Veröffentlicht: 06.10.09
NFP 59 Podium

Risiken transgener Pflanzen fassbar machen

Wieviel Forschung ist für die Risikobeurteilung von gentechnisch veränderten Pflanzen tatsächlich nötig und muss diese im Feld stattfinden oder genügen auch Laborversuche? Angelika Hilbeck, Biologin an der ETH Zürich, und Alan Raybould von Syngenta präsentierten an einer Podiumsdiskussion zwei unterschiedliche Ansätze.

Samuel Schläfli
Angelika Hilbeck vom Institut für integrative Biologie präsentierte ihren «Whole Plant approach» für eine ganzheitliche Risikoabschätzung bei transgenen Pflanzen. (Bild: NFP 59)
Angelika Hilbeck vom Institut für integrative Biologie präsentierte ihren «Whole Plant approach» für eine ganzheitliche Risikoabschätzung bei transgenen Pflanzen. (Bild: NFP 59) (Grossbild)

Wie bekömmlich ist transgener Weizen für den Regenwurm? Welche Auswirkungen hat gentechnisch veränderter Mais auf die Bodenfruchtbarkeit? Oder schadet die Pilzresistenz einer transgenen Pflanze seinen Nützlingen? Ausgehend von solchen und ähnlichen Fragen werden im Nationalen Forschungsprogramm NFP 59 «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen» die Risiken von transgenen Pflanzen für die Umwelt erforscht. Welche Daten für eine profunde Risikobeurteilung tatsächlich nötig sind und inwiefern diese auf dem Feld oder im Labor gewonnen werden können, ist seit langem ein Streitpunkt unter Wissenschaftlern und Politikern.

Wo beginnt das Risiko?

An einer Veranstaltung des NFP 59 zusammen mit dem Institut für Umweltentscheidungen der ETH Zürich wurden zwei unterschiedliche Ansätze zur Bewertung von potenziellen Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen diskutiert. Für Alan Raybould, Verantwortlicher für die Produktsicherheit bei Syngenta, sind die heutigen Risikobeurteilungsverfahren unnötig aufwändig. In der gängigen Praxis wird seiner Meinung nach oft nach Ergebnissen geforscht, die der eigentlichen Risikobeurteilung nicht dienen, sondern im Gegenteil zu Missverständnissen führen. «Viel Forschung führt nicht automatisch zu mehr Sicherheit im Umgang mit Risiken», sagte Raybould. Forschung sei für die Umwelt-Risikobeurteilung nur dann relevant, wenn damit eine Hypothese getestet wird, die klare Antworten auf Fragen nach schädlichen Effekten bei der Kultivierung von gentechnisch veränderten Pflanzen gibt. Dazu müsse aber erst einmal definiert werden, was überhaupt ein schädlicher Effekt sei, bevor noch mehr Forschung betrieben würde, um Effekte vorherzusehen, von denen man noch nicht einmal wisse, ob sie überhaupt gesetzesrelevant seien. Für die Grundlagenforschung seien detaillierte Fragestellungen zwar oft attraktiv, diese könnten aber unter Umständen für die Risikobeurteilung irrelevant sein.

Raybould geht weiter davon aus, dass viele Risikofragen in Labortests beantwortet werden könnten. Er sehe nicht ein, weshalb ein Organismus, der im Labor keine negativen Effekte zeige, anschliessend im Feld getestet werden müsse. Bestehende Daten zu einzelnen Organismen könnten zudem oft auch auf andere Organismen mit denselben Proteinen übertragen werden, ohne dass dafür eine neue, aufwändige Feldstudie nötig wäre. In diesem Punkt widersprach die zweite Rednerin, Angelika Hilbeck vom Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich, vehement. Es sei kurzsichtig, von einzelnen Proteinen auf ganze Organismen und aus Beobachtungen im Labor automatisch auf das Verhalten im Feld zu schliessen. Simon Zeller, der im Rahmen des NFP 59 im Feldversuch in Reckenholz untersucht, wie transgene Weizenpflanzen auf ihre Umwelt reagieren, ging mit Hilbeck einig. In den Feldversuchen hätten er und seine Kollegen mehrmals Effekte beobachtet, die im Labor nie abzusehen gewesen wären.

Ganzheitlicher Ansatz

Hilbeck ist der Überzeugung, dass eine profunde ökologische Risikobeurteilung fallspezifisch vorgenommen werden muss. Dabei muss die Pflanze, das Transgen sowie die Umweltbedingungen, in welche eine transgene Pflanze einst ausgesetzt werden soll, berücksichtigt werden. Die Ökologin stellte ihren «Whole Plant approach» vor, den sie dem klassischen «Ecotoxicology Model» gegenüberstellte, das sich im Wesentlichen auf die Untersuchung der Toxizität von aus Mikroben isolierten transgenen Proteinen in Stellvertreterorganismen wie Huhn, Fisch oder Biene beschränkt. In einem sechsjährigen Projekt hat die sie ihren Ansatz in drei Fallbeispielen in Kenia (Mais), in Brasilien (Baumwolle) und in Vietnam (Baumwolle) getestet. Die Ergebnisse wurden publiziert und das Modell liesse sich laut Hilbeck auch in grossem Umfang einsetzen. Zwangsläufig stellt sich aber die Frage nach der Praktikabilität: Hilbecks Ansatz impliziert nämlich, dass in Region A bereits getestete Pflanzen, die in einer ökologischen Region B zum Einsatz kommen sollen, nochmals auf dem Feld in Region B getestet werden müssen. Wo müsste man dabei die Grenzen ziehen: Tessin hat bereits eine andere Flora als Basel – würde dies weitere aufwändige und zeitintensive Feldversuche bedeuten? Hilbeck glaubt, dass diesem Problem mit der Deklarierung von biogeografischen Regionen, wie sie für den EU-Raum bereits definiert wurden, begegnet werden könnte. Solche Regionen bezeichnen Gebiete mit demselben ökologischen Charakter. Folglich wären die Ergebnisse eines Feldversuchs auf andere Gebiete innerhalb derselben biogeografischen Regionen übertragbar. In einem Punkt waren sich Hilbeck und Raybould schliesslich einig: Es sei nicht an der Wissenschaft Risiken zu beurteilen und damit in den politischen Entscheidungsprozess einzugreifen. Hier sei die Politik mit einer klaren Gesetzgebung gefragt.