Veröffentlicht: 20.09.12
Science

Die inneren Werte komplexer Katalysatoren

Mit modernsten bildgebenden Verfahren haben Chemieingenieure der ETH Zürich das poröse Innenleben komplexer Katalysatoren erforscht. Dank ihrer Arbeit sollen Katalysator-Neuentwicklungen in Zukunft einfacher den Weg finden von den Forschungslabors der Hochschulen in die Produktionsstätten der Grossindustrie.

Fabio Bergamin
Mikroskopischer Querschnitt eines Zeolith-Katalysators, wie er in der Industrie eingesetzt wird (grün: Zeolith-Korn, hellgrau: Bindemittel, dunkelgrau: Makroporen). (Bild: Nina-Luisa Michels / ETH Zürich)
Mikroskopischer Querschnitt eines Zeolith-Katalysators, wie er in der Industrie eingesetzt wird (grün: Zeolith-Korn, hellgrau: Bindemittel, dunkelgrau: Makroporen). (Bild: Nina-Luisa Michels / ETH Zürich) (Grossbild)

Zeolithe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Das poröse Material dient beispielsweise in Waschpulvern als Wasserenthärter und wird bei der Wasseraufbreitung sowie der Herstellung von reinem Sauerstoff verwendet. Zeolithe kommen ausserdem als Katzenstreu zum Einsatz und als Katalysatoren in der chemischen Industrie, unter anderem und besonders wichtig beim Raffinieren von Rohöl und Erdgas. Letztere bestehen aus einem Gemisch verschiedener Kohlenwasserstoff-Moleküle, die erst in einer chemischen Reaktion durch Zugabe eines Zeoliths in hochwertigere Produkte wie Benzin, Diesel und Heizöl umgewandelt werden. Je nach Anwendung haben Zeolith-Katalysatoren eine unterschiedliche Porengrösse und Struktur.

Um industrielle chemische Prozesse zu verbessern, forschen Chemiker weltweit an neuen Zeolith-Katalysatoren mit veränderten Strukturen. Für diese Forschung ist es wichtig, auch das Innenleben der Katalysatoren im Detail zu kennen. Wissenschaftler der ETH Zürich haben nun erstmals einen ausgesprochen komplex aufgebauten Zeolith-Katalysator mit einer Vielzahl moderner bildgebender Verfahren untersucht. So gewannen sie äusserst detaillierte Bilder aus dessen Innern – exemplarisch an einem Zeolithen der neusten Generation, der unter anderem bei der chemischen Synthese von Xylol verwendet wird, einem Ausgangsstoff für die Herstellung von PET-Flaschen.

Komplexes poröses Material

Zugutekommen wird der neue Ansatz in der Bildgebung vor allem dem Scale-up, also dem Entwicklungsschritt vom Labor zur industriellen Anwendung. «Derzeit schafft es nur ein geringer Anteil der Zeolith-Neuentwicklungen in die Praxis. Wenn wir unsere Methoden in einem frühen Stadium der Forschung einsetzen, können wir diesen Anteil erhöhen», sagt Javier Pérez-Ramírez, Professor am Institut für Chemie- und Bio-Ingenieurwissenschaften, der das Projekt leitete. Dieses Scale-up ist unter anderem daher so schwierig, weil in den universitären Forschungslabors meist mit kleinen Mengen Zeolith-Pulver gearbeitet wird. Die Gruppe von Pérez-Ramírez ist weltweit eine der wenigen, die sich mit dem Scale-up solcher Katalysatoren beschäftigt. In der Industrie kommen häufig Pellets zum Einsatz, die aus Zeolith-Pulver Pulver und diversen Bindemitteln hergestellt sind. «Diese Zeolith-Pellets gehören zu den am komplexesten aufgebauten porösen Materialen überhaupt», sagt Pérez-Ramírez.

So enthalten Pellets moderner Zeolith-Katalysatoren Poren unterschiedlicher Grössenordnungen. Die kleinsten Poren sind im Nanometerbereich. Diese «Mikroporen» sind auf die äusserst feine Gitterstruktur des Materials zurückzuführen, das synthetisch aus Aluminium- und Siliziumverbindungen hergestellt wird. Moderne Zeolithe sind zudem chemisch verändert: Mit alkalischen Substanzen erzeugen Chemiker im Stoff zusätzliche, grössere Poren. Diese «Mesoporen» machen aus den Zeolith-Körnern eine Art Schwamm und erleichtern den Reaktionsstoffen, zu den Mikroporen zu gelangen, wo die Katalysereaktion stattfindet. Schliesslich entstehen weitere, nochmals grössere Poren – sogenannte Makroporen –, wenn das Zeolith-Pulver mit Bindemitteln zu Pellets geformt wird.

Modernste Methoden aus Medizin und Biologie

Pérez-Ramírez und seine Kollegen haben für ihre Untersuchung ein knappes Dutzend moderner bildgebender Verfahren angewandt, meist solche, die aus der Medizin und der biologischen Forschung bekannt sind. Dazu gehörten Techniken der Röntgen-, Licht-, Elektronenmikroskopie sowie der Tomographie. Möglich waren die Untersuchungen dank der engen Zusammenarbeit mit einem Partner aus der chemischen Industrie, dem Elektronenmikroskopiezentrum der ETH Zürich sowie dem Paul-Scherrer-Institut.

Bei vielen Verfahren sei die besondere Herausforderung das sorgfältige Vorbereiten der Proben gewesen, betont Pérez-Ramírez. Es galt, aus einem Pellet in tagelanger Präzisionsarbeit kleinste, für die Untersuchung verwendbare Stücke zu schneiden, ohne dabei die innere Struktur des Materials zu zerstören.

Neue Katalysatoren für die Petrochemie

«Unsere Bilder erlauben nun erstmals, die Verteilung der Komponenten in den Pellets zu überprüfen», sagt Pérez-Ramírez. Die Information, wie gleichmässig die Zeolith-Körner und das Bindemittel in den Pellets verteilt sind, sei wichtig, um die einwandfreie Leistung eines Katalysators zu bestimmen. Der Chemieingenieur plädiert dafür, in der Katalysatorforschung dem Entwicklungsschritt des Scale-up generell mehr Beachtung zu schenken und dabei die Tatsache besser zu berücksichtigen, dass Zeolith-Katalysatoren extrem komplexe Stoffe sind. «Unsere Visualisierungen sind dafür ein Grundstein», sagt er. Zum Einsatz kommen könnten sie zum Beispiel bei der Entwicklung neuer Katalysatoren für die Erdöl- und Erdgas-Chemie. Ein Forschungsprojekt, an dem Pérez-Ramírez beteiligt ist, sind neue Katalysatoren für die Gewinnung von Alkenen – einer Klasse sehr häufiger Grundchemikalien – aus Methanol, das als Biogas-Bestandteil immer bedeutender wird.

Literaturhinweis

Michell S, Michels NL, Kunze K, Pérez-Ramírez J: Visualisation of hierarchically structured zeolite bodies from macro to nano length scales. Nature Chemistry 2012, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1038/nchem.1403

 
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