Veröffentlicht: 29.01.09
Alliance for Global Sustainability

Ein gemeinsames Ziel – viele unterschiedliche Pfade

Das diesjährige Treffen der „Alliance for Global Sustainability“ (AGS) findet an der ETH Zürich statt. Am vergangenen Dienstag unterhielten sich Energieexperten aus fünf Hochschulen über unterschiedliche Energiesysteme und deren Beitrag für eine nachhaltige Gesellschaft. Die Redner waren sich einig: CO2 ist das Problem der Stunde, das rasche technologische und politische Massnahmen erfordert.

Samuel Schläfli
Ralph Eichler, ETH-Präsident, Ernest J. Moniz, MIT Energy Initiative und Konstantinos Boulouchos, Leiter des „Energy Science Centers“ der ETH Zürich am AGS-Meeting.
Ralph Eichler, ETH-Präsident, Ernest J. Moniz, MIT Energy Initiative und Konstantinos Boulouchos, Leiter des „Energy Science Centers“ der ETH Zürich am AGS-Meeting. (Grossbild)

Wer diese Tage in die ETH-Haupthalle tritt, merkt bald, dass etwas Aussergewöhnliches vor sich geht: Ein Blätterwald von Posterpräsentationen lädt zum Verweilen ein und Sprachen aller Herren Länder sowie Hautfarben sämtlicher Couleur versprühen eine erfrischende Weltoffenheit. Gleichzeitig verstricken sich Studenten und gestandene Wissenschaftler in angeregte Gespräche zu Forschung und Technologie, die einst zu einem besseren Umgang der Menschheit mit den beschränkten Ressourcen beitragen soll.

Das Jahrestreffen der «Alliance for Global Sustainability» (AGS) findet 2009 unter dem Titel «New Technologies for meeting the Urban Futures Challenge»“ an der ETH Zürich statt (siehe Kasten). Dies in enger Kooperation mit dem «Student Summit for Sustainability» (S3), der zur gleichen Zeit in Zürich sowie in Kreuzlingen abgehalten wird. Im Rahmen des einwöchigen Programms des AGS-Jahrestreffens, fand vergangenen Dienstag ein zweistündiges Podium unter dem Titel: «Pathways to sustainable energy systems: How does energy research offer pathways to transform energy systems for sustainability?» statt. Energieexperten aus fünf der AGS angeschlossenen Hochschulen präsentierten in einer ersten Runde in kurzen Präsentationen Projekte oder Strategien ihrer Hochschulen. Konstantinos Boulouchos, Leiter des «Energy Science Centers» der ETH Zürich, eröffnete die Runde, indem er den Gästen die Ziele der 2008 erschienenen Energiestrategie der ETH Zürich und die darin formulierte Forderung einer Reduktion der CO2-Emissionen auf eine Tonne pro Kopf pro Jahr vorstellte. Wie Boulouchos, stellten auch die folgenden Redner die CO2-Problematik ins Zentrum ihrer Referate.

Kohlendioxid-Reduktion um 70 Prozent möglich

Ernest J. Moniz von der MIT Energy Initiative, stand für eine enge Kooperation zwischen Forschung und Wirtschaft ein. Nur so könnten langfristig nachhaltige Technologien in der Gesellschaft etabliert werden. Schon heute wird eines der grössten Solarenergie-Projekte des MIT von einem italienischen Erdölkonzern gefördert, was laut Moniz verdeutlicht, dass heute auch bei Produzenten von traditionellen Energieträgern ein grosses Interesse an alternativen Technologien besteht. Er geht davon aus, dass Zukunftstechnologien wie die Photovoltaik jedoch nicht kurzfristig grossflächig verfügbar sein werden und sieht deshalb den grössten kurzfristigen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen in Innovationen rund um bestehende Energiesysteme.

Keisuke Hanaki von der University of Tokyo stellte das «Japan Low Carbon Society»-Projekt vor, das mit der Unterstützung des japanischen Umweltministeriums initiiert wurde. Die japanischen Wissenschaftler konnten in ihrer Studie demonstrieren, dass das technologische Potential zur Reduktion von Japans CO2-Emissionen um 70 Prozent (im Vergleich zu 1990) bis ins Jahr 2050 vorhanden ist. Dieses könnte durch tiefgreifende strukturelle Anpassungen und Implementierung von effizienteren Technologien ausgeschöpft werden, ohne dass dabei die sozio-ökonomischen Bedürfnisse der Bevölkerung vernachlässigt würden.

Energienutzung wie einst die Neandertaler

Fillip Johnsson von der Chalmers University of Technology geht davon aus, dass eine rasche Reduktion der CO2-Emissionen nur über eine monetäre Abgabe realisierbar ist. Er sieht jedoch schon heute erste Anzeichen dafür, dass ein Umdenken in der Gesellschaft hin zu nachhaltigem Verhalten stattfindet – was er unter anderem mit Inseraten illustrierte, in welchen Geländewagen mit hohem Benzinverbrauch zu Spottpreisen verkauft werden. Wie Moniz, erkennt auch Johnsson ein hohes Potential in der CO2-Abtrennung am Ort der Entstehung von Schadstoffen.

