Veröffentlicht: 24.05.13
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Afrika im Aufwind

Russel Botman, Rektor und Vizekanzler der Stellenbosch University in Südafrika, sprach an der ETH Zürich über die Hochschulbildung und ihre bedeutende Rolle für die Entwicklung von Afrikas Zukunft. Nur wenn die Zusammenarbeit unter Institutionen des Hochschulwesens sowohl in Afrika als auch im Ausland gestärkt wird, eröffnen sich grössere Möglichkeiten.

Angela Harp
Russel Botman am 22. Mai an der ETH Zürich, Auditorium Maximum: «Bildung gibt den Leuten positive Zukunftsaussichten.» (Bild: Angela Harp / ETH Zürich)
Russel Botman am 22. Mai an der ETH Zürich, Auditorium Maximum: «Bildung gibt den Leuten positive Zukunftsaussichten.» (Bild: Angela Harp / ETH Zürich) (Grossbild)

Afrika hat den Ruf, sich wirtschaftlich und gesellschaftlich langsam zu entwickeln. Analysten stellten jedoch kürzlich fest, dass sich der internationale Diskurs vom «Afro-Pessimismus» zum «Afro-Optimismus» verschoben hat. Der Kontinent weist ein positives Wirtschaftswachstum auf und wird zunehmend für Investoren attraktiv.

Afrikas Fortschritt beruht hauptsächlich auf dem Export von Primärrohstoffen, vor allem nach China, Indien und Russland. Primärrohstoffe sorgen denn auch für 80 Prozent der Exporte des Kontinents –der mit Abstand höchste Prozentsatz der Welt. Dies genügt jedoch nicht, um das Wachstum langfristig zu sichern. Sogar wenn man die gestiegene Leistung von Landwirtschaft, Produktion, Baugewerbe und Dienstleistungen einberechnet, sticht Afrika nach wie vor aus dem UNDP Human Development Index heraus: Von den 42 unterentwickelten Ländern der Welt liegen 35 in Afrika.

Tragende Rolle der Hochschulbildung

«Hochschulbildung ist der Motor für eine nachhaltige Entwicklung Afrikas», war Russel Botman, Rektor und Vizekanzler der Stellenbosch University in Südafrika, überzeugt. Er hielt am 22. Mai an der ETH Zürich im Rahmen einer Veranstaltung über «Science and Development» einen Vortrag zum Thema «Die Rolle der Universitäten bei der Entwicklung Afrikas». Hochschulbildung sei lebensnotwendig, um die Wirtschaft anzukurbeln, die Gesellschaft zu stärken und wirkungsvolle Regierungen zu festigen. Er war von der Idee überzeugt, dass Wissenschaft die Hauptantriebskraft für Afrikas Entwicklung sein sollte. Genau deshalb sei es wichtig, die Zusammenarbeit zu fördern und Wissenskoalitionen zwischen Institutionen des höheren Bildungswesens innerhalb von Afrika und im Ausland zu schmieden.

Afrikas Forschungsoutput hat sich von einem Prozent Mitte der Achtzigerjahre auf 0,7 Prozent zehn Jahre später verringert. «Wenn man bedenkt, welche tragende Rolle die Zusammenarbeit in der Geschichte des Wissens gespielt hat, könnte die Wiederbelebung der Kollaborationskultur unter Akademikern dazu beitragen, die Forschungsresultate wieder auf Kurs zu bringen», betonte er. Deshalb sei an der Stellenbosch University die Schaffung von nachhaltigen und langfristigen akademischen Netzwerken eine Priorität, erklärte Botman. Eine kürzlich erschienene Studie über verschiedene Aspekte von Stärke in Nahrungsmitteln von Samuel Zeeman von der ETH Zürich, Jens Kossmann von der Stellenbosch University und Alison Smith vom John Innes Centre (UK) zeuge von einer solchen Zusammenarbeit.

