Kreationsmus: Kein Platz in Lehrbuch

In der ganzen Diskussion ist immer wieder eigenartig, wie vehement NaturwissenschaftlerInnen auf die einschlägigen Erzählungen und Mythen reagieren, wo doch beide Seiten von etwas ganz Anderem sprechen. (Zu) Einfach gesagt, fragen beide Seiten nach dem 'Warum der Welt'. IDs & Co geben dann die (intentionale!) Antwort: 'Weil ein XY (meist heisst der Gott o.ä.) das wollte und will.' Diese Antwort gibt eine Begründung. Die Warum-Frage wird als eine Orientierungsfrage, eine Sinnfrage verstanden und eröffnet dem, der sie akzeptiert Welt-Deutungspotenziale.

Anders die Biologie (idealtypisch verstanden als naturwissenschaftliche Disziplin, nicht als weitere Welt-Deutungserzählung): Sie sucht plausible ERKLÄRUNGEN für beobachtete Phänomene, ohne Sinn- oder Orientierungscharakter. Sie will Kausalzusammenhänge nachzeichnen und so Abläufe in unserer Welt verstehen.

Mir ist klar, dass auch diese Erklärungen selbst Teil eines Welt-Deutungsmythos sein können, in dem auf die sinnhaft verstandene 'Warumfrage' dann z.B. geantwortet wird: 'Es gibt keinen Grund, Zufall.' Denn auch Biologie wird von Menschen betrieben und, dass Menschen sich Fragen nach Sinn und Zweck, nach Lebensorientierung und nicht ausschliesslich nach Ursachenerklärungen stellen, ist nicht verwunderlich, selbst wenn sie BiologInnen sind. Ich denke sogar, die ganze Debatte ist zu einem grossen Teil darauf zurückzuführen, dass die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse als sinnstiftende Begründungen missverstanden werden.

Mit den vehementen Reaktionen von Seiten der Naturwissenschaft begibt diese selbst sich aber auf die Ebene der Welt-Deutungserzählungen. Die Biologie müsste sich überhaupt nicht mit kreationistischen Theorien auseinandersetzen, denn die erzählen ja etwas, was die Biologie (weil sie ein andere Frage stellt - oder stellen sollte) gar nicht interessiert. Und deshalb haben derlei Geschichten auch keinen Platz in einem Lehrbuch für Biologie. Diesen Platz erhalten sie aber, wenn namhafte Biologien sie durch die ständige Auseinandersetzung damit in den Status eines Gegenstandes der Biologie erheben.

Michael Braunschweig - 06.09.08

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