Herschel untersucht Sternentstehung
Vom 4. bis zum 7. Mai findet im holländischen Noordwijk das «Herschel First Results Symposium» statt, auf dem Ergebnisse der seit knapp einem Jahr von dem Weltraumobservatorium Herschel gemessenen Daten vorgestellt werden. Auch Arnold Benz, Professor am Institut für Astronomie der ETH Zürich, und sein Team stellen dort ihre ersten Resultate vor: Sie identifizierten anhand von Spektrallinien ionisiertes Wasser.
Herr Benz, welche Ziele hat
das Milliarden-Projekt «Herschel»?
Herschel
ist das erste Observatorium, das, ausgestattet mit drei verschiedenen
Messinstrumenten, Wellenlängen vom Infrarot- bis Millimeterbereich untersuchen
kann. Da die Erdatmosphäre zu viel Wasserdampf enthält, kann sie von diesen
Wellenlängen nicht durchdrungen werden und wir können sie vom Boden aus nicht
messen. Unsere Gruppe hat sich in diesem Bereich auf eine der Hauptthemen
spezialisiert: die Sternen- und Planetenentstehung. In diesem Zusammenhang ist
für uns vor allem das Wasser interessant, das nur über diesen
Wellenlängenbereich nachgewiesen werden kann.
Warum gerade Wasser?
Wasser
ist ein wichtiges und spannendes Molekül im Universum. Wir möchten wissen, wie
es bei der Sternbildung in kalten Wolkenkernen entsteht. Das könnte uns zeigen,
wie das Wasser auf die Erde gekommen ist. Ausserdem ist es ein wichtiger Marker
bei den verschiedenen Stufen der Sternentstehung.
Nun gelang es Ihnen in
kurzer Zeit, eines Ihrer Ziele im Herschel-Projekt zu erreichen.
Wir
haben über das Absorptionsspektrum der Spektrallinien das HIFI – das steht für «Heterodyne
Instrument for the Far Infrared» – im Sternbild des Perseus gemessen und im
Temperaturbereich von -170 Grad Celsius bis 1200 Grad Celsius bei der
Sternentstehung Wasser nachgewiesen. Im Moment können wir zwei Bildungsphasen
ausmachen: Unter -170 Grad Celsius bildet sich Wasser, indem sich Sauerstoff
und Wasserstoff um Staubpartikel anlagern und durch eine katalytische Reaktion
zu Wasser verbinden. Wenn sich der Stern während seiner Entstehung aufheizt,
bildet sich dann bei -20 Grad Celsius plötzlich sehr viel und zudem auch
ionisiertes Wasser.
Wie entsteht dieses
Wasser?
Durch
Röntgen- und Ultraviolette Strahlung wird in der Hülle des Protosterns vorhandenes
Kohlenmonoxid zu Kohlenstoff und Sauerstoff aufgebrochen. Jedes freie
Sauerstoffatom wird dann zu Wasser gebunden. Dieses ist rund 10'000 Mal
häufiger als katalytisch generiertes Wasser. Es ist erstaunlich, wie leicht
Wasser in der Nähe von entstehenden Sternen zu finden ist.
Wie bildet sich
ionisiertes Wasser?
Bei
der Aufspaltung können Sauerstoff-Atome zum Teil auch ionisiert werden. Dann
entsteht ionisiertes Wasser. Wir waren völlig überrascht darüber, wie viel davon
in dieser Phase gebildet wird.
Sie haben bereits im
Vorfeld vorausgesagt, dass Sie mit Herschel diese Art von Wasser finden werden.
Wir
haben zuvor berechnet und deshalb vermutet, dass wir mit HIFI auch die vierte
Phase von Wasser, also ionisiertes Wasser, entdecken können. Uns war im Vorfeld
jedoch nicht klar, dass wir bereits in der frühen Entwicklungsstufe hochenergetische
Strahlung haben, die für die Bildung dieser Art von Wasser verantwortlich ist.
Wie verlief für Sie bisher
das Herschel-Projekt?
Am
Anfang hatten wir ziemlich Pech: Ein kosmisches Teilchen hat bei einer
elektronischen Steuereinheit ein Fehlsignal ausgelöst. Daraufhin haben sich die
Instrumente plötzlich ausgeschalten. Das verursachte einen Stromstoss, der
einen Teil der Messelektronik zerstörte. Glücklicherweise gab es dafür eine
Reserveeinheit, die wir im Januar aktivieren konnten. Seither läuft bei uns
alles bestens.
Was wird der nächste
Schritt sein?
Unser
Fernziel ist, die hochenergetische Strahlung und ihren ionisierenden Effekt zu
charakterisieren, warum und wie sie wirkt. Indem wir die Gegebenheiten genau
modellieren, wollen wir herausfinden, warum sie in so hohem Mass ionisiertes
Wasser bildet und was in den einzelnen Phasen der Sternbildung geschieht.
Das Herschel-Teleskop
Nach 27-jähriger Planungs- und Bauzeit flog das Weltraumteleskop Herschel im vergangenen Mai seinem Bestimmungspunkt, dem Lagrange-Punkt L2, entgegen (siehe ETH Life vom 14. Mai 2009). Herschel ist mit drei Messinstrumenten bestückt, wovon Teile des Heterodyne Instrument for the Far Infrared (HIFI) am Institut für Astronomie sowie dem Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenz der ETH Zürich entwickelt wurden. Mit ihm wird die Ferne Infrarot-Strahlung gemessen werden, mit der die Forscher nun nachweisen konnten, dass bei der Sternbildung in kalten Wolkenkernen Wasser entsteht. Nach dreimonatiger Reisezeit und 1,5 Millionen Kilometern Weg sendet das Teleskop seither Daten an die ESA-Bodenstation bei Madrid. Im Sommer dieses Jahres sollen die ersten ausgewerteten Daten in etwa 200 Artikeln in der Fachzeitschrift «Astronomy and Astrophysics» publiziert werden.
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