Veröffentlicht: 08.08.11
Campus

Pioniere fördern

Eine innovative Folie und ein beweglicher Flügel sind nur zwei Projekte von jungen Forschern, die mit dem ETH-Förderprogramm «Pioneer Fellowships» unterstützt werden Mit den Stipendien werden aus Ideen marktreife Produkte.

Thomas Langholz
Materialwissenschafter Jan Giesbrecht entwickelt eine Folie, die zehn-mal dünner ist als herkömmliche Folien. Mit einer speziellen Düse werden Prototypen der Folie an diesem Extruder produziert. (Bild: Thomas Langholz / ETH Zürich)
Materialwissenschafter Jan Giesbrecht entwickelt eine Folie, die zehn-mal dünner ist als herkömmliche Folien. Mit einer speziellen Düse werden Prototypen der Folie an diesem Extruder produziert. (Bild: Thomas Langholz / ETH Zürich) (Grossbild)

Eine der strategischen Aufgaben der ETH Zürich ist es, Nachwuchstalente zu fördern sowie neue Erkenntnisse in marktfähige Produkte umzusetzen. Doch von der ersten Idee im Labor bis zum fertigen Produkt in Kundenhand ist es oft ein langer Weg. Diesen Technologietransfer unterstützt auch der Bund mit verschiedenen Programmen: Während der Schweizer Nationalfonds vor allem die Grundlagenforschung fördert, hilft die Förderagentur für Innovation des Bundes, KTI, den Entwicklern, ihr Produkt möglichst schnell auf den Markt zu bringen. Doch was passiert, wenn schon bei noch laufender Forschung ein Produkt in Sicht ist, für die Umsetzung des Prototyps aber das Geld fehlt? Genau diese Lücke schliessen die «Pioneer Fellowships» der ETH Zürich.
«Mit den Pioneer Fellowships unterstützen wir Projekte junger Nachwuchsforscher der ETH, damit sie ihre Ideen in Industrieprodukte umsetzen können», sagt Roland Siegwart, ETH-Vizepräsident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen. Jedes Projekt wird mit maximal 150‘000 Franken über einen Zeitraum von 18 Monaten gefördert. Finanziert wird das Förderprogramm durch private Donationen an die ETH Zürich Foundation sowie durch Mittel der Hasler Stiftung.
Voraussetzung ist, dass aus der Forschungsarbeit Erkenntnisse resultieren, die das Potential für neue technische Lösungen haben.

Zehnmal dünner

Einer der ersten Geförderten ist Jan Giesbrecht. Der promovierte Materialwissenschaftler arbeitet mit Hilfe von Paul Smith, Professor für Polymer-Technologie an der ETH, an einer Folie aus Flüssigkristallpolymer (LCP – liquid crystal polymer). Diese Polymere haben eine stäbchenförmige Molekülform und lassen sich daher in der Schmelze in eine geordnete Struktur bringen. Dadurch sind sie sehr zugfest. Ein Beispiel für diese Polymerart ist Kevlar.

Die von ihm hergestellte Folie hat gegenüber bereits auf dem Markt erhältlicher Produkte mehrere herausragende Eigenschaften. So ist sie zum Beispiel mit nur zwei bis 20 Mikrometern Dicke zehnmal dünner als handelsübliche Folien. Darüber hinaus verfügt sie über bessere Barriereeigenschaften und schützt zum Beispiel Lebensmittel besser gegen Feuchtigkeit und andere äussere Einflüsse. Um diese Eigenschaften zu erreichen, müssen heutzutage mehrere unterschiedliche Folien miteinander kombiniert werden.

Hervorragende Dämpfung

Die neue Folie kann aber auch beim Bau von Hydraulikzylindern oder Tanks für flüssige Stoffe eingesetzt werden. Diese werden dadurch leichter, was insbesondere bei neuen Antriebskonzepten für Fahrzeuge einen grossen Vorteil bietet.

