Veröffentlicht: 18.07.12
Campus

Wie aus Speckstein Tiere werden

Wie wird aus einem Specksteinbrocken eine Schildkröte oder ein Herz? In den Sommerferien können Schülerinnen und Schüler an der ETH Zürich spielerisch die Forschung erfahren. Zum Beispiel im Bildhauerkurs der Erdwissenschaften.

Florian Meyer
Specksteine schneiden, feilen, formen und polieren: Seit 1993 ist der Bildhauerkurs der ETH-Erdwissenschaften bei Zürcher Schülerinnen und Schülern sehr beliebt. (Bild: Florian Meyer / ETH Zürich)
Specksteine schneiden, feilen, formen und polieren: Seit 1993 ist der Bildhauerkurs der ETH-Erdwissenschaften bei Zürcher Schülerinnen und Schülern sehr beliebt. (Bild: Florian Meyer / ETH Zürich) (Grossbild)

Konzentriert brüten die Studierenden an den Lerntischen über ihren Aufgaben. Entsprechend ruhig ist es in der Galerie über dem Lichthof im Gebäude der Erdwissenschaften, wo auch die focusTerra-Ausstellung zu Hause ist. Aus einem Raum strömt Stimmengewirr in den Innenhof. Zwanzig Kinder sind dort versammelt und bearbeiten Steine mit allerlei Werkzeugen.

Einem Bildhauer gleich sägen, schleifen, feilen, ritzen und polieren sie Specksteine. Mit einer Mohsschen Härte von 1 gehört Speckstein zu den weichsten Gesteinsarten. Feine Muster lassen sich sogar mit blossem Fingernagel in die Oberfläche kratzen. «Wow, der sieht aber schön aus», sagt ein Mädchen zu Bettina Gutbrodt, die einen Vogel mit ausgebreiten Flügeln in der Hand hält, «so einen will ich auch. Wie haben Sie den gemacht?»

Gutbrodt ist wissenschaftliche Museumspädagogin bei focusTerra an der ETH Zürich. Zusammen mit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Departements Erdwissenschaften und focusTerra betreut und unterstützt sie die Kinder. Der Kurs «Kleine Bildhauerin – Kleiner Bildhauer» ist Teil des «Ferienplauschs Zürich», dem Ferienprogramm der Pro Juventute Kanton Zürich.

Tiere sind das beliebteste Motiv

Vorlagen für eigene Skulpturen gibt es genug: Ausser Gutbrodts Vogelfigur finden die Kinder zahlreiche Vorbilder aus Tierbüchern oder sie können sich in der aktuellen Grönland-Ausstellung von focusTerra anregen lassen. In einer Vitrine sind dort moderne Speckstein-Skulpturen der Inuit zu sehen: Besonders eindrucksvoll ist der «Kinderfänger», eine mythische Figur, die der Sage nach nachts vor dem Iglu wacht und Kinder, die ausfliegen wollen, mit dem Lasso wieder einfängt.

Das häufigste Motiv im Specksteinkurs sind Tiere wie Hunde oder Schildkröten, gefolgt von Symbolen und Ringen. Sorgfältig feilt ein Mädchen an einem Herzen. Nicht nur handwerklich ist sie geschickt, sondern auch mediengewandt: «Sie, wieso wänd Sie das wüsse?», antwortet sie auf die Fragen des Redaktors, und für ein paar Augenblicke stehen nicht Speckstein und Ferienplausch, sondern die Berichterstattung über das Campus-Leben der ETH Zürich im Mittelpunkt des Gesprächs.

