Veröffentlicht: 20.07.12
Science

Wer innovativ bleiben will, sollte kooperieren

Schweizer Firmen sind zwar sehr offen für externes Wissen, doch es gibt noch Potential. Vor allem wenn es darum geht, formell mit Partnern zu kooperieren. Denn - richtig dosiert - fördert der «Blick über den Tellerrand» Innovationsgeist und Markterfolg, wie eine Studie von ETH-Forschern zeigt.

Christine Heidemann
Die strategische Partnerschaft zwischen ETH Zürich und IBM im Rahmen des Binnig and Rohrer Nanotechnologiezentrums in Rüschlikon gilt als Beispiel von «offener Innovation». (Bild: Michael Lowry/ETH Zürich)
Die strategische Partnerschaft zwischen ETH Zürich und IBM im Rahmen des Binnig and Rohrer Nanotechnologiezentrums in Rüschlikon gilt als Beispiel von «offener Innovation». (Bild: Michael Lowry/ETH Zürich) (Grossbild)

Warum das Rad neu erfinden und sich mühsam selbst Know-how aneignen, wenn bereits genügend externes Wissen existiert? Immer mehr Firmen öffnen sich diesem Gedanken, wagen den Schritt vor die Unternehmenstore, kooperieren mit anderen Firmen, Forschungseinrichtungen oder sonstigen Partnern – und sparen dadurch Entwicklungskosten.

Auch neue Produkte können so schneller auf den Markt gebracht werden. Wer innovativ bleiben will, so das Credo der Innovationsforscher, der muss bereit sein, aus dem eigenen Kokon zu kriechen. «Offene Innovation» ist ein Begriff für dieses Phänomen. So nutzt zum Beispiel der deutsche Autobauer BMW lizensierte Technologie von anderen Firmen, Ideen von pensionierten Ingenieuren und arbeitet eng mit wichtigen Kunden zusammen.

Offen für informelle Zusammenarbeitsformen

Doch wie offen sind Schweizer Firmen? In welchen Bereichen gibt es den grössten Nachholbedarf? Georg von Krogh, ETH-Professor für Strategisches Management und Innovation, sein Kollege Sebastian Spaeth und die Doktorandin Helena Garriga sind diesen Fragen in einer neuen Studie nachgegangen. Dazu werteten sie eine Umfrage der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich mit mehr als 5000 Schweizer Firmen aus, die diese im Rahmen einer europäischen Innovationsumfrage durchführte.

Die Ergebnisse ihrer Studie verglichen von Krogh, Spaeth und Garriga sodann mit anderen Analysen, etwa aus Grossbritannien. Das Ergebnis: 23 Prozent der Schweizer Firmen arbeiten mit Kunden, Zulieferern, Universitäten oder Unternehmen formell zusammen, um an Wissen zu gelangen oder gemeinsam Wissen zu kreieren. Das seien deutlich weniger Unternehmen als etwa in Grossbritannien, sagt Georg von Krogh. Beispiele für formelle Zusammenarbeitsformen sind vertraglich vereinbarte Forschungskooperationen, Joint Ventures oder gemeinsame Tochterunternehmen.

Ganz anderes präsentieren sich die Schweizer Unternehmen dagegen punkto informeller Zusammenarbeit und Nutzung von externen Wissensquellen. Dazu gehören etwa auch allgemeinzugängliche Informationen in der Fachpresse oder über Patente und Messen. So bedienen sich 75 Prozent der befragten Schweizer Firmen aus mehr als zehn von insgesamt 13 untersuchten externen Quellen. Sie beziehen fremdes Wissen hauptsächlich von Lieferanten, gefolgt von Firmen, Kunden und Universitäten, berichtet von Krogh. «Das ist ein Indikator dafür, dass Schweizer Firmen sehr offen sind und aktiv nach Ideen und Wissen ausserhalb der Firma suchen.»

Relevanz abwägen

Doch wie in der Medizin gilt auch in der Wirtschaft: Die Dosis macht’s. Viel hilft nicht unbedingt viel, wie Sebastian Spaeth es auf den Punkt bringt: «Zu wenig externe Suche und man verpasst Chancen. Zu viel und man verzettelt sich.» Daher raten die ETH-Innovationsexperten Schweizer Managern dazu abzuwägen, wie breit man suchen und wie tief man externe Wissensquellen anzapfen sollte. So könnten die Quellen zwar helfen wertvolle Zeit zu sparen, doch andererseits koste die Suche und Integration wiederum genau diese. «Ignoriert man existierende Fähigkeiten innerhalb der eigenen Unternehmung, verschwendet man Ressourcen und frustriert Angestellte», so Spaeth.

Auch gelte es sorgsam abzuwägen, in welchen Bereichen externes Wissen von Nutzen sein kann und wo die eigenen Kernkompetenzen liegen, die nicht ausgelagert werden sollen. Wo etwa macht es Sinn nach lizensierbaren Technologien zu schauen? Wo muss man der aktuellen Forschung oder Patenten folgen? Aber auch: In welchen Bereichen kann das Unternehmen anderen Firmen oder Institutionen Wissen zur Verfügung stellen?

Schliesslich müssten Firmen auch aktiv neue Wissensquellen auftun und sich dann auf jene konzentrieren, die am besten zum Unternehmen passen. Hierbei, sagt Georg von Krogh, sollten Manager berücksichtigen, «dass zum Beispiel Lieferanten eher kurzfristig denken und planen, Universitäten dagegen langfristig».

Je weniger Hürden, desto innovativer

In der vom Schweizer Nationalfonds finanzierten Studie haben die ETH-Wissenschaftler zudem die Einflüsse auf die Suchstrategie von Firmen untersucht. Konnten Unternehmen etwa nicht ungestört forschen und Produkte entwickeln, weil Finanzmittel fehlten, der Staat die Forschung zu stark reglementierte oder ihnen der Zugang zu ausländischen Märkten erschwert wurde, suchten sie weitläufiger und «flacher» nach externem Wissen. Insgesamt waren Firmen umso innovativer, je geringer die Hürden.

Die Forscher betonen, dass die Resultate der Studie nicht dazu führen sollen, dass Unternehmer künftig den Aufbau von Fähigkeiten im eigenen Unternehmen vernachlässigen und nur noch nach aussen schauen. «Wir wollen mit unseren Ergebnissen zeigen, dass es sich lohnt, offen zu sein, wenn man innovativ bleiben möchte», resümiert Georg von Krogh. Positive Beispiele dafür gebe es genug. Auch an der ETH. So sei die öffentlich-private Partnerschaft zwischen IBM und der Hochschule im Rahmen des «Binnig and Rohrer Nanotechnologiezentrums» in Rüschlikon ein Paradebeispiel für «offene Innovation».

 
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