Veröffentlicht: 16.06.08
Gentechnologie gegen Feuerbrand

Vom Apfel für den Apfel

Der Feuerbrand wütet und resistente Obstsorten sind nicht in Sicht. ETH-Pflanzenpathologe Cesare Gessler setzt auf die Gentechnologie, indem er Resistenzgene von Wildäpfeln in Zuchtäpfel einbauen will. Doch statt auf transgene setzt er auf cisgene Pflanzen. Ein Ausweg aus der Gentechfalle?

Peter Rüegg
Die Krankheit trägt ihren Namen zurecht. Befallene Apfelblätter mit Feuerbrand. (Bild:wikipedia)
Die Krankheit trägt ihren Namen zurecht. Befallene Apfelblätter mit Feuerbrand. (Bild:wikipedia) (Grossbild)

Die Schweizer Obstbauern haben eine grosse Sorge: den Feuerbrand. Seit ein paar Jahren grassiert in Obstplantagen diese Bakterienkrankheit, die Rosengewächse, insbesondere Äpfel, Birnen, Quitten oder verschiedene Ziergehölze wie Cotoneaster befällt. Mit dem Antibiotikum Streptomycin lässt sich der Erreger zwar bekämpfen, dieses war aber in der Schweiz bis anhin verboten. Erst auf dieses Jahr hin hat der Bundesrat entschieden, Antibiotika im Kampf gegen Feuerbrand zuzulassen.

Auf der Hand liegt es, Äpfel mit einer Resistenz gegen Feuerbrand auszustatten. Doch wie eine Sorte züchten, die wie „Gala“ schmeckt, genauso gut lagerfähig ist und erst noch gegen dieses Bakterium resistent ist? „Mit Hilfe der Gentechnologie“, lautet die Antwort von Cesare Gessler, Professor für Phytopathologie am Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH. Aber eben: nicht mit einem transgenen Apfel sondern mit einem cisgenen.

Cisgene Pflanzen als Mittelweg

Wie bei transgenen Pflanzen, etwa beim bt-Mais, der ein Bakteriengen enthält, wird einer cisgenen Pflanze ein Gen, im Fall des Apfels ein Apfelgen, das die geforderte Resistenz vermittelt, eingebaut. Um diesen Einbau zu bewerkstelligen, werden Transporter- und Markierungssequenzen verwendet, die meist von artfremden Organismen wie Viren oder Bakterien stammen. Bei den transgenen Organismen bleiben diese Genabschnitte im Pflanzengenom drin, und das eingefügte Gen ist oft artfremd. Bei cisgenen Pflanzen werden die Fremdgene wieder entfernt, so dass am Ende nur das erwünschte arteigene Gen erhalten bleibt.

Ein Cisgen liesse sich theoretisch auch mit einer Kreuzung einschleusen. Würde man aber einen Gala-Apfel mit einem Wildapfel kreuzen, würde eine andere Sorte entstehen, die möglicherweise nicht den Geschmack der Konsumenten trifft, selbst wenn sie gegen Feuerbrand resistent wäre.

Bessere Akzeptanz

Gessler wehrt sich aus verschiedenen Gründen dagegen, einen transgenen Gala-Apfel zu produzieren. „Bis anhin hat die grüne Gentechnologie keine Produkte hervorgebracht, die für die Schweiz sinnvoll sind und sowohl Konsumenten als auch Produzenten Vorteile bringen würden“, sagt er. Die Konsumenten seien misstrauisch gegenüber der Gentechnik, besonders gegenüber Pflanzen, die artfremde Gene beinhalten würden. Gessler ist überzeugt, dass cisgene Pflanzen bei Konsumenten und Produzenten auf grössere Akzeptanz stossen als transgene. „Wir sollten über Produkte, nicht über die Technologie reden, denn diese ist weder gut noch böse.“

