Gaskraftwerke als Brückentechnologie: Fachaustausch

Im Sinne des Fachaustausches möchte ich mit folgenden Feststellungen und Fragen der Replik von Prof. Boulouchos entgegnen:

Zu 1) Wenn Sie mit 50% Wahrscheinlichkeit zufrieden sind, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als dies zu akzeptieren aber darauf hinzuweisen, dass das für den Rest der Welt ein fatales Szenario darstellen dürfte, das Sie sich da zurechtlegen (siehe auch Referat James Hansen vom 30.3.2012 an der ETH). In keinem anderen Lebensbereich würde uns 50-prozentige Sicherheit genügen. Ihre Argumentation ist für mich darüber hinaus nicht schlüssig. Weil es global (zugegeben) schwierig ist, die Erwärmung unter 2 Grad zu halten, muss sich auch die kleine Schweiz nicht wirklich darum kümmern? Das ist ein komplett falscher Ansatz: Gerade dann müssen die Länder mit den grössten Kapazitäten (Geld, Wissen, Politik, Stabilität) vorangehen.

Zu 2) Akzeptiert man trotz allem das Budget von 1440 Gt CO2 von 2000 bis 2050, also 1000 Gt CO2 von 2013 bis 2050 und verteilt man wiederum dieses Budget nach gleichen pro-Kopf-Emissionen, so bleiben 1000 Mio.t CO2 für die Schweiz. Zieht man dann wiederum 300 Mio.t ab wegen dem Luftverkehr mit der Annahme dass dessen Emissionen auf dem heutigen Niveau stabilisiert werden kann und dass die indirekten Effekte (NOx-bedingte Ozon-Bildung, verschiedene Wasserdampf-verursachte Erwärmungen) etwa gleich viel beitragen wie die CO2-Emission selbst, so bleiben 700 Mio.t CO2 bis 2050 für alle restlichen Sektoren..

Zu 3) Gemäss aktueller Emissionsstatistik betrugen die CO2-Emissionen ohne int. Luftfahrt im Jahre 2010 45.95 Mio.t. (das sind 6 Mio.t mehr als in der ETH-Energiestrategie ausgewiesen, weshalb?). Somit haben im verbleibenden Emissionsbudget von 700 Mio.t rund 15 solche Jahresemissionstranchen Platz. Reduziert die Schweiz ihre Emissionen linear, so heisst das mit diesem höheren Budget, dass wir bis 2043 bei Null-CO2-Emission für die Schweiz für alle Bereiche ausser Luftfahrt angelangt sind. Das ist dich SEHR verschieden von Ihrem Szenario und erlaubt es wohl kaum, über neue CO2-Emittenten nachzudenken. Zusätzliche 50 Mio.t bedeuten, dass alle Sektoren noch 2 Jahre früher auf Null Emission sein müssen.

Zu 4) Nun, ich habe mich die letzten 10 Jahre beim WWF primär für die Dekarbonisierung sämtlicher Energieanwendungen eingesetzt. Die Forderung nach einem Verbot für neue Ölheizungen hatte es im Energie-Trialog-Schweiz fast ins Schlussdokument geschafft, wurde dann auch im Kt. Aargau im Entwurf des Energiegesetzes vorgeschlagen und dort durch die konservative Ratsmehrheit wieder gestrichen. Sie liegen also völlig falsch, wenn Sie davon ausgehen, dass wir nicht den gesamten CO2-Ausstosss reduzieren wollen. Hierzu kann ich es mir nicht verkneifen zu sagen, dass ich in ihrer Schrift zur Energiezukunft Schweiz über die Passage gestolpert bin, dass das gesetzlich vorgeschriebene Reduktionsziel von -20% THG von 1990 bis 2020 nicht erreichbar sei. Das scheint mir angesichts der heute vorhandenen Alternativtechnologien schon eine äusserst pessimistische resp. unwissenschaftliche Aussage zu sein, welche dazu beiträgt, dass die Energiezukunft der ETH bzgl. Treibhauseffekt mit den aktuellen Erkenntnissen nicht Schritt hält und eher in Richtung unverantwortbar tendiert.

Patrick Hofstetter - 06.05.12

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