Schon heute hat die ETH ein Patent auf das Produkt sowie den Prozess zur Herstellung. Die Folie entsteht mithilfe einer speziellen Düsenform, die auch von der ETH entwickelt wurde. Eine weitere positive Eigenschaft des ETH-Produkts sind seine Dämpfungseigenschaften. Dies ist für die Isolation von Fahrzeugen oder Maschinen interessant. So könnte sie zum Beispiel in Verbundwerkstoffen in der Autoindustrie zum Einsatz kommen. Da die Folie ohne weiteres Matrixmaterial auskommt, ist sie zu 100 Prozent recyclebar und kann wieder eingeschmolzen werden.
Mit dem Pioneer Fellowship kann Jan Giesbrecht in den kommenden 18 Monaten nun verschiedene Prototypen herstellen. «Mit Hilfe der Förderung können wir jetzt gezielt nach Anwendungsmöglichkeiten suchen und diese der Industrie vorstellen.»

Flügel der Zukunft

Ein weiteres Projekt, das mit dem «Pioneer Fellowships» gefördert wird, ist das von Alexander Hasse. Er promovierte bei Paolo Ermanni, Professor für Strukturtechnologien, über formadaptive Flügel. Die Idee dahinter ist so alt wie das Fliegen selbst. Flugzeugflügel können zum Starten und Landen ihre Flügelgeometrie über Klappen ändern. Ansonsten müssen die meisten Flugzustände mit dem selben Profil durchgeführt werden. Das heisst, sie können zum Beispiel nicht an die sich durch den Treibstoffverbrauch während des Flugs ständig verändernden Bedingungen angepasst werden. Generationen von Ingenieuren haben deshalb an Lösungen getüftelt, um das Flugprofil während des Fluges verändern zu können. Bisher wurde versucht, den Flügel über komplexe Mechaniken anzupassen. Dadurch würde der Flügel aber zu schwer, zu komplex und zu wartungsaufwendig werden, so dass bis heute kein Patent praxistauglich umgesetzt wurde.

Neuer Algorithmus

Alexander Hasse entwickelte einen Algorithmus mit dessen Hilfe sich jetzt komplexe veränderbare Strukturen entwerfen lassen. Damit können formveränderbare Flügelstrukturen hergestellt werden, deren Form sich mithilfe eines Motors anpassen lassen. Mit der Unterstützung des Pioneer Fellowships kann Alexander Hasse in den kommenden 18 Monaten einen Prototypen herstellen, der im Windkanal auf Herz und Nieren geprüft wird, um ihn anschliessend der Industrie anzubieten.

Wissenschaft der nachgiebigen Mechanismen

Dass er den Optimierungsalgorithmus entwickeln konnte, verdankt er unter anderem leistungsstarker Soft- und Hardware, die es vor einigen Jahren noch gar nicht gab. «Diese Struktur kann man nicht per Hand berechnen», sagt er. Ermöglicht hat die Entwicklung auch der junge Wissenschaftszweig der «Nachgiebigen Mechanismen».  Erst seit rund 15 Jahren beschäftigt sich dieser Wissenschaftszweig mit der gelenklosen Übertragung von Kraft, Bewegung oder Energie.

Hasse rechnet nicht damit, dass der neue Flügel in den kommenden zwei Jahren in einem Flugzeug verbaut wird. «Die Sicherheitsauflagen im Flugzeugbau sind so hoch, dass es sicher noch Jahre dauern wird, bis diese Technologie zum Einsatz kommt». Mit einem schnelleren Einsatz seines Flügels rechnet er jedoch in Windturbinen oder Autospoilern.

Bewerbungen zum Pioneer Fellowships

Master- oder Doktorats-Absolventen der ETH Zürich können sich bis zum1. September wieder für das Förderprogramm bewerben.
Weitere Informationen
Fördermöglichkeiten des «Pioneer Fellowships»-Programms

 
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