Sekunden sind
dies fast 100 Einzelbilder, die verarbeitet werden müssen. Es ist wie ein
grosses Puzzle, das immer wieder richtig zusammengesetzt werden muss - und das bei
einer nicht vorhersehbaren Bewegung der Kamera. Der Benutzer kann so in einer beliebigen
Bewegung scannen.
Es heisst immer, dass
es schwer ist, Investoren für eine neue Idee zu gewinnen. Wie war es bei Ihnen?
Natürlich mussten wir auch Investoren überzeugen, aber
alle, die bei der Gründung mitgeholfen haben, sind noch immer sehr stark
engagiert. Wir konnten uns sogar aus mehreren Investoren die Besten mit dem
passenden Know-how für unser Geschäftsmodell aussuchen. Darüber hinaus haben
wir Forschungsprojekte an der ETH, die von der KTI gefördert werden und mit
deren Hilfe wir die Entwicklung vorantreiben konnten.
Nur
drei Jahre nach den ersten Prototypen lag das Produkt in den Läden. Wie ging es
nach der Gründung weiter?
Von Anfang an wollten wir ein Massenprodukt entwickeln,
das weltweit verkauft werden kann. Hierzu suchten wir einen Partner, der über
globale Vertriebskanäle verfügt. Mit unseren Referenzmodellen haben wir
weltweit grosse Firmen abgeklappert und unser Produkt vorgestellt.
Schlussendlich gingen wir mit LG, einem der grössten Technologiekonzerne, eine
Kooperation ein. Die Firma verfügt über die Lizenz und vermarktet nun das erste
Produkt weltweit.
Wäre
es nicht besser gewesen, alles selbst in der Hand zu behalten?
Wir haben uns überlegt, ob wir ein Unternehmen sein
wollen, das die Technologie an andere liefert, die die Produktion gut
beherrschen, oder ob der gesamte Produktprozess bei uns liegt. Für uns als
Start-up wäre es nicht möglich gewesen, von der Produktion über den Vertrieb
bis hin zum Marketing weltweit alles selber so schnell zu
machen. Daher schien uns ein Lizenzmodell mit einem starken Partner als die
bessere Alternative, um unsere Technologie langfristig zum Standard bei Computermäusen
zu machen.
Wie
nach dem ersten Erfolg von Apple sind alle Gründer jetzt Millionäre geworden?
(lacht) Nein, so ist es nicht. Wir sind nicht über Nacht
reich geworden, denn das Geld steckt in der Firma. Wir haben inzwischen 18 Vollzeitarbeitsplätze
in der Schweiz geschaffen, die wir finanzieren müssen und mit unserem
Unternehmen streben wir weiteres Wachstum an. Ein Produkt reicht sicher nicht
für einen permanenten Markterfolg und die Expansion will finanziert werden.
Das Gründungsteam bestand aus vier Personen - jetzt sind es 18
Leute. Wie haben Sie sich selbst vom Studenten mit einer guten Idee zum technischen
Leiter des Unternehmens verändert?
Anfangs haben wir alle Prototypen gebaut und die Software
selbst geschrieben. Da merkten wir schnell, dass wir noch Manpower und Know-how
brauchen. Das haben wir mit Angestellten in die Firma hereingeholt. Ich nehme
die Managementfunktionen automatisch wahr und versuche, für das Team zu
arbeiten, damit es in Ruhe entwickeln kann. Ich denke, dass bei uns die
Entwicklung im Vordergrund steht und nicht, dass Hierarchien und Autoritäten
aufgebaut werden.
Wie
hat Ihr Studium an der ETH dazu beigetragen, das Produkt zu entwickeln?
Insbesondere das sehr breite und tiefe technische
Verständnis, das ich durch das Studium bekommen habe, hat mir geholfen. Dadurch
erkenne ich Dinge ziemlich schnell, kann diese abschätzen und begreifen. Gerade
unser Produkt ist sehr komplex und interdisziplinär. Es gibt Software mit
hochkomplexen Computer-Vision-Algorithmen, Optik, Elektronik, Mechanik - alle
Disziplinen müssen zusammenspielen und das ist ein wesentlicher Punkt, für den
die ETH die Basis gelegt hat. Ohne das Studium an der ETH wäre es schwierig
geworden, das Produkt zu realisieren.
Wenn
Sie Ihre Produktentwicklung rückblickend anschauen: Was würden Sie anderen
Spin-off-Firmen raten?
Wichtig ist es, einfach anzufangen und die richtigen
Leute zusammenzusuchen. Ein interdisziplinäres Team ist Gold wert. Wenn sich Leute
im kaufmännischen Bereich sehr gut auskennen und hervorragende Techniker dabei
sind, hilft das. Beim Aufbau des Unternehmens, sowie bei der technischen Entwicklung
sollte man nicht versuchen, das Rad neu zu erfinden, sondern schauen, wie
andere spezifische Themen angehen.
Gibt
es weitere Produktideen von Dacuda?
Wir
arbeiten kontinuierlich an neuen Ideen und wollen unsere Technologie in
weiteren Geräten zum Einsatz bringen. Zu viel kann ich noch nicht verraten.
Zunächst steht im kommenden Jahr noch die Mac Version für die Maus auf dem
Programm.
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