Veröffentlicht: 27.10.09
Latsis-Preis der ETH Zürich 2009

Higgs Bosons statt Basketbälle

Charalampos Anastasiou erhält den diesjährigen Latsis Preis der ETH Zürich. Der griechische Physiker wäre beinahe Basketballprofi geworden. Nun spielt er erfolgreich mit kleinsten Teilchen.

Peter Rüegg
Charalampos Anastasiou erhält den Latsis-Preis der ETH 2009. (Bild: P. Rüegg / ETH Zürich)
Charalampos Anastasiou erhält den Latsis-Preis der ETH 2009. (Bild: P. Rüegg / ETH Zürich) (Grossbild)

Nach über einem Jahr Zwangspause ist es bald soweit: Der Large Hadron Collider (LHC), der Teilchenbeschleuniger am Cern bei Genf, wird wieder hochgefahren. Gespannt werden Wissenschaftler verfolgen, ob bei den Kollisionen von Protonen das fieberhaft gesuchte Higgs Boson, ein Elementarteilchen der Materie, aus dem Datenmeer auftauchen wird.

Falls dieses rätselhafte, bisher nur in der Theorie existierende, Teilchen tatsächlich erkannt wird, hat ein Forscher der ETH Zürich grossen Anteil daran gehabt: Charalampos Anastasiou, Tenure Track-Assistenzprofessor in Teilchenphysik. Seine theoretischen Überlegungen und komplexen Berechnungen lassen präzise Voraussagen zu, welche der unzähligen Kollisionsprodukte Higgs Bosons sein könnten. Für diese Leistung erhält der Assistenzprofessor den diesjährigen Latsis-Preis der ETH, der ihm am ETH-Tag verliehen wird.

Higgs Boson präzise vorausgesagt

Die Forschung von Anastasiou und seiner Gruppe hat wesentlich dazu beigetragen, die theoretischen Voraussagen für die Partikelphysik stark zu verbessern, heisst es in der Laudatio des Preiskomitees. In seiner Karriere hat er mehrere Methoden entwickelt, um die Präzision der Prognosen zu erhöhen. Die erste Methode sei noch recht grob, zu ihrer Zeit jedoch gut gewesen. Später habe er in langer Arbeit zwei weitere Methoden entdeckt und entwickelt, mit denen die Voraussagen stark präzisiert werden konnten.

«Wir haben nun eine grosse Chance, am LHC dieses Teilchen zu finden, sofern die Theorie stimmt», schätzt Anastasiou. Er ist zuversichtlich, dass das Higgs Boson oder allenfalls etwas Anderes entdeckt wird. «Wenn nur das Higgs Boson gefunden würde und sonst nichts, wäre dies das langweiligste Szenarium aller möglichen Szenarien», sagt er. Wenngleich es natürlich eine der grössten Entdeckungen in der Teilchenphysik wäre. Die Forschung sei daran, eine Türe aufzustossen, hinter der bereits Musik zu hören sei, sagt der 35-jährige Ausnahmeforscher. «Einzig die Melodie, die gespielt wird, kennen wir nicht.» Niemand wisse genau, was hinter dieser Türe warte.

Physik statt Basketball

Beinahe hätte er eine Türe geöffnet, hinter der ihn eine ganz andere Karriere erwartet hätte: Sportwissenschaften. In seiner Jugend war der Grossgewachsene ein begeisterter Basketballspieler. Deshalb wollte er auch Sportwissenschaften studieren. Doch an dem Morgen, als er sich für das Studium hätte einschreiben sollen und er bloss noch die Türe zum Stadion hätte aufstossen müssen, zog er seine Hand zurück. In letzter Sekunde besann er sich anders – und studierte Physik in Athen.

Nach seiner Diplomarbeit, die er in Astrophysik schrieb, beschloss er, sich künftig auf Teilchenphysik zu konzentrieren. An der Durham (GB) University legte er sein Doktorat ab, dem ein dreijähriger Aufenthalt als Postdoc in Stanford und an der ETH Zürich folgte. Danach arbeitete er ein Jahr am Cern und seit zwei Jahren wieder an der ETH Zürich, wo er nun eine Tenure Track Assistenzprofessur und eine Arbeitsgruppe hat.

«Gute Physik» als Ziel

Nicht immer sei es einfach gewesen in seiner Laufbahn, auch wenn diese nach aussen scheinbar reibungslos verlaufen ist. Vieles gehe in der Physik spontan, sagt er, aber es habe auch Momente gegeben, in denen er sich habe durchbeissen müssen. «Aber einen Weg zurück hat es für mich nicht gegeben.» Hauptziel seiner Arbeit sei nicht gewesen, eine gewisse Position zu erlangen, sondern «gute Physik» zu machen. Dabei sei eines der Hauptvergnügen, das Wissen und Knowhow auf andere zu übertragen und andere Leute für Physik zu begeistern.

Heute arbeitet er mit seiner Gruppe an komplexen Problemen, an einem grösseren Bild einer Vision, die, so Anastasiou, ohne Gruppe nicht machbar ist. Mit den jungen Wissenschaftlern in der Gruppe, die neue Theorien einbringen und alte erweiteren, sei es möglich, die theoretische Physik zu verbessern. «Das hat die Ausrichtung meiner Arbeit positiv verändert», sagt der Forscher.

 
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