Gaskraftwerke als Brückentechnologie: Replik

Herr Hofstetter schrieb einige kritische Kommentare zu meinem Interview in ETH-Life von 18.04.12. Gerne nehme ich dazu Stellung:

1. Mir wäre eine 75%-Wahrscheinlichkeit auch lieber, sodass wir das 2-Grad-Ziel erreichen. Allerdings läuft uns die Sache davon, und zwar im globalen Massstab. Das heisst, dass die weltweiten pro-Kopf 2011-er-CO2-Emissionen schon jetzt dort sind, wo sie im Jahr 2020 – auf ihrem erhofften Peak! – sein sollten. Mir würde also die 50%-Wahrscheinlichkeit reichen. Andernfalls kämpfen wir gegen Windmühlen. Und selbst dieses Ziel ist anspruchsvoll genug, denn nach Meinshausen et. al. (Nature 458, 2009) wäre das kumulative CO2-Budget dafür von 2010 bis 2050 1440 Gigatonnen (Gt) CO2, d.h. von 2013 bis 2050 dürfen wir etwa 1000 Gt CO2 emittieren, wobei der jährliche Ausstoss im Jahr 2050 etwa 14 Gt CO2 betragen dürfte. All dies finden Sie in unserer Studie «Energiezukunft Schweiz», Tab. 1, S. 11. Aus Abb. 1, S.12, finden Sie dort auch die Voraussagen für den Pro-Kopf-Ausstoss der Schweiz und der Welt in der gleichen Periode. Sie summieren sich zwischen 2010 und 2050 auf den gleichen Wert.

2. Mit dieser ehrgeizigen Entwicklung wären die globalen Klimaziele erreichbar und die Schweiz hätte einen einigermassen fairen Anteil dran. Allerdings sind die Emissionen der internationalen Luftfahrt hier nicht eingeschlossen (etwa 0,5 Tonnen pro Kopf für die Schweiz und 0,15t / Kopf weltweit im Jahr 2010). In der Tat müssten wir froh sein, wenn der Schweizer Wert in etwa konstant bleiben und auch für die Welt als Durchschnitt im Jahr 2050 erreicht werden könnte (inkl. Biotreibstoffe primär für den Langstrecken-Verkehr).

3. In diesem Kontext wären in der Schweiz einige (z.B. 6) Terawattstunden/Jahr Strom aus Erdgas über eine Übergangszeit von etwa 25 Jahren mit Carbon Capture and Storage (CCS) vernachlässigbar, oder - wenn das nicht klappt (für die Welt als Ganzes dann fatal) - eben ohne CCS überschaubar (2 x 25 = 50 Mio. t entspricht 5% des kumulativen Budgets für die Schweiz). Wir bewegen uns also innerhalb der Unsicherheitsgrenzen solcher Prognosen.

4. Schliesslich muss man ja das Gesamtsystem anschauen: Gas zu Strom für Wärmepumpen ist zweimal besser als Gasbrenner (gleicher Vorteil für Wärmekraftkopplungs-Anlagen), aber bis jetzt ist mir keine grossartige Kampagne der Umweltverbände gegen fossile Brenner für Niedertemperaturwärme eingefallen, dies zumindest im Vergleich zur Totalopposition beim Strom.

Konstantinos Boulouchos - 02.05.12

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