Ein weiter Weg

Doch der Weg zu einem cisgenen Apfel mit einer Feuerbrand-Resistenz ist weit und teuer. Ein Resistenzgen haben sie bei einem Wildapfel und den Sorten „Fiesta“ und „Nova easyGro“ ausfindig machen können, und diese erwünschte Eigenschaft ist auf einem einzigen Genort kodiert. Doch das richtige Gen sowie dazu gehörige funktionale Sequenzen einzugrenzen, auszuschneiden und in das andere Genom einzuschleusen ist ein langer Prozess. Sobald das Gen „erhältlich“ ist, dauert es derzeit weitere zwei Jahre, bis die Apfelbäumchen im Gewächshaus herangewachsen sind und getestet werden können. Im Moment arbeitet Gesslers Arbeitsgruppe im Rahmen des NFP 59 an cisgenen Gala-Äpfeln, die gegen Schorf, eine berüchtigte Pilzkrankheit, resistent sind. Das Prinzip lässt sich theoretisch auch auf Feuerbrand übertragen.

Selbst wenn Feuerbrand mit resistenten Sorten bekämpft werden könnte, so befürchtet Gessler, würde sich dies wirtschaftlich nicht auszahlen. Ersetzt ein Obstbauer seine Plantage mit resistenten Bäumen, wird er pro Hektare rund 800 bis 1000 Franken pro Jahr einsparen. Pro Baum beträgt der Gewinn magere vier Franken – zu wenig, als dass sich der Einsatz von Millionen in Forschung und Entwicklung für die Industrie lohnen würde. Die Entwicklungsarbeit müsse deshalb an Hochschulen in einem nicht-kommerziellen Interesse durchgeführt werden, findet Gessler. Cisgene Äpfel sind in seinen Augen für den Biolandbau interessant. Gala und Golden Delicious seien die Sorten, die sich am besten verkaufen liessen, aber bis heute nicht biologisch angebaut werden können. „Nur haben sich die Biobauern gegen Gentechnik ausgesprochen“, bedauert Gessler. In der EU gibt es allerdings Bestrebungen, die cisgenen Pflanzen anders zu behandeln als transgene. „Wären cisgene Pflanzen von den Bestimmungen über Gentechnologie ausgeklammert, wäre das Problem der Biobauern gelöst.“

Heimtückische Krankheit aus Amerika

Zum ersten Mal wurde der Feuerbrand vor etwa 200 Jahren in Amerika beobachtet. 1957 wurde sie zum ersten Mal in Europa festgestellt. In der Schweiz sind die Ost- und Zentralschweizer Kantone sowie die Bodenseeregion besonders stark betroffen. Im Kanton Thurgau und im südlichen Lindauerkreis, sowie im österreichischen Vorarlberg sind mindestens zwei Drittel aller Obstplantagen gefährdet. Der Erreger des Feuerbrands ist das hochinfektiöse Bakterium Erwinia amylovora. Die Infektion erfolgt zum Beispiel über die Verbreitung von verunreinigtem Pflanzenmaterial, Wind, Regen oder Insekten können den Bakterienschleim im Nahbereich verbreiten und damit neue Wirte anstecken. Blätter und Blüten befallener Pflanzen welken vom Blattstiel her verfärben sich braun oder schwarz. Die Triebspitzen krümmen sich aufgrund des Wasserverlustes hakenförmig nach unten. Die Pflanze sieht wie verbrannt aus. Junge Pflanzen sterben innerhalb von zwei bis drei Wochen ab. Bei älteren Pflanzen kann es ein Jahr oder länger dauern, bis sie absterben. Das Collegium Helveticum und das Plant Science Center von ETH und Uni Zürich hat dem Feuerbrand und seiner Bekämpfung am Freitag ein ganztägiges Symposium gewidmet. Fachleute aus Wissenschaft, von Behörden und Naturschutz diskutierten über die Möglichkeiten, wie der Feuerbrand bekämpft werden kann. Sie waren sich vor allem darüber einig, dass man lernen muss, mit der Krankheit zu leben. Ausrotten, etwa durch radikale Rodungsaktionen lässt sich der Erreger nicht mehr. Die Geister schieden sich jedoch ob der Frage, welche Massnahme nun die richtige ist, um die Krankheit einzudämmen. Ob Gentechnik, klassische Züchtung, das Antibiotika Streptomycin, Bakterien-Gegenspieler oder die Selbstheilungskräfte der Natur das richtige Mittel sind, war umstritten.