Veröffentlicht: 17.03.08
Rehabilitationsrobotik

Wenn der Roboter den Patienten motiviert

Rehabilitation mit der Hilfe von Robotern hat sich weltweit etabliert. Jetzt geht die Entwicklung einen entscheidenden Schritt weiter. Beim mit 1.6 Millionen Euro geförderten EU Projekt MIMICS erforschen die Wissenschaftler, wie die Therapie mit Roboterunterstützung noch effizienter sein kann.

Thomas Langholz
Mit dem Lokomat lassen sich Bewegungsabläufe effizienter und nachhaltiger durchführen.
Mit dem Lokomat lassen sich Bewegungsabläufe effizienter und nachhaltiger durchführen. (Grossbild)

Für Schlaganfall- oder Unfallpatienten ist der Weg zurück in ein normales Leben sehr schwer. Einfache Bewegungsabläufe, wie der Weg zum Briefkasten oder das Greifen einer Kaffeetasse, können zu unüberwindbaren Hindernissen werden. Wie gut sich Patienten wieder im Alltag zurechtfinden können, entscheidet oft eine frühe und regelmässige Rehabilitation. Eine Lauf- oder Armtherapie ist sehr aufwendig und für den Therapeuten und den Patienten sehr kraftanstrengend und dadurch zeitlich begrenzt. Eine hilfreiche Unterstützung bieten verschiedene Rehabilitationsroboter. Einer davon ist der „Lokomat“. Mit seiner Hilfe lassen sich Bewegungen öfter und in unterschiedlicher Intensität durchführen.

Patienten noch besser motivieren

Jetzt werden die Rehabilitationsroboter weiterentwickelt. Unter dem Titel „Multimodal Immersive Motion Rehabilitation with Interactive Cognitive Systems“, kurz MIMICS genannt, haben sich führende Forscher aus der Robotik, Präsenzforschung und der Neurorehabilitation zusammengeschlossen. Projektleiter Robert Riener, Professor am Institut für Robotik und Intelligente Systeme der ETH Zürich und Professor am Paraplegikerzentrum des Unispitals Balgrist, fasst die Zielsetzung von MIMICS zusammen: „Ziel des neuen Verfahrens ist es, Virtuelle Realität so einzusetzen, dass der trainierende Schlaganfallpatient maximal motiviert wird und die Therapieübungen automatisch und kontinuierlich an das Können des Patienten und dessen Aufmerksamkeit angepasst werden.“
Bisher können Roboter bei der Rehabilitation diverse Übungen mit dem Patienten durchführen. In Zukunft soll die Aufmerksamkeit eines Schlaganfallpatienten und die Intensität der Übungen durch Sensoren beobachtet werden, um so direkt in den Übungsverlauf eingreifen zu können. „Der Patient läuft auf einen Laufband. Vor ihm befindet sich eine Leinwand, auf der er einen Weg sieht, den er gehen soll. Dort werden virtuelle Hindernisse, wie zum Beispiel eine Bordsteinkante, gezeigt, die er übersteigen muss. Stellen wir durch unsere Sensoren fest, dass die Aufmerksamkeit des Patienten nachlässt oder dass die Übungen zu einfach sind, so können wir in Zukunft den Übungsablauf automatisch verändern“, erklärt Robert Riener.

Training mit allen Sinnen

Der Patient wird während des Trainings mit allen Sinnen angesprochen. Läuft er zum Beispiel über einen Holzboden, so ertönt ein solches Geräusch auch aus den Lautsprechern. Bei nachlassender Aufmerksamkeit, wird dem Patienten auf dem Bildschirm zum Beispiel ein Ball präsentiert, den er in ein Tor schiessen soll. Läuft er zu langsam, so erscheint eine Person in der virtuellen Welt, die ihm diesen wegnimmt. Die neuen Systeme interagieren mit dem Patienten und stellen sich so kontinuierlich auf seine physische und psychische Verfassung ein ohne ihn zu über- oder unterfordern. Durch diesen Feedback-Mechanismus erhöhen sich die Qualität und die Intensität des Trainings und damit die Chancen auf die Rehabilitation des Patienten.
Ziel des drei Jahre dauernden Forschungsprojektes ist es, herauszufinden, wie diese verschiedenen Informationen abgerufen, ausgewertet und als neue Parameter wieder in das System eingebracht werden können. Insbesondere drei Messgrössen werden dabei untersucht: die physiologischen Werte, die biomechanischen Daten und das Verhalten des Patienten. Bei den physiologischen Werten wird zum Beispiel die Herzfrequenz gemessen und bei der Biomechanik die Kraft, die der Patient für die Übung aufwendet, ausgewertet. Gleichzeitig wird überprüft wo der Patient hinschaut und wie aufmerksam er das Training verfolgt. Die technische Herausforderung liegt darin alle Daten durch eine Sensorfusion miteinander zu vernetzen und in Echtzeit auszuwerten.

Projekt von der EU gefördert

Das Projekt wird von der EU durch das „7. Rahmenprogramm“ mit 1.6 Millionen Euro für drei Jahre gefördert. Das gesamte Projektvolumen beträgt 2.2 Millionen Euro. Rund 120 Projekte hatten sich um eine EU-Förderung beworben. Lediglich zehn Prozent erhielten jetzt eine Zusage. Für Robert Riener ist der Zuschlag auch ein Beweis für die Professionalität der Projektpartner: „In einem solch schwierigen Wettbewerbsumfeld eine Zusage zu erhalten, ist nicht einfach. Wir hatten durch die langfristige interdisziplinäre Forschung gute Voraussetzungen.“ Neben der Projektleitung durch Robert Riener, Professor am Institut für Robotik und Intelligente Systeme der ETH Zürich und Professor am Paraplegikerzentrum des Unispitals Balgrist, sind folgende Partner am Projekt beteiligt: das Universitätsspital Balgrist mit Professor Volker Dietz, die Universität Ljubljana in Slowenien mit Professor Marko Munih, die Universtat Politècnica de Catalunya in Spanien mit Professor Mel Slater, die Neurologische Klinik Bad Aibling in Deutschland mit Dr. Friedemann Müller sowie als Industriepartner die Hocoma AG in Volketswil.