Veröffentlicht: 05.09.13
Campus

Wie ein Lachs gegen den Strom

Der Nobelpreisträger Robert B. Laughlin von der Stanford University hält dieses Jahr die Paul Bernays Lectures an der ETH Zürich. Der 62-jährige US-Amerikaner erforscht hauptsächlich makroskopische Quantenphänomene, ist aber auch ein streitbarer Wissenschaftler, der gerne querdenkt und gegen Strom schwimmt.

Peter Rüegg
Stanford-Professor Robert B. Laughlin (kleines Bild) liebt es, seine Gedanken über Cartoons auszudrücken. (Bild und Illustration: Stanford Univ. / R.B.Laughlin)
Stanford-Professor Robert B. Laughlin (kleines Bild) liebt es, seine Gedanken über Cartoons auszudrücken. (Bild und Illustration: Stanford Univ. / R.B.Laughlin) (Grossbild)

1998 erhielt Stanford-Professor Robert B. Laughlin den Nobelpreis in Physik für seinen Beitrag zur theoretischen Erklärung des fraktionellen Quanten-Hall-Effekts. Damit erhielt er eine Ehrung, die in der wissenschaftlichen Welt zu den wichtigsten zählt. Dank diesem Preis, so sagte er einmal, höre man ihm auch zu. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die ihm seither geschenkt wird, nutzt er denn gerne, um seine Ansichten über die Wissenschaft und die Physik insbesondere, aber auch über die Energieknappheit, die der Menschheit droht, unter die Leute zu bringen. Denn Laughlin verlegte sein Arbeitsfeld zunehmend auch auf das Populärwissenschaftliche. Der Physiker schrieb drei allgemein verständliche Bücher, die viel zu reden gaben. Denn der Querdenker nahm kein Blatt vor den Mund.

Feldzug gegen Reduktionismus

Mit seinem Erstling «Abschied von der Weltformel» trat der streitbare Stanford-Professor gegen den Reduktionismus und gegen diejenigen Forscher an, die in seinen Augen «spekulative Theorien» wie die String-Theorie oder Ideen über das frühe Universum vertreten. Laughlin ist überzeugt, dass sich das Universum und all seine Erscheinungen eben nicht mit nur einer grundlegenden Formel – der Weltformel – beschreiben lassen, wie das theoretische Physiker möchten. Er provozierte unter anderem mit der Aussage, dass vieles, was die postmoderne Physik vertrete, nur dazu diene, Geld für weitere Forschung an unbeweisbaren Theorien zu generieren. Den Urknall bezeichnete er als «quasireligiöses Marketing». Viele der aufgestellten Theorien liessen sich nicht durch experimentelle Messungen beweisen, sagte Laughlin vor ein paar Jahren in einem Spiegel-Interview zu seinem Buch. Keine der aufgestellten Behauptungen seien durch ein Experiment gedeckt.

Laughlin vertritt dagegen die Überzeugung, dass allen Erscheinungen das Phänomen der Emergenz zugrunde liegt. Darunter versteht er Gesetzmässigkeiten, die sich nicht aus den mikroskopischen Eigenschaften der einzelnen Atome erklären lassen, sondern erst bei einem makroskopischen Festkörper als Ganzes auftreten. Einzelne Eisenatome erklären nicht die Eigenschaften eines Stahlträgers; dessen Festigkeit ist eine Erscheinung der Emergenz. Gemäss Laughlins Theorie entsteht Emergenz erst ab einer gewissen Grössenordnung. Als Anhänger dieser Theorie vertritt er unter Physikern jedoch eine abweichende Meinung – nicht viele Wissenschaftler sind davon überzeugt.

Laughlin kämpft mit Verve gegen diejenigen Fachkollegen an, die gewisse Gesetze als fundamental betrachten und andere als untergeordnet. Dieses Verhalten brandmarkt er als religiös, den Reduktionismus als Ideologie. Er ist er überzeugt, dass sich die Physik in der Zukunft stärker mit makroskopischen Phänomenen wie der Selbstorganisation der Materie, die sich nicht durch atomare oder subatomare Vorgänge erklären lassen, auseinandersetzen wird. Die Grenzen des Wissens seien in diesem Bereich noch längst nicht erreicht, postuliert er.

Zukunft der Menschheit in düsteren Farben

Auch in seinem dritten Buch «Der Letzte macht das Licht aus» nutzt Laughlin seinen Status (vielleicht auch unbewusst) für aufrüttelnde und provozierende Aussagen. Mit diesem Werk blickt er in eine Zukunft, in der fossile Energieträger erschöpft sein werden. Der Weg dorthin werde hässlich, schreibt er. Die Folgen für die Menschheit seien mit einem Asteroideneinschlag vergleichbar. In schwärzesten Farben malt er aus, wie die Menschen auf Energieknappheit reagieren werden. Kritiker werfen Laughlin vor, dass seine eigenen Vorschläge, wie die künftige Energiekrise gelöst werden könnte, unhaltbare, technisch kaum machbare Luftschlösser seien –wie etwa jener Vorschlag, dass ab dem 22. Jahrhundert Schwärme von Robotern auf dem Meeresgrund Geothermie-Kraftwerke oder Druckluftspeicher bauten, in denen riesige Mengen an Energie gespeichert werden könnten. Prototypen von solchen Energiespeichern gibt es bereits, doch ist deren Wirkungsgrad äusserst bescheiden.

Laughlin liebt es, «Elefanten tanzen zu lassen», wie er in einem Interview mit der NZZ sagte. Und man darf deshalb gespannt sein, was der Nobelpreisträger von 1998 an den Paul Bernays Lectures an der ETH Zürich seinen Zuhörerinnen und Zuhörern, Freunden wie Kritikern zu sagen hat.

Robert B. Laughlin wurde 1950 in Visalia, Kalifornien, geboren und studierte in Berkeley und am MIT. Er arbeitete für die Bell Labs, das Dorado der Festkörperphysik, und später am Lawrence Livermore National Laboratory. Seit 1985 lehrt er an der Stanford University.

Paul Bernays Vorlesungen

Die Vorlesungsreihe hatte 2012 ihre Premiere und soll nun alljährlich zu Ehren des Mathematikers und Logikers Paul Bernays stattfinden. Bernays war zwischen 1939 und 1959 zuerst als Privatdozent und dann als Professor an der ETH Zürich tätig. Er baute die Beweistheorie von David Hilbert aus und legte bedeutende Arbeiten zur axiomatischen Mengenlehre vor. Er gilt noch heute als ein grosser Philosoph der Mathematik. Die Paul Bernays Lectures sind der Philosophie der exakten Wissenschaften gewidmet und werden von einem Gastreferenten gehalten.

Die drei Vorträge von Robert B. Laughlin sind:
«A different universe», Dienstag, 10. September, 2013, 17.00 Uhr
«The meter stick of life», Mittwoch, 11. September, 14.15 Uhr
«Bond Current Antiferromagnetism», Mittwoch, 11. September, 16.30 Uhr

Sie finden statt an der ETH Zürich, Hauptgebäude, Auditorium F3, Rämistrasse 101, Zürich. Die Vorlesungen werden in englischer Sprache gehalten. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen unter www.gess.ethz.ch/news/pbl

 
Leserkommentare: