Veröffentlicht: 03.07.09
IODP-Forschungsschiff Joides Resolution

Im Beringmeer auf Sediment-Fang

Gretta Bartoli ist Postdoc bei Hans Thierstein, emeritierter Professor für Mikropaläontologie am Departement für Erdwissenschaften der ETH Zürich. Am 5. Juli startet sie zu einer zweimonatigen Meeresexpedition mit dem neu renovierten Forschungsschiff Joides Resolution. Die Expedition 323 des Integrated Ocean Drilling Program (IODP) soll mehr Erkenntnisse bringen, warum sich das Gebiet während vor 5 bis 3 Millionen Jahren von einer warmen Region zu einer kalten entwickelte, in der es alle 40‘000 bis 100‘000 Jahre zu grossflächigen Vereisungen kommt. Dies wiederum soll die Rolle des Pazifiks in der globalen Klimaentwicklung klären helfen. Warum Gretta Bartoli trotz permanenter Seekrankheit gerne Schiff fährt, erzählt sie im Interview mit ETH Life.

Simone Ulmer
Gretta Bartoli, Mikropaläontologin an der ETH Zürich (Bild: Simone Ulmer/ETH Zürich)
Gretta Bartoli, Mikropaläontologin an der ETH Zürich (Bild: Simone Ulmer/ETH Zürich) (Grossbild)

Dies ist Ihre dritte Expedition mit einem Forschungsschiff. Solche Ausfahrten sind unter den Wissenschaftlern begehrt. Wie kommt man dazu?

Ich musste mich dafür bewerben und hatte einige gute Empfehlungsschreiben von meinen jeweiligen Betreuern.

Wie viele Wissenschaftler sind insgesamt mit an Bord?

Wir sind 32 Forscher aus sieben Nationen. Acht davon fahren aus Europa mit.

Wie viel Zeit haben Sie bisher auf Forschungsschiffen verbracht?

Insgesamt drei Monate.

Waren Sie nie seekrank?

Doch, permanent, bei ruhigem Meer genauso wie bei Seegang.

Können Sie so überhaupt arbeiten?

Das ist nicht einfach, vor allem wenn man mikroskopieren muss oder am Computer sitzt. Aber in der Zwischenzeit habe ich ein wirksames Mittel gegen Seekrankheit gefunden. Auf meiner letzten Ausfahrt habe ich von einem Techniker der Joides einen guten Tipp bekommen: Ein Armband, dass ständig Druck auf den Pulsbereich ausübt. Es ist wie eine Art Akupunktur und hilft sehr gut.

Wie wird Ihr Schiffsalltag aussehen?

Wir haben einen Zwölf-Stunden Tag, der entweder von Mittag bis Mitternacht oder von Mitternacht bis Mittag geht. Die Arbeit auf dem Schiff und die Bohrungen laufen nach Möglichkeit rund um die Uhr. Während der Schicht haben wir alle zwei Stunden eine kurze Kaffee- oder Essenspause. In unserer Freizeit können wir Sport machen oder Ping-Pong spielen.

Welches Ziel hat die Forschungsfahrt in das Beringmeer?

Durch die dort aus Bohrungen gewonnenen Sedimente möchten wir die paläoozeanographischen Verhältnisse, also die Strömungsverhältnisse der vergangenen fünf Millionen Jahre, rekonstruieren.

Was macht die Region so spannend?

Die Beringstrasse zwischen Arktischem Ozean und Beringmeer hat sich erst vor fünf Millionen Jahren geöffnet und ist sehr flach. Je nach Meeresspiegelstand war sie seither auch ab und zu wieder verschlossen. Mit der Öffnung zum Arktischen Ozean wechselte das Klima in der Nordhemisphäre alle 40‘000 bis 100‘000 Jahre von warm mit nur wenig Eisbedeckung zu kalt mit grossflächiger Vereisung der Nordhemisphäre. Warum das so ist, ist unklar. Diese Sedimente sollen nun mehr Erkenntnisse bringen.

Was ist Ihre Aufgabe bei der Expedition?

