Atomenergie: Antwort auf einige Kommentare

Frau Mantegani fragt: "Ist Atommüll ein vernachlässigbarer Aspekt?" Ganz und gar nicht. Ich habe ja auch nichts dergleichen behauptet im Interview. Nuklearer Abfall weist eben drei Besonderheiten gegenüber anderen toxischen Abfällen auf: Er ist heute sehr stark radiotoxisch, fällt dafür aber in kleinen Mengen an, die aus einem Prozess mit vergleichsweise extrem hoher Wertschöpfung stammen. Deshalb ist es möglich, aus dem Umsatz der Kernkraftwerke eine sichere Entsorgung zu finanzieren, ohne dabei den Kilowattstundenpreis wesentlich zu belasten. Ich kann stets gern Auskunft geben über den Stand der Technik und der wissenschaftlichen Erkenntnis auf diesem Gebiet. Eine wirtschaftliche Anwendung der Kernenergie ist weder technisch noch ökonomisch auf illegale Exporte von nuklearem Abfall angewiesen. Dies sind kriminelle Handlungen, gegen die man mit den der Gesellschaft und der Staatengemeinschaft zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten muss, wenn sie stattfinden.

Was ich im Interview thematisierte, und das möchte ich hier nochmals hervorheben, ist die Tatsache, das toxischer Abfall aus anderen Bereichen der Energietechnik oft ausgeblendet wird, wenn die Kerntechnik mit anderen Energiequellen verglichen wird. Meist handelt es sich dabei um Stoffe, deren Toxizität mit der Zeit nicht abnimmt. Durch den radioaktiven Zerfall des nuklearen Abfalls wird dieser von dem chemisch-toxischen Abfall früher oder später "überholt". Da die Nutzung regenerativer Energiequellen, wie eben z.B. durch die Produktion des nötigen Kupfers, hier schlechter dasteht, als die Kernenergie, weist letztere auch dann noch ökologische Vorteile, wenn es möglich wäre, die gesamte Energieversorgung auf Regenerativ umzustellen. Deshalb sollte sie meiner Meinung nach immer einen Platz im zukünftigen Energiemix erhalten.

Auch Herr Alt beklagt, ich würde die sichere Endlagerung der "kleinen Abfallvolumina" als vernachlässigbar betrachten. Ich tue das ganz und gar nicht. Im Interview weise ich nur darauf hin, dass dies meist mit den Abfallströmen aus anderen Energieumwandlungstechnologien geschieht. Der erreichte Wissensstand zur geologischen Endlagerung zeigt, dass ein abgestuftes Barrierensystem bestehend aus Endlagerbehältern, "Backfill" und Wirtsgestein alle Komponenten, die im hochaktiven nuklearen Abfall enthalten sind, so einzuschliessen, dass die Dosisgrenzwerte, die auch heute für Kernanlagen gelten, an der Oberfläche zu allen Zeiten weit unterschritten werden. Sie zeigen ferner, dass ein geologisches Tiefenlager robust ist und auch bei unterstellten Szenarien des Eingriffs von Aussen, wie z.B. des versehentlichen Anbohrens eines Behälters, die Einhaltung dieses Grenzwertes nicht in Frage gestellt ist.

Diese Erkenntnisse sind ein Ergebnis der Forschung auch von Gruppen an der ETH Zürich und im Paul Scherrer Institut. Die Studenten des Masterstudienganges "Nuclear Engineering" haben zu den Fragen der Urangewinnung, der Entsorgung und der ökologischen Bewertung der Kernenergie im Vergleich mit anderen Energieformen einen Vorlesungszyklus im Programm, der "Nuclear Energy Systems" heisst und immer im Frühjahrssemester läuft. Diesem Thema wird folglich in Forschung und Lehre das nötige Gewicht beigemessen.

Horst-Michael Prasser, Professor am Labor für Kernenergiesysteme der ETH Zürich - 20.12.08

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