Veröffentlicht: 04.03.08
Internet of Things

Mit einem Schnappschuss die Welt googeln

Das Handy könnte den PC bald als meistgenutzte Schnittstelle zum Internet ablösen. Kooaba, ein ETH-Start-up, hat dazu eine Technologie entwickelt, mit der Handynutzer über die integrierte Kamera nach Informationen aus dem Internet suchen können. Ein weiterer Schritt zum Koppeln von physischer und digitaler Welt ist damit getan.

Samuel Schläfli
Herbert Bay (r) und Till Quack, die beiden Gründer des Start-up-Unternehmens kooaba machen die Welt per Handykamera „anklickbar“. Bild: kooaba
Herbert Bay (r) und Till Quack, die beiden Gründer des Start-up-Unternehmens kooaba machen die Welt per Handykamera „anklickbar“. Bild: kooaba (Grossbild)

Herbert Bay und Till Quack, die beiden Gründer von kooaba, sind dieser Tage gefragte Ansprechpartner: Die beiden Jungunternehmer sind erst von einer Geschäftsreise in Spanien zurückgekehrt, davor war Bay bei der Premiere der Sendung "Giacobbo/Müller - Late Service Public" zu Gast und kurz danach trat Quack beim Konsum TV auf. Bei der Sendung „Start up“ des Schweizer Fernsehens gehörte kooaba zu den 10 Gewinnerteams, ebenso beim Geschäftsideen-Wettbewerb Venture 08 und einem vergleichbaren Wettbewerb des International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne. Es scheint als hätte die Geschäftsidee von Bay und Quack vom Computer Vision Lab der ETH Zürich eingeschlagen. „Die passende Idee zur richtigen Zeit“, meint Bay dazu. Und weiter: „Unsere Arbeitstage sind momentan meist sehr lang, doch wir wussten von Anfang an, was auf uns zukommen wird.“

Bay, der ursprünglich an der EPFL Mikrotechnik studiert hat, entwickelte während seiner Dissertation am Computer Vision Lab einen Algorithmus zur Objekterkennung mittels Fotobildern. Dieser ist so genau, dass selbst angeschnittene oder durch einen Fremdgegenstand verstellte Fotos noch einwandfrei erkannt werden. Beim 150-Jahr-Jubiläum der ETH wurde die Technologie in Kombination mit der Handykamera erstmals erfolgreich der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach Abschluss seiner Doktorarbeit vor zwei Jahren entschied sich Bay zusammen mit seinem ETH-Kollegen Till Quack ein eigenes Unternehmen zu gründen. Inzwischen ist noch Luc Van Gool, Professor und Leiter des Computer Vision Lab, zum Gründerteam dazugestossen.

Die ganze Welt auf dem Handy

Etwas mehr als ein Jahr später kann sich nun jedermann selber von der Geschäftsidee hinter kooaba überzeugen: Mit der Handykamera fotografiert der Nutzer ein Werbeplakat für einen Kinofilm, schickt das Bild mittels MMS, E-Mail oder dem speziell für das Handy entwickelten kooaba Client an eine bestimmte Zieladresse und kann kurze Zeit später auf dem Handybildschirm Trailer, Filmkritiken, das aktuelle Kinoprogramm und die Nummer für die Kartenbestellung zum Film von Interesse abrufen. Eine Art Google für das Handy also, nur dass man seine Suchanfrage nicht mehr mühsam in die Kleintastatur tippen muss, sondern das Objekt der Suchanfrage einfach fotografiert.
Bis jetzt funktioniert dieser Service nur mit aktuellen Kinofilmplakaten. In den nächsten Wochen werden der Datenbank jedoch sämtliche je erstellten Filmplakate beigefügt. Danach kommen DVD-Covers, CD-Booklets und die ersten historischen Gebäude Zürichs hinzu. „Ich bin davon überzeugt, dass das Potenzial von Kooaba riesig ist. Grundsätzlich kann die gesamte gegenständliche Welt, von Kunstwerken über Weinetiketten bis hin zu Details einer Sehenswürdigkeit, ins System integriert werden“, so Bay. Mit einer kleinen Einschränkung: Bay ist bislang noch kein Algorithmus bekannt, der selbst menschliche Gesichter eindeutig identifizieren könnte.
Neben dieser Suchmaschine für das Handy, bietet das junge Unternehmen zwei weitere Produkte speziell für die Werbe- und Verlagsindustrie an. Unternehmen wie Easyjet und das Musiklabel EMI machen bereits Gebrauch davon und bieten ihren Kunden zusätzliche Dienste wie Ringtones oder die Teilnahme an einem Wettbewerb an, wenn diese ihre Werbung abfotografieren und an eine bestimmte Nummer schicken. Das gleiche gilt für das Gratismagazin 20 Minuten in der französischen Schweiz, wo die Leser über kooaba zusätzliche Bildstrecken auf ihre Handys „fotografieren“ können. Für Bay ist dies das Marketing der Zukunft: „Der Kunde hat je länger je weniger Lust per SMS auf eine Werbung zu reagieren. Unser Angebot dagegen ist visuell und spricht gerade deswegen unsere junge und urbane Zielgruppe viel stärker an.“

