Veröffentlicht: 05.04.12
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Steuern Quantenprozesse das Bewusstsein?

Der britische Physiker und Mathematiker Sir Roger Penrose ist der Ansicht, dass das menschliche Bewusstsein auf quantenphysikalischen Grundlagen beruht. Er hielt die diesjährige Richard R. Ernst-Vorlesung und diskutierte mit ETH-Professoren über die Grenzen von Computerberechnungen.

Fabio Bergamin
Prof. Sir Richard Penrose hält die Richard R. Ernst-Vorlesung 2012. (Bild: Heidi Hostettler / ETH Zürich)
Prof. Sir Richard Penrose hält die Richard R. Ernst-Vorlesung 2012. (Bild: Heidi Hostettler / ETH Zürich) (Grossbild)

Lässt sich das Bewusstsein naturwissenschaftlich erklären? Und wenn ja: Reichen dazu die Biologie und die klassische Physik aus? Muss man allenfalls die Quantenphysik zu Hilfe nehmen oder muss man diese sogar um weitere Theorien erweitern, wie es die Ansicht des britischen Mathematikers und Physikers Sir Roger Penrose ist? Am Mittwoch war der emeritierte Professor der Universität Oxford Gast an der ETH Zürich, wo ihm die die Richard R. Ernst-Medaille überreicht wurde und er die Richard R. Ernst-Vorlesung hielt. Die zahlreichen Zuhörer füllten neben dem Auditorium Maximum noch weitere Hörsäle des Hauptgebäudes, in die der Vortrag übertragen wurde.

Penrose war am Mittwoch sichtlich in seinem Element, hielt eine engagierte und zugleich humorvolle Vorlesung, wechselte virtuos hin und her zwischen zwei Overheadprojektoren und zwischen den damit projizierten handgeschriebenen Folien, die gespickt waren mit mathematischen Formeln und mit oft originellen oder gar ulkigen Illustrationen. Er sprach von Quantenphysik, von mathematischer Logik, und darüber, warum die klassischen Naturwissenschaften seiner Meinung nach an Grenzen stossen, wenn es darum geht, unser Bewusstsein, unser Verständnis und unsere Intelligenz zu begründen.

«Computer-Intelligenz gibt es nicht»

«Weder ein Computer noch ein von einem solchen kontrollierter Roboter ist zu echtem Verständnis fähig», war eine von Penroses Hauptaussagen. Auch einem Schach-Computer fehle jede Form von Verständnis, er vermöge bloss Schach zu spielen, weil er sehr viele mögliche Spielzüge durchrechne.

Weil Bewusstsein, Verständnis und Intelligenz zusammenhingen, könne man zudem weder Intelligenz noch Bewusstsein mit einem Computer simulieren, sagte Penrose. Anders als Computer funktionierten wir Menschen nicht nach bestimmten Regeln, sondern wir würden von unserem Verständnis geleitet. «Regeln helfen uns höchstens, besser zu verstehen», so Penrose. Er denke, dass unser Bewusstsein von physikalischen Prozessen abhänge, die über reine Computerberechnungen hinausgingen. Deshalb habe er schon vor über 20 Jahren in seinem Buch «The Emperor’s New Mind» vorgeschlagen, dass es eine neue Physik brauche, um das zu erklären, was man Geist nennen könnte.

Angeregte Diskussion

Penroses Ansicht ist unter Wissenschaftlern allerdings umstritten. Das zeigte sich auch am Mittwoch während der angeregten und kontrovers geführten Podiumsdiskussion mit ETH-Professoren im Anschluss an den Vortrag. Viele Wissenschaftler sehen gar keine Notwendigkeit, neue physikalische Theorien einzuführen. «Das führt zu nichts und macht die Suche nach dem Verständnis des Gehirns nur komplizierter», sagte Richard R. Ernst, emeritierter ETH-Professor und Namensgeber der Vorlesung, stellvertretend für diese Kritiker.

Unklar bleibt auch, wie die von Penrose vorgeschlagenen Quantenverschränkungen im Gehirn zustande kommen. Penrose und weitere Wissenschaftler haben vorgeschlagen, dass dabei Mikrotubuli, stützende Strukturen im Innern von Zellen, eine Rolle spielen, und dass Mikrotubuli von Nervenzellen über das ganze Gehirn miteinander quantenverschränkt sind. Der emeritierte ETH-Professor Klaus Hepp wies darauf hin, dass dies von Neuroanatomen kritisch aufgenommen werde. Penrose sagte dazu, die vorgeschlagenen Quantenprozesse müssten nicht zwingenderweise durch die Mikrotubuli vermittelt werden, auch Verschränkungen anderer Strukturen seien denkbar. Allerdings habe man derzeit noch keine alternative Hypothese.

Das Gehirn als Computer oder die Welt als Computer seien ohnehin nichts anderes als Methaphern, sagte Michael Hampe, Professor für Philosophie an der ETH Zürich. Man solle ihnen nicht zu viel Gewicht beimessen. Penrose stimmte dem zu, allerdings mit einer Einschränkung: «Wenn Leute sagen, das Gehirn funktioniere wie ein Computer und damit meinen, die Gehirnleistungen seien mit einem Computer berechenbar, dann bin ich anderer Meinung.»

Richard R. Ernst-Vorlesung

Die Richard R. Ernst-Vorlesung wird jährlich zu Ehren des Chemie-Nobelpreisträgers von 1991 gehalten und vom Laboratorium für Physikalisch Chemie der ETH Zürich organisiert. Die Vorlesung soll den Austausch zwischen Forschung und Öffentlichkeit fördern und das Bewusstsein für die wesentlichen Fragen der Zukunft schärfen. Die Richard R. Ernst-Medaille wird an herausragende Persönlichkeiten verliehen, die sich um Gesellschaft und Wissenschaft verdient gemacht haben.

 
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