Veröffentlicht: 15.05.13
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Hort des freien Denkens

Er ist seit 16 Jahren an der ETH Mathematik-Professor und wird nun auch Direktor des neuen Instituts für Theoretische Studien: Giovanni Felder über die Vorteile einer solchen Denkfabrik, seine Zeit in Princeton und den grossen Respekt vor der neuen Aufgabe.

Interview: Roman Klingler
ETH Mathematik-Professor Giovanni Felder wird Direktor des neuen Instituts für Theoretische Studien (ETH-ITS). (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich)
ETH Mathematik-Professor Giovanni Felder wird Direktor des neuen Instituts für Theoretische Studien (ETH-ITS). (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich) (Grossbild)

Herr Felder, Sie wurden für den Direktoren-Posten am neuen Institut für Theoretische Studien an der ETH Zürich angefragt. Brauchte es viel Überzeugungsarbeit, damit Sie ja sagten?
Obwohl ich sofort von der Idee eines solchen Instituts an der ETH angetan war, zögerte ich einen Moment, weil die Aufgabe auch mit einer grossen Verantwortung verbunden ist. Ich habe dann gesehen, dass ich auf die Unterstützung von international gut vernetzten Kolleginnen und Kollegen zählen kann, die an diese visionäre Idee glauben und bereit sind, beim Aufbau mitzumachen.

Das ITS ist in mehrerer Hinsicht ein Sonderfall. Nicht zuletzt durch die private Finanzierung in der Höhe von 50 Millionen Franken. Fühlen Sie sich privilegiert?
Absolut. Es ist ein Glücksfall, dass zwei Ehemalige der ETH Zürich eine solche Vision durch ihre äusserst grosszügige Spende möglich machen. Den Donatoren Max Rössler und der Walter Haefner Stiftung, die Martin Haefner vertritt, gebührt ein riesiges Dankeschön dafür, dass sie an die Bedeutung der theoretischen Grundlagenforschung glauben und ihrer Alma Mater ein solches Vertrauen entgegenbringen. 

Wer soll am ETH-ITS in Zukunft forschen?
Einerseits werden wir arrivierte Wissenschaftler als «Senior Fellows» einladen. Von Ihnen versprechen wir uns wissenschaftliche Inputs auf höchstem Niveau. Zum andern können sich «Junior Fellows», das heisst herausragende junge Forschende der Mathematik, der theoretischen Naturwissenschaften oder theoretischen Informatik nach ihrem Doktorat bei uns bewerben. Diese «Junior Fellows» könnten vielversprechende Kandidaten für eine spätere Karriere an der ETH Zürich sein.

Das ITS soll die theoretischen Grundlagenforschung stärken. Bietet die ETH denn nicht schon heute genügend Raum, um Theorien zu entwickeln und zu diskutieren?
Tatsächlich stehen die Forschenden der ETH heute schon im regen Austausch mit Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, und viele neue Resultate werden vorgestellt und diskutiert. In dreifacher Hinsicht bringt das neue Institut aber etwas, was wir heute nicht haben: Es macht zum einen längere Aufenthalte von Forschenden hier in Zürich möglich. Zum andern ist das ITS in kein Departement eingebunden, das heisst Forschende aus verschiedenen Disziplinen können frei zusammenarbeiten. Die heute bestehenden Besuchsprogramme sind in den Departementen verankert, was die Wechselwirkung zwischen verschiedenen Gebieten erschwert. Schliesslich ist die ETH mit dem ITS sehr attraktiv für junge Forscherinnen und Forscher in Mathematik und den theoretischen Wissenschaften, von denen wir bis jetzt nur wenige aufnehmen konnten.

Das Institute for Advanced Study in Princeton (IAS) gilt als Inspirationsquelle für viele ähnliche Institutionen weltweit. Sie kennen das IAS aus eigener Erfahrung. Was macht denn ein solches Institut so speziell?
Institute wie das IAS in Princeton, das Institut des Hautes Etudes Scientifiques bei Paris oder das Newton Institute in Cambridge spielen eine wichtige Rolle für die Forschung in den theoretischen Fächern. Sie bieten die Möglichkeit, sich ganz der Forschung zu widmen ohne administrative Zwänge und Lehrverpflichtungen, und mit anderen Forschern zu diskutieren, die ebenfalls nicht von anderen Verpflichtungen abgelenkt werden. Ein solches Setting gewährt den Raum, damit Forschende kreativ werden und sich neue Ideen entfalten können.

Was haben Sie aus Ihrem Aufenthalt in Princeton mitgenommen?
Vieles – nicht zuletzt etwas ganz Persönliches: Einer meiner Söhne kam während unseres Aufenthalts in Princeton zur Welt. Als junger Forscher konnte ich mich dort mit anderen Arten des Denkens auseinandersetzen. Ich traf andere Forscher, die ebenfalls alle in diesem speziellen «Modus» waren – es war fantastisch. Es entstanden Kontakte und gar Freundschaften und einige Ideen, die wir dort entwickelten, beeinflussten durchaus meine spätere Forschung. Rückblickend empfinde ich die Zeit, die ich am IAS verbringen durfte, als grosses Privileg.

Was braucht es, damit die Fellows tatsächlich Spuren hinterlassen an der ETH und auf dem Forschungsplatz Zürich?
Das ITS muss zu einem Ort werden, an dem sich ETH-Angehörige und die Fellows ungezwungen begegnen können und die Gäste an den wissenschaftlichen Aktivitäten der ETH beteiligt werden. Anlässe wie Konferenzen, Workshops, Seminare, die auch Doktorierenden und Studierenden der ETH involvieren, schaffen Kontakte und haben eine nachhaltige Wirkung.

 
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