Ins Ausland expandieren und Datenbanken ausbauen

Die Idee, die Handykamera mit dem Internet zu koppeln und damit die unmittelbare Umgebung „anklickbar“ zu machen, ist nicht ganz neu. In Japan, wo bereits heute mehr Menschen übers Handy ins Internet einsteigen als über den PC, sind so genannte 1D- oder 2D-Barcodes weit verbreitet. Wer einen solchen Code fotografiert und an das entsprechende Unternehmen schickt kann auf weitere Informationen im Internet zugreifen. Oft stören diese Codes jedoch den Werbeauftritt einer Marke oder aber der Platz dafür ist, wie zum Beispiel in einem Magazin, gar nicht vorhanden. kooaba umgeht diese Probleme indem das Foto der Werbung selbst zum Link ins Internet wird. Trotzdem glaubt Bay nicht, dass die Barcodes fürs Handy, die in Europa erst jetzt langsam Fuss fassen, von kooaba verdrängt werden: „Unsere Lösung ist eine perfekte Ergänzung zu den Barcodes. Während der Barcode eher eine URL, also ein direkter Link auf eine bestimmte Information ist, gleicht unsere Technologie eher einer Suchmaschine.“
Japan dient Bay auch gleich als Stichwort, wenn es um zukünftige Zielmärkte geht: Zuerst Deutschland, England und Spanien, danach schon sehr bald Japan. „Die Schweiz ist für kooaba ein idealer Testmarkt. Er bietet anspruchsvolle und zugleich kritische Handynutzer und die Marktgrösse ist überschaubar. Für ein relevantes Wachstum müssen wir aber schon sehr bald auch im Ausland Fuss fassen“, so Bay. Erste Verträge mit Kunden aus dem nahen Ausland sind bereits aufgesetzt. Zudem ist Kooaba mit einem direkten Draht zu Toyota, die Bays Doktorarbeit finanziell unterstützt hatte, für einen Einstieg in den japanischen Markt gut gerüstet.
Die kurzfristigen Ziele für 2008 fasst Bay wie folgt zusammen: Den Businessplan einhalten, das Kundenportfolio über verschiedene Branchen diversifizieren und die Datenbanken weiter ausbauen. Mögliche technische Grenzen des Systems sieht Bay einzig bei der Skalierung der Datenbank. Je mehr Bilder nämlich in der Datenbank abgelegt werden, desto anfälliger wird das System auf Fehler. Doch auch hier ist Bay optimistisch. Schliesslich hat er durch die enge Zusammenarbeit mit Luc Van Gool und dem Computer Vision Lab einen starken Partner zur Seite, der die technologische Weiterentwicklung von kooaba mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen vorantreiben wird. Im Gegenzug können die Innovationen des ETH-Labs über kooaba breit angewandt und getestet werden. Eine perfekte Symbiose von Wissenschaft und Industrie also.

Konferenz – The Internet of Things

Das Internet mit der realen Welt zu verknüpfen in einer der Zukunftsmärkte von morgen. Wie sich mit kooaba Informationen über das Handy abrufen lassen, so können Informationen über die Echtheit von Produkten auch mit dem Handy überprüft werden. Durch diese Verbindung entstehen neue Potenziale. nicht nur im Supply Chain Management, sondern auch für den Detailhandel, die Industrie-Produktion, den Bereich der Gesundheitsvorsorge. „The Internet of Things“ ist die erste Konferenz, welche Wissenschaftler und Industrievertreter gleichermassen anspricht. Sie versucht die Chancen und die Risiken (Datenschutz, Privacy) gleichermassen anzusprechen. Organisiert wird sie von der Friedemann Mattern, Professor am Institut für Pervasive Computing, und Elgar Fleisch, Professor für Informationsmanagement der ETH Zürich zusammen mit der Hochschule St.Gallen und dem MIT.
Wann: 26.-28. März 2008
Wo: Swissotel, Zürich
www.the-internet-of-things.org