ETH-Specksteinkurs seit 1993 ein Hit

Während manche Kinder sich ein ruhiges Plätzchen suchen, um ungestört ihr Kunstwerk herzustellen, sammeln sich andere zu Gruppen und helfen sich gegenseitig. Bei manchen Werkzeugen allerdings sind sie auf die Hilfe der Erdwissenschaftlerinnen angewiesen: Hinten im Raum etwa beobachten zwei Mädchen, wie focusTerra-Leiterin Ulrike Kastrup einen Stein mit einem elektrischen Bohrer bearbeitet. Zwei Meter neben ihnen schneidet ein Junge mit der Säge eine Scheibe von einem Specksteinbrocken ab. «Formatieren» heisst das in der Fachsprache, erklärt Frowin Pirovino, Mitarbeiter des geologischen Instituts.

Pirovino ist sozusagen der Herr über die Arbeitsgeräte. Drei Kisten gefüllt mit Handwerkszeug hat er aufgetischt. Von Feilen, Meissel, Sägen, Hohlbohrern bis zu fein- und grobkörnigem Schleifpapier findet sich alles bereitgestellt, womit sich Speckstein zurechtformen lässt. Auch ein paar Dosen mit Lärchenherz-Balsam zum Polieren stehen bereit. Sachkundig berät er die Kinder, welches Werkzeug sich für Ihr Vorhaben am besten eignet.

Pirovino ist selbst ein «Urgestein» des Anlasses. Zum zwölften Mal betreut er den Speckstein-Bildhauerkurs, der seit 1993 vom Kurator der Mineralogisch-Petrographischen Sammlung, Peter Brack, organisiert wird und mit einer einzigen Ausnahme immer ausgebucht war. Noch heute sind beide mit Hingabe bei der Sache: «Die Kinderkurse sind eine tolles Angebot, das Schülerinnen und Schülern, wie man sieht, Spass macht», sagt Pirovino.

Ferienplausch an der ETH Zürich

Der Speckstein-Kurs «Kleine Bildhauerin - Kleiner Bildhauer» ist ein Teil des Sommerferienprogramms «Ferienplausch», das die Jugendorganisation Pro Juventute koordiniert. Die ETH Zürich ist an diesem Programm noch mit weiteren Kursen beteiligt.
So findet am 26. Juli 2012 der ETH-Experimentiertag zum Thema Wetter- und Klimaforschung statt, das die Stelle für Chancengleichheit von Frau und Mann der ETH Zürich (Equal!) und das ETH-Institut für Atomsphäre und Klima gemeinsam organisieren. Am Experimentiertag können Mädchen unter Anleitung von Meteorologinnen die Kunst der Wettervorhersage üben.
Vom 13. bis 17. August führt das Departement Informatik der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit dem Kinderlabor Küsnacht den Kurs «Computerspiele selbst entwickeln mit Scratch» durch. Dabei können Schülerinnen und Schüler mit der Programmiersprache Scratch eigene Animationen, Geschichten oder Spiele herstellen und spielerisch die Grundlagen der Computerprogrammierung kennenlernen.Informationen zu den Anlässen und Anmeldungen finden sich unter www.feriennet.ch.

Rahmen- und Kinderprogramm von focusTerra

Vom 11. Juli 2012 bis zum 17. Oktober führt focusTerra jeden zweiten Mittwoch den Kinder-Workshop «Kultur, Natur und Klima» durch. Das Rahmenprogramm zur Ausstellung «Quer durchs Grönlandeis – 100 Jahre Schweizer Grönlandforschung» umfasst daneben auch Veranstaltungen für Kinder und Menschen mit einer Behinderung: An der «Langen Nacht der Museen» (http://www.focusterra.ethz.ch/events/museumsnacht_2012) organisiert focusTerra im Rahmen ihres Programms «Was haben Schweizer Forscher in Grönland gesucht und gefunden?» den Workshop «Inuit-Kunst hautnah».Ab dem 19. November 2012 beginnt die Sonderausstellung «Fossil Art – eine Ausstellung zum Sehen und Fühlen», bei dem Kinder und Erwachsene, speziell auch blinde und sehbehinderte, unter anderem fossile Spuren im Gestein durch Ertasten erleben können: Zum Beispiel die Wischspuren, die ein urzeitlicher Fisch mit seinen Flossen hinterlassen hat.

 
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