Daniel Favrat vom Industrial Energy Systems Laboratory der EPF Lausanne (LENI) kritisierte die rückständige Art der heutigen Nutzung von fossilen Brennstoffen. Eine Erdöl-Heizung, wie sie heute noch in vielen Hauhalten betrieben wird, unterscheide sich in der Art der Energienutzung und –umwandlung nicht gross vom Feuer, das die Neandertaler einst wärmte. Anhand von Forschungsprojekten des LENI verdeutlichte Favrat, wie heute durch thermodynamische Innovationen in Form von zentralisierten Kraftwerk-Anlagen ganze Stadtteile wesentlich effizienter mit Energie versorgt werden können.

Aufgefallen bei allen Vorträgen ist die Konzentration auf das Jahr 2050 als Zeithorizont. Boulouchos meinte später, 2050 sei ein Kompromiss: 2100 sei zu langfristig, um Verbindlichkeit herzustellen – selbst wenn tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen oft nur über solche Zeitabschnitte möglich sind. 2020 hingegen sei zu kurzfristig, als dass aufgrund von Reinvestitions-Zyklen und dem trägen Verhalten des Menschen tatsächlich bereits weitreichende Veränderungen möglich wären.

«Lasst uns endlich ernst machen!»

Während der anschliessenden Diskussion, die von Ralph Eichler, dem Präsidenten der ETH Zürich, moderiert wurde, stand die Frage, nach der Art einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Politik im Vordergrund. Die Diskussions-Teilnehmer waren sich einig, dass Wissenschaftler der Politik in erster Linie Lösungswege aufzeigen sollten, Politikern aber keine Transformationspfade diktieren können. Wichtig sei auch, dass sich internationale Netzwerke etablieren, damit das verfügbare Wissen besser öffentlich zugänglich ist – eine Forderung, die auch der Präsident der University of Tokyo, Hiroshi Komiyama, bereits in einem Vortrag kurz vor dem Panel gestellt hatte.

Einem Zuhörer war der skizzierte Pfad in ein neues Energie-Zeitalter zu lang; er fragte, ob der Wissenschaft zur Lösung von enormen globalen Herausforderungen nicht die Aufgabe zukommt, auch revolutionäre Ideen für einen radikalen Wechsel zu propagieren. Eichler nahm mit einer Gegenfrage Stellung: Ob eine CO2-Reduktion um 70 bis 80 Prozent bis ins Jahr 2050, wie sie von Japan oder der EU angestrebt wird, nicht revolutionär genug sei?, wollte er wissen. Die Panel-Teilnehmer machten in diesem Zusammenhang auch darauf aufmerksam, dass ein Infrastrukturwandel in der Energie-Wirtschaft weitreichende Konsequenzen mit sich zieht und deshalb nur langfristig realisierbar ist.

Moniz ist jedoch überzeugt, dass heute bereits viel mehr gegen die CO2-Emissionen unternommen werden könnte, als dies momentan der Fall ist – wobei er vor allem die CO2-Sequestrierung als grosse, bereits verfügbare Chance betrachtet. «Bisher waren wir nicht ernsthaft bei der Sache. Lasst uns endlich ernst machen!», war sein abschliessender Appell an das Publikum.

Nach der Veranstaltung zum Panel befragt, meinte Konstantinos Boulouchos: «Man sieht, dass sich Energieexperten von führenden Hochschulen über das Problem der Stunde, die CO2-Emissionen, einig sind. Jede Hochschule geht diese Problematik jedoch etwas anders an». Ralph Eichler sah den interdisziplinären Weg, den die ETH Zürich mit dem Energy Science Center (ESC) gegangen ist, durch das Panel bestätigt. Er hofft, dass Forschungsergebnisse und Konzepte solcher Institutionen in Zukunft vermehrt in die Öffentlichkeit getragen und breit diskutiert werden.

Alliance for Global Sustainability (AGS)

AGS ist eine internationale, multidisziplinäre Kollaboration von vier Universitäten – der ETH Zürich, dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), der University of Tokyo und der Chalmers University of Technology. Seit 1997 diskutieren die involvierten Hochschulen Wissen und Forschung für eine nachhaltige Zukunft. Diese Anstrengungen münden in möglichen Transformationspfaden zu einer nachhaltigen Gesellschaft und in Vorschlägen zuhanden von politischen Entscheidungsträgern. Das Jahrestreffen der AGS findet vom 26. bis 29. Januar 2009 an der ETH Zürich statt.
Gleichzeitig findet der Student Summit for Sustainability (S3) der World Student Community for Sustainable Development (WSC-SD) statt.