Raumplanung: Implementierung des Gesetzes funktioniert nicht

Als ehemaliges Mitglied des Planungsinstituts der EPF Lausanne, der CEAT, seien mir hier einige Gedanken zum Thema gestattet. Praktizierende Planer sind der Ansicht, dass das geltende Raumplanungsgesetz nicht geändert werden muss. Wie das übrigens auch der SIA in seiner Vernehmlassung an den Bundesrat klar festgestellt hat. Wieso funktioniert aber die Implementierung dieses guten und fortschrittlichen Gesetzes, das den menschlichen Bios, die Natur und unsere Ressourcen nachhaltig schützt und dafür starke demokratische Mechanismen vorsieht, nicht?

Es sind wahrscheinlich mehrere Faktoren dafür verantwortlich:

1. Die fehlende Durchsetzungskraft des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE).

Seit seinem Bestehen ist dieses Amt seiner Aufgabe nicht gewachsen gewesen. Die konsequente Einführung der kantonalen Richtpläne ist schon misslungen. Statt dem Willensakt der „Raumplanung“ ist das Amt zu einem Amt für Raumentwicklung geworden. Mit unzulänglichen politischen Mitteln und einer unbrauchbaren Verordnung ausgestattet, widmet es sich mehr der Raumbeobachtung, als der Gestaltung und der Koordination des Territoriums. Die Leiter dieses Amtes waren Juristen, Entwicklungshelfer, Administratoren, seit neuestem ist es eine Wissenschaftlerin. Niemals war eine starke Persönlichkeit, ein(e )PraktikerIn ein(e) erfahrener ArchitektIn oder ein Baufachperson, die die Mechanismen des Baugeschehens auf den verschiedenen Ebenen kennt, Leiter dieses Amtes. Man wollte es offenbar nicht mit zu grosser Macht und Kompetenz ausstatten, das Gesetz durchzusetzen.

2. Die fehlende Kontrolle auf der Ebene der Gemeinden.

Wenn man die Anwendung der Raumplanung auf der untersten Ebene der Verwaltung, den Gemeinden kennt, sei das in den Bergkantonen oder den peripheren Lagen, aber auch in den Investitionszentren, stellt man fest, dass dort eine eigene, von Geldsucht, Nepotismus und Gefälligkeitswirtschaft bestimmter Vollzug vorherrscht. Die Kantone lassen das ohne wirkungsvoller Kontrolle geschehen, Regierungs- und Kantonsräte sind zu fest mit dem Filz verbunden und sind Marionetten des Systems.

3. Die fehlende konsequente Auslegung des Gesetzes.

Das Raumplanungsgesetz schützt die Ressourcen. Dass nicht nur der Boden sondern auch die Energie eine Ressource und auf das Engste mit der Raumplanung verbunden ist, hat man noch nicht realisiert. Der Dynamismus der Konzentration von primären, sekundären und tertiären Energien in den menschlichen Artefakten, der gebauter Umwelt, Materialinvestitionen und ihrer Nutzungsenergie werden in ihrer Raumwirksamkeit nicht beachtet. Verdichtung bedeutet immer auch Energieverschwendung. Dieser paradigmatische Widerspruch zur masshälterischen Nutzung des Bodens ist nicht gelöst. Weder Einfamilienhaussiedlungen noch Hochhauscluster sind energetisch vertretbar.

4. Die fehlende Ausbildungsqualität der Planer und Architekten.

Wie ich in meinem offenen Brief an den Präsidenten des ETH Rates (publiziert in ETHLife am 9.06.09) hingewiesen habe, ist die Grundausbildung der Baufachleute, Architekten und Bauingenieure bezüglich des Verständnisses und der Rücksicht auf die Bedürfnisses der Raumplanung völlig ungenügend. Die ebenfalls im ETHLife erschienene Antwort des ETH-Rates auf mein Schreiben weicht dem Problem aus. Geltungsbedürfnis, auffallende Einzelbauten und Egozentrismus verdrängen die soziale und moralische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und ihrem Lebensraum, weil die heutigen Baufachleute in ihrem Normalstudium nicht zu diesem Zivismus erzogen werden. Eine grosse Anzahl von spezialisierten Instituten erlaubt zwar die vertiefte Ausbildung und die Forschung in raumplanerischen Fragen. Der an der Front kämpfende Baureferent in den Gemeinden und der um seinen Ruhm (und Honorar) kämpfende Architekt und Ingenieur stammen aber aus dem raumplanerisch ungebildeten Durchschnitt unserer Hochschulabsolventen.

Wenn wir so allgemein von Landfrass sprechen, so geht es um die Besiedelung unserer seit Jahren unveränderten - erst zu 75% ausgenützten - gesetzlich festgelegten Bauzonen. Das ist kein quantitatives oder wissenschaftliches Problem, sondern ein moralisches, ästhetisches und politisches. Dabei hat die Schule bei der Ausbildung der für die zukünftigen Gestaltung unseres Landes beauftragten Fachleute eine wesentliche Verantwortung.

Dr. Norbert C. Novotny - 22.09.09

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