Veröffentlicht: 21.06.11
Campus

Von Handständen und Knochenjobs

Die Biomechaniker an der ETH feiern Jubiläum. Vor 50 Jahren begann die Geschichte des heutigen Instituts für Biomechanik. Aus diesem Grund luden dessen Mitarbeiter am 17. Juni 2011 zu einem Mini-Symposium ein – mit prominenter Beteiligung.

Christine Heidemann
Vor 50 Jahren interessierten sich die Biomechaniker an der ETH Zürich vor allem für die Mechanik menschlicher Bewegungen – etwa bei einem Handstand. (Bild: ETH Zürich)
Vor 50 Jahren interessierten sich die Biomechaniker an der ETH Zürich vor allem für die Mechanik menschlicher Bewegungen – etwa bei einem Handstand. (Bild: ETH Zürich) (Grossbild)

1961 fing alles an – quasi mit einem Handstand. Denn der erste Leiter und Gründer des heutigen Instituts für Biomechanik, Jürg Wartenweiler, interessierte sich leidenschaftlich für die Mechanik menschlicher Bewegungen. Und da es damals an der ETH Zürich weder ein biomechanisches Labor noch ein solches Institut gab, funktionierte der Physiker kurzerhand sein Büro in der Abteilung für Naturwissenschaften um und motivierte Mitarbeitende dazu, Handstände zu machen, damit er den Bewegungsablauf studieren konnte. Im gleichen Jahr erschien auch seine erste Biomechanik-Veröffentlichung «Untersuchungen der Mechanik menschlicher Bewegungen».

Jürg Wartenweilers Interesse für sportliche Bewegungen kam nicht von ungefähr: Zum einen hatte die ETH damals den Auftrag, Turn- und Sportlehrer auszubilden. Zum anderen begannen Wissenschaftler Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre generell damit, den menschlichen Körper bei sportlicher Betätigung zu erforschen.

Persönliche Erinnerungen

Zahlreiche Bilder erinnern an die «sportlichen» Anfänge der Biomechanik an der ETH und lockerten das Jubiläums-Symposium am 17. Juni ebenso auf wie die sehr eindrücklichen und lebhaften Vorträge der beiden Gastredner Walter Herzog und Kurt Wüthrich.

Walter Herzog verbrachte vier Jahre an der ETH und ist heute Vize-Direktor am Human Performance Laboratory und Professor für Kinesiologie an der kanadischen University of Calgory. In seinem Vortrag «reiste» er anhand persönlicher Erlebnisse und Karrierestationen durch die 50jährige Geschichte der Biomechanik.

Kurt Wüthrich berichtete sehr anschaulich darüber, wie der Sport ihn auch beruflich zu Höchstleistungen anspornte – eine Karriere, die 2002 bekanntlich mit dem Chemie-Nobelpreis gekürt wurde.

ETH-Präsident Ralph Eichler richtete in seiner Begrüssungsrede den Blick in die Zukunft. Er betonte, wie wichtig die Biomechanik gerade im Hinblick auf die alternde Gesellschaft sei. So sei es schon immer Aufgabe der ETH gewesen, in einem neuen Bereich aktiv zu sein, bevor dieser populär werde. Dafür stehe auch das neue Departement für «Gesundheitswissenschaften und Technologie», kurz D-HEST, das im Januar 2012 startet und dem dann auch das Institut für Biomechanik angegliedert sein wird. Im D-HEST sollen Synergien in Natur- und Ingenieurswissenschaften, Ernährungs-, Bewegungs- und Neurowissenschaften sowie der Medizintechnik genutzt werden.

Ein Mix der Disziplinen

Interdisziplinäres Arbeiten ist für die Biomechaniker nichts Neues, wie Urgestein Hans Gerber im Gespräch erläutert. Gerade der Mix aus Biologen, Medizinern, Physikern, Elektro- und Maschinenbauingenieuren mache die Arbeit so spannend. Der 61jährige Experte für Messtechnik ist bereits seit 32 Jahren am Institut für Biomechanik der ETH und hat hier so manche aufregende Zeiten erlebt. So waren er und seine Kollegen unter anderem beteiligt an der Entwicklung des Torsion-Sportschuhs, den die Firma Adidas erfolgreich auf den Markt brachte. Auch therapierten sie den ehemaligen Schweizer Spitzenturner Sepp Zellweger und brachten ihn dadurch nach einem Achillessehnenriss wieder frühzeitig in Topform.

Und zu den Highlights gehört laut Hans Gerber die Zusammenarbeit mit der ESA, der Europäischen Weltraumbehörde. In deren Auftrag bauten die ETH-Biomechaniker ein Gerät zur Messung bestimmter Muskelparameter für den Einsatz im Weltraum um. Das Gerät kam bei gleich zwei Missionen zum Einsatz: Bei der russischen MIR-Mission im Jahr 1995 und bei der amerikanischen Spacelab-Mission 1996. Denn die Russen wollten herausfinden, wie schnell sich Knochen bei langen Aufenthalten in der Schwerelosigkeit abbauen. Und die Amerikaner interessierte, warum die Muskeln ihrer Astronauten im Weltraum mit der Zeit schwächer werden.

«Wir mussten die Maschinen innerhalb kürzester Zeit weltraumtauglich machen, die Astronauten trainieren und ihnen während des Flugs vom wissenschaftlichen Kontrollzentrum aus für Fragen zur Verfügung stehen.» Stundenlang könne er von dieser turbulenten Zeit erzählen, sagt Hans Gerber. Doch er freue sich auch schon auf die neuen Herausforderungen, die seit Anfang der 1980er Jahre vor allem im medizinischen Bereich warten. So gehört das Institut mit Ralph Müller an der Spitze zu den führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Mikrocomputertomografie. Haarfein lassen sich mit diesem Verfahren die dreidimensionalen Strukturen von Arm- und Beinknochen studieren, etwa von Osteoporose-Patienten. Diese Forschung wird auch im neuen Departement D-HEST eine wichtige Rolle spielen.

 
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