Veröffentlicht: 04.07.08
ETH-Kooperation mit Bhutan

Know-how für ein Königreich

Die Schweizer Entwicklungshilfe ist im Gespräch. Laut Aussenministerin Micheline Calmy-Rey soll die DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) reorganisiert werden. Was nachhaltige Entwicklungshilfe bewirken kann, zeigt das Beispiel Bhutan. Die ETH Zürich unterstützt das Land seit Jahren nachhaltig mit Fachwissen.

Katrin la Roi
Martin Menzi, Professor em. für Tierproduktion und Probleme der Entwicklungsländer, mit Gemahlin bei der Audienz mit König Jigme Khesar Namgyal Wangchuk.
Martin Menzi, Professor em. für Tierproduktion und Probleme der Entwicklungsländer, mit Gemahlin bei der Audienz mit König Jigme Khesar Namgyal Wangchuk. (Grossbild)

Das Land am Himalaya hat ungefähr die Grösse der Schweiz, aber nur etwa 700'000 Einwohner. Bhutan war von 1983 bis 2006 ein Schwerpunktland für die DEZA. Sie unterhielt in dieser Zeit auch gemeinsame Programme mit Helvetas (der Schweizer Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit). Die Zusammenarbeit Schweiz-Bhutan konzentrierte sich von Anfang an auf Land- und Forstwirtschaft, ländliche Infrastrukturen sowie Erziehung und Ausbildung. Zwischen den beiden Ländern findet auch ein regelmässiger Dialog über das politische System der Schweiz statt. Die Themen dabei sind Föderalismus, Dezentralisierung der Kompetenzen, Demokratie, Rechte und Vertretung der verschiedenen Minderheiten. Vor ein paar Jahren hat der aufgeklärte König seinem Volk die Demokratisierung verordnet. Nach dessen freiwilliger Demission führte sein Sohn, König Jigme Khesar Namgyal Wangchuk mit dem Übergang von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie jetzt diese Demokratisierung ein. Das Volk, das seine Traditionen strikt verteidigt, hat im März zum ersten Mal demokratisch gewählt.

Erfolgreiches ETH-Engagement

Die ETH ist bereits seit Jahrzehnten in Bhutan tätig und unterstützt das Land nachhaltig bei der Ausbildung. Martin Menzi, emeritierter Professor für Tierproduktion und für Probleme der Entwicklungsländer, war ab 1973 im Auftrag der DEZA und Helvetas oft in Bhutan. Zu diesem Zeitpunkt begann das Land sich zu öffnen, nachdem es während Jahrhunderten von der Umwelt abgeschlossen war. Menzi beriet die Regierung vorwiegend in Viehzucht, Milchwirtschaft und ländlicher Entwicklung. Ab 1988 lag sein Hauptfokus in Bhutan – inzwischen war er Leiter des Nachdiplomstudiums für Entwicklungsländer der ETH (NADEL) – auf der Ausbildung. So unterstützte er zum Beispiel den Aufbau des landwirtschaftlichen Technikums, der heutigen Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität in der Hauptstadt Thimpu. Bereits 1992 schlug Menzi vor, die Ausbildung zwischen Bhutan und der ETH zu intensivieren und dass Studierende aus Bhuatan an der ETH ihre Doktorarbeit absolvieren sollten. Bis jetzt haben sieben Bhutanische Agronomen und Ingenieure an der ETH ihre Dissertation erfolgreich absolviert. Davon arbeiten inzwischen zwei bei internationalen Organisationen, die anderen fünf nutzen das erworbene Wissen in ihrem Heimatland. Eine Erfolgsgeschichte schweizerischer Entwicklungshilfe.

Neue Perspektiven für die Landwirtschaft

Der zweite Bhutanische ETH-Doktor, Pema Gyamtsho, doktorierte 1996 beim Pflanzenwissenschafter Josef Nösberger mit der Dissertation „Assessment of the Condition and Potential for Improvement of High Altitude Rangelands of Bhutan“. Seit April dieses Jahres ist Gyamtsho Bhutans Landwirtschaftsminister und gestaltet im ersten demokratisch gewählten Kabinett die zukünftige Landwirtschaft seines Landes.