Ich beschreibe die Sedimentkerne, die bei den Bohrungen an Deck geholt werden. Dabei muss ich beispielsweise die sedimentologische Zusammensetzung oder die Schichtung der Sedimente makroskopisch beschreiben und dokumentieren. Ausserdem mache ich Fotos von den Bohrkernen. Die Sedimentkerne, die wir erbohren, werden die bisher nördlichsten aus dem Beringmeer sein.

Wie tief wird auf der Expedition gebohrt werden?

Geplant sind rund zehn Bohrungen in Wassertiefen zwischen 837 und 3435 Metern. In die Sedimente wird nach Möglichkeit zum Teil bis zu 700 Meter tief gebohrt. Wie lange das jeweils dauert, hängt von vielen Faktoren, insbesondere von der Sedimentbeschaffenheit ab. Gestoppt wird, wenn die Tiefe erreicht ist, die bewilligt wurde. Häufig muss aber eine Bohrung abgebrochen werden, wenn die Sedimente zu hart werden und unsere Bohrausrüstung beschädigen.

Wie lang sind die Bohrkerne, wenn sie an Deck kommen und was passiert dann mit ihnen?

Es werden immer zehn Meter lange Sedimentkerne am Stück erbohrt, die einen Durchmesser von zehn Zentimeter haben. Wenn der Kern an Deck kommt, wird er von den Technikern in 1,5 Meter lange Stücke zerteilt. Danach kommen die Kerne erst einmal ins Labor.

Wann beginnt dann Ihre Arbeit?

Nach etwa 3 Stunden im Labor gelagert, haben die Kerne die auf dem Schiff herrschende Temperatur und Druck erreicht. Dann schneiden wir die Kerne der Länge nach in zwei Hälften auf und beginnen mit den ersten Untersuchungen.

Wird sich daraus ein persönliches Forschungsprojekt für Sie ergeben?

Ja, dieses hängt aber von den Sedimenten ab, die wir erbohren werden. Ich hoffe, darin Mikrofossilien zu finden, so genannte Foraminiferen, auf die ich mich dann konzentrieren werde. Von den Kernen, die für meine Arbeit interessant sind, nehme ich circa zehn Kubikzentimeter Material. Damit ich die Mikrofossilien aus dem Sedimentverband lösen kann, muss ich die Proben im Labor in Zürich chemisch aufbereiten. Die extrahierten Kalkschalen nehme ich dann für Isotopenmessungen, über die ich beispielsweise die Temperatur und somit das Paläoklima rekonstruieren kann.

Was ist für Sie das Besondere an einer solchen Expedition?

Es ist wie wenn du lange weg gehst und eine Art Pause in deinem Leben machst. Du lernst neue Menschen kennen und siehst neue Dinge.

Was ist am schwierigsten während der Zeit auf dem Schiff?

Nach einer Weile fühlt man sich wie in einer Box, aus der man nicht raus kommt. Und ab einem bestimmten Punkt ist es auch etwas langweilig: Man tut immer die selben Dinge und sieht immer die gleichen Menschen.

Meeresbiologin und Geologin

Gretta Bartoli studierte Meeresbiologie an der Caen Universität in der Normandie, Frankreich. Am Institut für Geowissenschaften der Universität Kiel promovierte sie in Geologie. Seit drei Jahren ist sie als Postdoc an der ETH Zürich und gehört der Gruppe von Hans Thierstein, emeritierter Professor für Mikropaläontologie am Departement für Erdwissenschaften der ETH Zürich, an. Sie fährt bereits zum zweiten Mal auf der Joides Resolution mit. Das 1978 zunächst als Bohrschiff in der Ölindustrie genutzte Schiff wurde Anfang der 1980er Jahre zum Forschungsschiff umgebaut und 1985 als solches in Betrieb genommen. Insgesamt kann das 143 Meter lange Schiff 50 Wissenschaftler und 65 Mannschaftsmitglieder an Bord unterbringen. Das Forschungsschiff wurde 2008 über Monate in Singapur renoviert und dabei quasi komplett entkernt und neu gestaltet (Film über die Restaurierungsarbeiten). Seit diesem Frühjahr ist die Joides wieder in Aktion. Gretta Bartoli kennt bisher nur die alte Joides. Sie wird im Anschluss an die Expedition für «ETH Life» über das neue Schiff und ihre darauf gemachten Erfahrungen berichten.