Viel Volk unter Wissenschaftlern
Dem Wetter zum Trotz: An der ersten Nacht der Forschung in Zürich haben mehrere Tausend Neugierige den Kontakt zu Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen gesucht und gefunden. Die Veranstalter sind zufrieden.
Im Herzen von Zürich lud am Bellevue ein Pavillon die Passanten ein, in die Welt der Forschung einzutauchen und selbst Experimente durchzuführen. Am Stand des Life Science Learning Centers der ETH und der Universität Zürich konnten die Besucher beispielsweise selbst genetisch mutierte Fruchtfliegen miteinander kreuzen. Durch ein Mikroskop beobachteten sie die verschiedenen Mutationen von der Essigfliege Drosophila melanogaster, einem Insekt, dessen Erbinformation zu 60 Prozent mit jener des Menschen identisch ist. Durch den raschen Fortpflanzungszyklus lassen sich innert kurzer Zeit wichtige Informationen darüber gewinnen, welche Gene für welche Merkmale verantwortlich sind. Daraus lassen sich auch Rückschlüsse auf den Menschen ziehen. Durch die Beteiligung des Publikums an den Kreuzungsexperimenten soll die Skepsis gegenüber der Gentechnologie abgebaut werden.
Technologien für die Zukunft
Von den Pavillons am Bellevue brachten zwei kostenlose Shuttle-Schiffe die Besucher zum Hauptstandort der Ausstellung am Zürichhorn. Während der Fahrt standen Wissenschaftler wie Nobelpreisträger Richard Ernst Interessierten Rede und Antwort in einer ungezwungenen Atmosphäre. Am Zürichhorn erwarteten den Besucher eine Seebühne mit diversen Science-Shows und Präsentationen sowie ein Ausstellungszelt mit weiteren Ständen.
Das Labor
für autonome Systeme der ETH präsentierte beispielsweise den Solar Segler „Sky
Sailor“ und die Flugroboter „CoaX“ und „OS4“. Wegen des starken Windes
mussten die selbststeuernden Helikopter ihre Flugmanöver im Innern des
Forschungszelts demonstrieren. Für autonomes Fliegen sind die Flugroboter eigentlich auch
entwickelt worden. Ausgerüstet mit Kameras könnten sie in Zukunft unter anderem
eingestürzte Gebäude nach Überlebenden absuchen. Ein mögliches Einsatzgebiet
für den „Sky Sailor“ ist die Verkehrsüberwachung mit Staumeldungen rund um die
Uhr, da das ultraleichte Flugzeug nachts von einer Batterie angetrieben in der
Luft bleiben kann. Die Solarzellen, die auf den drei Meter breiten Flügeln
angebracht sind, liefern tagsüber genügend Energie, um den Propeller anzutreiben
und die Batterie zu laden.
Eine
besonders hohe Energieeffizienz war auch beim Bau des Pac-Cars II nötig. Das
sparsamste Auto der Welt würde mit dem Äquivalent von einem Liter Benzin 5385
Kilometer weit fahren. Das Gefährt wird jedoch mit von einer Brennstoffzelle
angetrieben, welche als einziges Abgas Wasserdampf produziert. Am Shell Eco
Marathon in Ladoux (Frankreich) verbrauchte Pac-Car II lediglich 1 Gramm
Wasserstoff für die Renndistanz von 20,6 Kilometern, und dies bei einer
durchschnittlichen Geschwindigkeit von immerhin 30 km/h. Der futuristische
Einsitzer wurde von der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit dem
Paul Scherrer-Institut und der RUAG entwickelt und zeigt mögliche Wege für den
effizienten Ersatz von fossilen Brennstoffen.
Klischees und Selbstironie
In Zürich und über 30 anderen Städten wurde zu einer Nacht der Forschung
eingeladen. Die Schweiz
nahm dieses Jahr zum ersten Mal an der gesamteuropäischen Veranstaltung teil.
Die European Researchers Night ist ein Projekt des 7.
Rahmenprogramms für Forschung und technologische Entwicklung der Europäischen
Union (EU). Bereits zum dritten Mal finanziert die EU diese Initiative aus ihrem Budget.
Peter Chen, Vizepräsident Forschung der ETH Zürich, eröffnete die Nacht
der Forschung mit einer kurzen Ansprache. Die Veranstaltung solle die
wissenschaftliche Forschung für die Öffentlichkeit greifbarer machen.
Dass die Forscher sich selbst nicht immer so ernst nehmen, war an der Wahl des Moderators der Veranstaltung zu erkennen. Der Kabarettist Gögi Hoffman führte als verrückter Wissenschaftler durch die Nacht der Forschung und überbrückte allfällige Wartezeiten mit kleinen Wettbewerben und viel Improvisation. So durften sich Besucher mit einem breiten Allgemeinwissen an Preisen wie ETH Regenschirmen freuen und blieben auch im späteren Verlauf des Abends noch trocken. Trotz des stürmischen Herbstwetters harrten viele Besucher unter den aufgestellten Gaslampen und gewonnenen Regenschirmen aus, um die Präsentationen mitzuverfolgen. Vor allem für die zahlreichen Kinder bildete die grosse Chemieshow den Höhepunkt der Veranstaltung. Es wurden Experimente gezeigt, welche den populären Vorstellungen der Chemie entsprechen: Viel Feuer, Farbe, Schall und Rauch.
Fortsetzung 2008?
Trotz des ungemütlichen Wetters stiess die Nacht der Forschung beim Publikum auf Anklang. Über 5000 Besucherinnen und Besucher nutzten die Gelegenheit, um sich moderne Forschung einzuverleiben. An den rund 30 Ständen waren die Wissenschaftler bemüht, ihre Projekte möglichst populär zu erklären und auch den jungen Besuchern nahe zu bringen. Die Komplexität wurde zu Gunsten der Anschaulichkeit reduziert. Wer tiefer gehend über den aktuellen Forschungsstand informiert werden wollte, fand dazu jedoch in den anschliessenden Loungegesprächen mit den Forschenden Gelegenheit. Für die Veranstalter, darunter die Corporate Communications, war der Anlass geglückt, so dass dieser voraussichtlich im nächsten Jahr wiederholt wird.
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