„Unsere Landwirtschaft wird geprägt von schlecht zugänglichem steilem Gelände, akutem Mangel an Arbeitskräften und gemischter Subsistenz-Landwirtschaft,“ erklärt Gyamtsho. Er möchte nun die Bauern zu Genossenschaften zusammenführen, um mit grösserem Produktionsvolumen die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Damit kann Bhutan nicht nur seinen Eigenbedarf decken, sondern darüber hinaus landwirtschaftliche Produkte exportieren. Gleichzeitig verringert sich auch die Abhängigkeit von teuren Import-Produkten. Mit Schutzmassnahmen will Gyamtsho die Landwirtschaft im steilen Gelände unterstützen, um Bodenerosion und Hangrutschen vorzubeugen. „Ich will auch mit kleineren Maschinen und Apparaten die Mechanisierung der Landwirtschaft vorantreiben, um insbesondere für die Frauen die tägliche Plackerei zu verringern und damit die landwirtschaftliche Arbeit anziehender zu machen“, sagt der Landwirtschaftsminister.

Zum Halbschweizer geworden

Gyamtsho ist dankbar, dass ihm die ETH viele Türen geöffnet hat, beruflich und persönlich. Sie habe ihm nicht nur das nötige Wissen und Können für seine bisherigen und zukünftigen Aufgaben vermittelt. Unter der Aufsicht seiner beiden Professoren Nösberger und Menzi sei er ein guter Agrarwissenschaftler geworden, er habe auch Selbstdisziplin, Pünktlichkeit, Offenheit und Integrität für sein Leben mitgenommen. „Bei meiner Arbeit stütze ich mich stark auf das an der ETH und in der Schweiz Gelernte und die Ratschläge meiner dortigen Mentoren und Kollegen. Dies nicht zuletzt im Bezug auf das Verständnis von Demokratie und demokratischen Systemen“, versichert der Bhutanesische Landwirtschaftsminister. „Man nennt mich hier nicht umsonst den Halbschweizer“. Bestätigt habe ihm dies auch die Alt-Bundesrätin und ehemalige DEZA-Mitarbeiterin, Ruth Dreifuss, als sie ihn kürzlich in Bhutan besuchte, wie er augenzwinkernd anfügt: „Sie war entzückt, dass ich die Schweiz so gut vertrete!“

Martin Menzi, der Pema Gyamtsho und Bhutan nach wie vor verbunden ist, versichert, dass während der langjährigen Zusammenarbeit mit Bhutan auf Schweizer Seite viel über Entwicklungsprozesse gelernt wurde. Auch er lobt den regen Austausch. Zu Bhutans Zukunft äussert sich Menzi vorsichtig optimistisch: „Im anstehenden Um- und Aufbau des kleinen Landes steht sehr viel Arbeit an, wirtschaftlich und politisch. Ich glaube aber daran, dass Bhutan eine gute Chance auf eine bessere Zukunft hat.“

Königreich Bhutan

Das kleine, arme Königreich liegt am Himalaya, zwischen den mächtigen Nachbarn Indien und China. Während Jahrhunderten war Bhutan beinahe vollständig von der Aussenwelt abgeschlossen. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts findet eine gewisse Öffnung statt, wobei die alten Traditionen jedoch streng bewahrt werden. So ist zum Beispiel das Tragen der Landestracht Pflicht. Die Macht liegt seit 1907 bei der Wangchuk-Dynastie. Durch die Wahlen vom März 2008 wurde das Land zu einer parlamentarischen Demokratie mit einem Zweiparteien-System. Die pro-monarchische Bhutan Harmony Party des früheren Premier-Ministers Jigme Thinley errang einen erdrutschartigen Wahlsieg. Ihre Oppositionspartei, die People’s Democratic Party unterstützt ebenfalls die Monarchie.

 
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