Partnerschaft mit afrikanischen Akademikern

«Afrikaner können wertvolle Beiträge leisten und nicht nur Beitragsempfänger sein», sagte Botman, «doch braucht es ein Umdenken in diese Richtung, um starke Partnerschaften mit Hochschulen innerhalb und ausserhalb Afrikas zu schaffen.» Eine der grössten Herausforderungen liegt gemäss Botman darin, die Wahrnehmung von der afrikanischen Hochschullandschaft zu verändern, indem ein offener Dialog geführt wird. «Studierende im In- und Ausland müssen auf ihr Potenzial aufmerksam gemacht werden und sich bewusst werden, dass die Tür offen steht für neue Ideen und Innovationen», sagte der Vizekanzler der Stellenbosch University.

Er ermunterte auch Studierende der ETH Zürich, das Potenzial Afrikas zu erkunden und dessen Zukunft mitzugestalten. Die ETH Zürich habe den Dialog bereits begonnen und durch verschiedene Forschungsprojekte Partnerschaften auf die Beine gestellt. Michael Stauffacher und Christian Pohl etwa wirkten bei der Ausarbeitung des TsamaHub-Projekts mit, das zu einem erfolgreichen Finanzierungsantrag an Südafrikas National Research Foundation führte.

Soziale Verantwortung tragen

Botman war der Ansicht, dass Universitäten keine Elfenbeintürme sein sollten, sondern der Gesellschaft als engagierte Institutionen dienen und ihre Studierende zu Weltbürgern und kritischen Erneuerern ausbilden sollten. «An der Stellenbosch University möchten wir durch akademische Exzellenz in der Gesellschaft etwas verändern», sagte er. Das universitätseigene Hope Project zeigt anhand der Hauptaktivitäten der Universität – Forschung, Lehre und gemeinschaftlicher Austausch – dieses soziale Engagement auf. Es konzentriert sich darauf, in Südafrika und dem Rest des Kontinents die Armut auszumerzen, zu menschlicher Würde und Gesundheit beizutragen, Demokratie und Menschenrechte zu festigen, für Frieden und Sicherheit zu sorgen und Umwelt mit der Industrie in Einklang zu bringen.

Gegenseitige Unterstützung

Anschliessend an den Vortrag fand eine Podiumsdiskussion mit Russel Botman, Lino Guzzella, Rektor der ETH Zürich, Antonio Loprieno, Rektor der Universität Basel, und Pauline Mujawamariya von der African Innovation Foundation statt. Beim Thema der sozialen Verantwortung kamen die Diskussionsteilnehmer zum Schluss, dass sich afrikanische Universitäten durch ihre starke Gewichtung des sozialen Auftrags von jenen in Europa unterscheiden. Hochschulen in Europa streben tendenziell nach Autonomie und fokussieren dabei auf die eigene Exzellenz und Wettbewerbsfähigkeit. Alle Diskussionsteilnehmer stimmten darin überein, dass Institutionen in Europa und Afrika diesbezüglich voneinander lernen können.

Europäische Institutionen können afrikanischen Institutionen als Coach dienen, wenn Exzellenz in Bildung und Forschung etabliert werden soll. Da soziale Verantwortung in den Köpfen der Studierenden von heute stark präsent ist, könnten europäische Institutionen dies beherzigen und ihre Rolle von einer autonomen hin zu einer sozial engagierteren neu definieren.

Stellenbosch University

Die Stellenbosch University (SU) ist eine von 23 öffentlichen Universitäten in Südafrika und liegt 50 Kilometer von Cape Town entfernt. Die SU verfügt über zehn Fakultäten auf fünf Campussen in der Region und 28‘000 Studenten, von denen ein Drittel auf Postgraduate-Niveau studieren und 3000 aus über 100 Ländern stammen. Die Universität verfügt über 3000 Mitarbeiter einschliesslich 939 Akademiker. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Forschung. Ihre Vision ist, integrativ, innovativ und zukunftsorientiert zu sein – ein Ort der Exzellenz mit einer einladenden Atmosphäre, die sich durch Fairness und Vielfalt auszeichnet. 2012 ernannte Südafrikas Department of Higher Education and Training die SU zum dritten Mal in Folge zu der produktivsten akademischen Forschungseinrichtung des Landes. www.sun.ac.za

 
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