Hort des freien Denkens
Er ist seit 16 Jahren an der ETH Mathematik-Professor und wird nun auch Direktor des neuen Instituts für Theoretische Studien: Giovanni Felder über die Vorteile einer solchen Denkfabrik, seine Zeit in Princeton und den grossen Respekt vor der neuen Aufgabe.
Herr Felder, Sie wurden für
den Direktoren-Posten am neuen Institut für Theoretische Studien an der ETH
Zürich angefragt. Brauchte es viel Überzeugungsarbeit, damit Sie ja sagten?
Obwohl ich sofort von der Idee eines solchen Instituts an der ETH angetan war,
zögerte ich einen Moment, weil die Aufgabe auch mit einer grossen Verantwortung
verbunden ist. Ich habe dann gesehen, dass ich auf die Unterstützung von international
gut vernetzten Kolleginnen und Kollegen zählen kann, die an diese visionäre
Idee glauben und bereit sind, beim Aufbau mitzumachen.
Das
ITS ist in mehrerer Hinsicht ein Sonderfall. Nicht zuletzt durch
die private Finanzierung in der Höhe von 50 Millionen Franken. Fühlen Sie sich
privilegiert?
Absolut.
Es ist ein Glücksfall, dass zwei Ehemalige der ETH Zürich eine solche Vision
durch ihre äusserst grosszügige Spende möglich machen. Den Donatoren Max
Rössler und der Walter Haefner Stiftung, die Martin Haefner vertritt, gebührt ein
riesiges Dankeschön dafür, dass sie an die Bedeutung der theoretischen
Grundlagenforschung glauben und ihrer Alma Mater ein solches Vertrauen
entgegenbringen.
Wer
soll am ETH-ITS in Zukunft forschen?
Einerseits
werden wir arrivierte Wissenschaftler als «Senior Fellows» einladen. Von Ihnen
versprechen wir uns wissenschaftliche Inputs auf höchstem Niveau. Zum andern
können sich «Junior Fellows», das heisst herausragende junge Forschende der Mathematik,
der theoretischen Naturwissenschaften oder theoretischen Informatik nach ihrem Doktorat
bei uns bewerben. Diese «Junior Fellows» könnten vielversprechende Kandidaten für
eine spätere Karriere an der ETH Zürich sein.
Das ITS soll die
theoretischen Grundlagenforschung stärken. Bietet die ETH denn nicht schon heute genügend Raum, um
Theorien zu entwickeln und zu diskutieren?
Tatsächlich stehen
die Forschenden der ETH heute schon im regen Austausch mit Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, und viele neue Resultate
werden vorgestellt und diskutiert. In dreifacher Hinsicht bringt das neue
Institut aber etwas, was wir heute nicht haben: Es macht zum einen längere
Aufenthalte von Forschenden hier in Zürich möglich. Zum andern ist das ITS in
kein Departement eingebunden, das heisst Forschende aus verschiedenen
Disziplinen können frei zusammenarbeiten. Die heute bestehenden Besuchsprogramme sind in den Departementen
verankert, was die Wechselwirkung zwischen verschiedenen Gebieten erschwert.
Schliesslich ist die ETH mit dem ITS sehr attraktiv für junge Forscherinnen und
Forscher in Mathematik und den theoretischen Wissenschaften, von denen wir bis
jetzt nur wenige aufnehmen konnten.
Das Institute for Advanced
Study in Princeton (IAS) gilt als Inspirationsquelle für viele ähnliche
Institutionen weltweit. Sie kennen das IAS aus eigener Erfahrung. Was macht
denn ein solches Institut so speziell?
Institute wie das IAS in Princeton, das Institut des Hautes Etudes
Scientifiques bei Paris oder das Newton Institute in Cambridge spielen eine
wichtige Rolle für die Forschung in den theoretischen Fächern. Sie bieten die
Möglichkeit, sich ganz der Forschung zu widmen ohne administrative Zwänge und
Lehrverpflichtungen, und mit anderen Forschern zu diskutieren, die ebenfalls
nicht von anderen Verpflichtungen abgelenkt werden. Ein solches Setting gewährt den Raum, damit Forschende kreativ
werden und sich neue Ideen entfalten können.
Was haben Sie aus Ihrem Aufenthalt in
Princeton mitgenommen?
Vieles – nicht zuletzt etwas ganz Persönliches: Einer meiner Söhne kam während
unseres Aufenthalts in Princeton zur Welt. Als junger Forscher konnte ich mich
dort mit anderen Arten des Denkens auseinandersetzen.
Ich traf andere Forscher, die ebenfalls alle in diesem speziellen «Modus» waren
– es war fantastisch. Es entstanden Kontakte und gar Freundschaften und einige
Ideen, die wir dort entwickelten, beeinflussten durchaus meine spätere
Forschung. Rückblickend empfinde ich die Zeit, die ich am IAS verbringen durfte,
als grosses Privileg.
Was braucht es, damit die
Fellows tatsächlich Spuren hinterlassen an der ETH und auf dem
Forschungsplatz Zürich?
Das ITS muss zu einem Ort werden, an dem sich ETH-Angehörige und die Fellows ungezwungen
begegnen können und die Gäste an den wissenschaftlichen Aktivitäten der ETH
beteiligt werden. Anlässe wie Konferenzen, Workshops, Seminare, die auch
Doktorierenden und Studierenden der ETH involvieren, schaffen Kontakte und
haben eine nachhaltige Wirkung.
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