Veröffentlicht: 05.05.11
Campus

ETH-Studierende bauen «Turm zu Babel»

In einem globalen Wettbewerb bauen Studierende mit lokalen Materialien ein Objekt für ihren Campus. Auch ein Team der ETH Zürich macht mit. Es will mit Abfällen der Hochschule eine Geschichte über Werterhaltung erzählen. Die Idee steht, nun geht es an die Umsetzung.

Samuel Schlaefli
Inspiration für den eigenen «Tower of Babylon»: ETH-Studententeam zu Besuch bei Werner Oechslin, emeritierter Professor für Kunstgeschichte. (Bild: Aurel Martin)
Inspiration für den eigenen «Tower of Babylon»: ETH-Studententeam zu Besuch bei Werner Oechslin, emeritierter Professor für Kunstgeschichte. (Bild: Aurel Martin) (Grossbild)

Nur wenige Architekten haben bereits im Studium Gelegenheit, ihre Kreativität mit Teams aus der ganzen Welt zu messen. Meist sind es ausschliesslich renommierte Büros, die ihre Ideen in globalen Wettbewerben rund um den Erdball schicken. Anders beim Wettbewerb «Tower of Babylon», der von der «Global Alliance of Technological Universities» (siehe Kasten) ausgeschrieben wurde: Diesen Sommer treten darin fünf Teams von Architektur-Hochschulen aus Singapur, China, den USA, Indien und der Schweiz nicht nur mit Entwürfen, sondern mit eigenen Bauwerken gegeneinander an.

Interdisziplinäre Studententeams sollen innerhalb eines Semesters ein Objekt aus lokalen Materialien planen und bauen, welches Nachhaltigkeit in einem globalen Kontext thematisiert und zugleich ein Symbol für das Land, die Region und den lokalen Hochschulcampus ist. Jedem Team stehen dafür maximal vier Monate Zeit und insgesamt 1000 US Dollar zur Verfügung. Eine international zusammengesetzte Jury aus Künstlern, Architekten und Naturwissenschaftlern wird im Juni das überzeugendste Bauwerk bezüglich Kreativität, Qualität, Bezug zum Thema «limits – large problems of our society» und Präsentation auswählen. Dieses kann danach entweder als dauerhafter Beitrag zum Campus stehen bleiben oder muss innerhalb der Aufbauwoche gleich wieder abgebaut werden.

ETH-Team zur Philosophiefindung in Einsiedeln

An der ETH hat die Assistenzprofessur für Tragkonstruktionen den Wettbewerb als Wahlfach für die Studierenden ausgeschrieben. Zwölf Bewerber wurden ausgewählt. Darunter neun Architekten und Architektinnen, zwei Umweltnaturwissenschaftler und ein Bauingenieur, wobei die Professur besonderen Wert auf eine interdisziplinäre wie auch internationale Teamstruktur legte. Mitte März trafen sich die zwölf Studierenden erstmals für ein Brainstorming. Damit begann die erste Phase des Wettbewerbs: die Suche nach einer Projektphilosophie.

Zur Inspiration lud Werner Oechslin das Team zu einem Besuch in seine Bibliothek in Einsiedeln ein. Der emeritierte Professor für Kunstgeschichte und Universalgelehrte führte die Studenten in die Geschichte des menschlichen Strebens nach göttlicher Vollkommenheit ein. Oechslin bezog sich auf den Titel «Tower of Babylon» als ein Symbol der überzogenen menschlichen Ambitionen und als vereinfachte Metapher eines urmenschlichen Drangs.

«Der Vortrag inspirierte uns dazu, erst intensiv über die Geschichte nachzudenken, welche wir mit unserem Projekt erzählen wollen, ohne uns gleich mit dem Design und den Materialien auseinanderzusetzen», erzählt Pascal Hendrickx, Sprecher des Studententeams. Nach weiteren Brainstormings landete das Team bei der Sinusschwingung - «einer Art Kreis mit zeitlicher Dimension und ein Symbol für das Auf und Ab von Erfolg und Misserfolg» erklärt Hendrickx. «Dabei endet sowohl letzteres als auch ersteres nie am Ausgangspunkt.»

Die Philosophie war gefunden. In der zweiten Projektphase, der Entwurfsphase, beschäftigen sich die Teammitglieder nun mit der Frage, wie man diese in ein gebautes Objekt übertragen kann. Sie einigten sich bereits darauf, dass ihr Projekt aus Abfallprodukten der ETH entstehen soll. Dabei wurden sie auf die Türme von Karton und Papier aufmerksam, die am Departement Architektur täglich anfallen. Zum Sammeln des Rohmaterials zählen sie auf die Hilfe ihrer Mitstudenten. «Das gebaute Objekt soll auf dem Beitrag einer Gemeinschaft basieren», hält Hendrickx fest.

Zurzeit tüfteln die Studenten am Design ihres «Tower of Babylon» (wobei der Wettbewerb nicht explizit einen Turm vorschreibt) und suchen nach einem geeigneten Bauplatz dafür. In wöchentlichen Meetings werden die Vorschläge besprochen und erste Entwürfe beurteilt. Geeinigt hat man sich bereits darauf, dass das Objekt beim Abbau in kleinere Einheiten zerlegt werden soll. Einheiten, die ihre Funktion und damit den Wert über längere Zeit behalten. «Hier kommt wieder die Sinuskurve ins Spiel: Wir bauen etwas Grosses auf – das ist der Peak. Dann folgt das Tal: Wir bauen ab und gelangen trotzdem nicht an den ursprünglichen Ausgangspunkt, das Abfallprodukt.»

Der Reiz des Konkreten

Die Motivation, beim aufwändigen Projekt mitzumachen, geht für Hendrickx weder von den beiden Kreditpunkten für das besuchte Wahlfach noch vom Preis aus, der vor allem aus Publizität für das Siegerteam besteht. Der Reiz, etwas effektiv zu bauen, «Hammer und Nägel in die Hand zu nehmen» und für einmal nicht nur Pläne und Renderings zu erstellen, hat ihn zum Mitmachen animiert. Zudem sei die Zusammenarbeit in einem zwölfköpfigen internationalen Team eine Herausforderung und Erfahrung, von der er später in der Praxis einmal profitieren könne. Trotz unterschiedlicher kultureller, historischer und fachlicher Hintergründe kam es im Team bislang noch zu keiner babylonischen Sprachverwirrung, versichert Hendrickx. Die Zusammenarbeit sei für alle eine Bereicherung und man sei guter Dinge, dass ihr «Turm» wie im Wettbewerb vorgesehen in der zweiten Juniwoche auf dem ETH-Campus stehen wird.

IIA initiiert «Tower of Babylon»

Der Wettbewerb wurde von den International Institutional Affairs (IIA) der ETH Zürich initiiert und wird von IIA koordiniert. Er findet innerhalb der «Global Alliance of Technological Universities» statt, einem Verbund von sieben international führenden technischen Hochschulen, zu dem auch die ETH Zürich gehört.

 
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