Veröffentlicht: 12.10.09
Buchbesprechung

Was Burnout und Klimadebatte gemeinsam haben

«Energie» heisst das Buch, das zeigt, warum in China Energiesparen zweitrangig ist und der dortige Bauboom düstere Aussichten für den weltweiten Materialbedarf liefert. An anderer Stelle wird erklärt, wie der «Nanomotor» der Zelle funktioniert. Die vielseitige Lektüre ist das Ergebnis einer Ringvorlesung der ETH und Uni Zürich.

Simone Ulmer

Energiekonsum prägt unseren Alltag: Der Bedarf an Energie steigt weltweit an und belastet zunehmend die Umwelt. Die Klimadebatte ist somit eng an den Energiebedarf gekoppelt. Die öffentliche Ringvorlesung, die von der ETH und Uni Zürich im Herbstsemester 2008 veranstaltet wurde, befasste sich während 14 Vorlesungen mit dem Thema Energie aus naturwissenschaftlicher, ökonomischer, psychologischer und historischer Sicht. Die Beiträge sind nun als Buch erhältlich und geben einen interdisziplinären und weitreichenden Überblick zum Thema: Die herausgebenden ETH-Professoren Philipp Rudolf von Rohr, Peter Walde und Bertram Batlogg, bezeichnen die Veranstaltung als «Streifzug durch die aktuelle Einschätzung der Energiesituation auf verschiedenen Ebenen».

Effizienz als Dreh- und Angelpunkt

Aus den Artikeln sticht hervor, dass die Energieeffizienz der zentrale Dreh- und Angelpunkt beim Energiesparen ist, wenn es um den Energiefluss oder -verlust als solches, um den steigenden Energieverbrauch in China und Indien, oder um Transportmittel oder Bauwerke geht. Diskutiert wird aber auch, warum viele potentielle Massnahmen zur Effizienzsteigerung des Energieverbrauchs in Firmen oder Privathaushalten nicht realisiert werden. Dahinter stehen nicht nur ökonomische Gründe, sondern beispielsweise auch psychosoziale.

Energiesparen so attraktiv wie Segeln

Genaueres hierzu beschreibt Klaus Wortmann von der Innovationsstiftung Schleswig-Holstein in Kiel, der sich bereits in den 80er Jahren als angehender Diplompsychologe mit Energiesparen befasste. Seiner Ansicht nach sollten Energieeffizienzstrategien identifiziert und Zukunftsvisionen für den Verbraucher attraktiv gemacht werden. Ein Leben in der 2000-Watt-Gesellschaft sollte so attraktiv wie segeln sein, wünscht sich Wortmann und schreibt zudem: «So wie die Windkraft durch Segeln genutzt wird, müssten zukünftige energieeffiziente Techniken aussehen».

Die Beiträge zeigen unter anderem mittel- bis langfristige Ansätze auf, wie Energieprobleme unter Berücksichtigung des Klimawandels zu lösen sind. Dabei sind sie reich an Informationen und Zahlen sowie mit schwarz-weiss-Abbil­dun­gen und Diagrammen bebildert. Letztere, die in den Originalen mehrfarbig waren, sind meist nur schwer zu lesen. Während einige Artikel sehr wissenschaftlich und trocken gehalten sind, lesen sich andere spannend wie Krimis. Seien es die Spekulationen um «Peak Oil», wann der Höhepunkt der weltweiten Erdölförderung - im Spannungsfeld von Krieg um Öl und Frieden - erreicht ist, oder der Artikel über den Energiebedarf von China und wie sich dieser global auswirkt.

«Auftrag des Himmels»

Dazu schreibt Bruno Keller von der Keller Technologies AG Zürich: «Dynastien wurden immer dann ersetzt, wenn sie den Auftrag des Himmels nicht mehr erfüllten: Sicherstellung von Stabilität, Gesundheit und Versorgung». Wie gut die chinesische Regierung ihren «Auftrag des Himmels» wahrnimmt und als Land der grössten Stahl- und Zementverbraucher und als zweitgrösster Ölimporteur der Welt seine Pfründe sichert und erweitert, zeigt Keller eindrücklich. Er erzählt, dass Energiesparen in China derzeit keine Rolle spielt und Komfort wichtiger ist. Denn chinesische Käufer hätten die Wahl zwischen Wohnraum mit geringem Komfort und moderatem Energieverbrauch, oder solchen mit besserem, der vollklimatisiert ist, aber deshalb viel Energie verbraucht. Die Neubauten seien aber zudem von derart schlechter Bausubstanz, dass sie in 10 bis 20 Jahren ersetzt werden müssten – dies bedeute wiederum düstere Aussichten für den weltweiten Materialbedarf.

Aber auch «Die Zelle als Kraftwerk» liefert einen etwas anderen, aber spannenden, Einblick in die Zellphysiologie. Nikolaus Amrhein, emeritierter Professor an der ETH Zürich, erzählt auf eine Art und Weise über den «Nanomotor», der die Energie für die Lebensprozesse liefert, dass dieses hochkomplexe Thema sich wie ein Roman lesen lässt.

Während Reto Knutti, Professor und Klimawissenschaftler an der ETH Zürich, das Klimaproblem als Folge des steigenden Energiebedarfs und der dadurch erhöhten Kohlendioxidemissionen erläutert, knüpft Beate Schulze von der Uni Zürich, Spezialistin für Burnout, Analogien zwischen Klimadebatte und Burnout. Burnout sei eine nicht beabsichtigte Nebenfolge unseres beruflichen Engagements, da wir Leistung, Erfolg und Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz wollen, aber nicht Erschöpfung. Genauso sein energiebezogenes Verhalten ein klassisches «Nebenproblem»: Es besteht der Wunsch nach Energiedienstleistungen, aber nicht nach Energieverbrauch.

ETH Life verlost zwei Exemplare

Das Buch ist erhältlich in der Polybuchhandlung. Bis zum 23. Oktober 2009 erhalten die ersten 25 Käuferinnen und Käufer Rabatt: ETH-Angestellte und Studierende 20 Prozent und Externe 10 Prozent.Wer an der Verlosung teilnehmen möchte, sendet eine E-Mail mit Name, Adresse mit dem Stichwort «Energie» bis zum 16.Oktober 2009 an folgende Adresse: ethlife@hk.ethz.ch

Philipp Rudolf von Rohr, Peter Walde, Bertram Batlogg (Hrsg.)
Zürcher Hochschulforum Band 45
1. Auflage 2009 224 Seiten,Format 17 x 24 cm,
broschiert zahlreiche Grafiken und Abbildungen
CHF 48.00 / EUR 34.00 (D) ISBN 978-3-7281-3219-2