Veröffentlicht: 12.06.12
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«Wasser ist ein Menschenrecht»

Wenn sich die Menschheit nicht bald etwas einfallen lässt, geht uns das Trinkwasser noch vor dem Erdöl aus. Das sagt Nestlé-Präsident Peter Brabeck-Letmathe. Seine Standpunkte lockten am Montagabend über 500 Personen ans «Wassergespräch» der ETH Zürich. Das Podium benannte viele Probleme – Lösungsansätze hingegen blieben rar.

Lukas Langhart
«30 Liter Wasser pro Tag sind ein Menschenrecht – jeder weitere Liter darf etwas kosten», sagt Peter Brabeck-Letmathe, Verwaltungsratspräsident von Nestlé, dem grössten Lebensmittelkonzerns der Welt. (Bild: Christian Lanz)
«30 Liter Wasser pro Tag sind ein Menschenrecht – jeder weitere Liter darf etwas kosten», sagt Peter Brabeck-Letmathe, Verwaltungsratspräsident von Nestlé, dem grössten Lebensmittelkonzerns der Welt. (Bild: Christian Lanz) (Grossbild)

Früher habe er einmal gedacht, die Wasserverschwendung lasse sich stoppen, indem man stets zu zweit unter die Dusche geht, sagt Nestlé-Verwaltungsratspräsident Peter Brabeck-Letmathe zu Beginn seines Inputreferats. Heute kennt er die wahren Wassersünder: Einerseits die Landwirtschaft, die ihre Pflanzen mit mehr als doppelt so viel Wasser versorgt wie eigentlich nötig, andererseits der westliche Mensch, der 30 Prozent seiner Nahrungsmittel einfach wegwirft. «Innovationen für einen effizienteren Umgang mit Wasser werden nur dann gefördert, wenn das Wasser einen Preis hat», sagt Brabeck. Davon ausgenommen sind für ihn dreissig Liter pro Tag – fünf Liter gegen den Durst, 25 Liter für ein Minimum an Hygiene. Diese täglichen dreissig Liter pro Person entsprechen laut Brabeck rund 1,5 Prozent der gesamten Wasserförderungsmenge. Und diese Menge an Wasser sei – egal, in welchem Land – «ein Menschenrecht, für das die Regierungen verantwortlich sind». Die restlichen 98,5 Prozent dürften hingegen einen Preis haben, so Brabeck.

Hang zu dubiosen Praktiken in Entwicklungsländern

Die Trinkwasserversorgung durch Private wurde im zweiten Referat des Abends vehement kritisiert. Laut Peter Niggli, Geschäftsleiter von Alliance Sud, der Arbeitsgemeinschaft der grössten Schweizer Hilfswerke, soll Wasser grundsätzlich als öffentliches Gut anerkannt werden – auch in Entwicklungsländern, wo das Wasser knapp ist. Ganz misstrauisch steht Niggli den sogenannten Public Private Partnerships gegenüber: «Wo Private mit dem Staat zusammenarbeiten, beobachtet man oft dubiose Praktiken.» Er sieht ein starkes Missverhältnis zwischen privaten Investitionen und dem Risiko, das die öffentliche Hand trägt. Privatisierung erfordere starke Regulierung, «doch schwache Staaten können keine starken Regulatoren sein», sagt Niggli. Stattdessen propagiert er Entwicklungshilfe in Form von «Public Public Partnerships»: Verwaltungen in Entwicklungsländern könnten beispielsweise von der Stadt Zürich lernen, wie man eine gesunde Trinkwasserversorgung gewährleistet.

In einem Punkt sind sich am «Wassergespräch 2012» alle Anwesenden einig: Die Forschung kann einen grossen Beitrag zur Lösung des Wasserversorgungsproblems leisten – beispielsweise mit modernen Wasseraufbereitungsanlagen oder Urinfiltersystemen für Outdoor-Toiletten. In einem dritten Referat betont Janet Hering, Direktorin des Wasserforschungsinstituts Eawag, dass jedoch auch die besten Technologien nichts nützen, wenn der gesellschaftliche und insbesondere der politische Wille zur Veränderung fehlen. «Unsere Technologien brauchen ein förderliches Umfeld», sagt Hering. Inwieweit diese Technologien bereits zur grossflächigen Anwendung bereitstehen, bleibt allerdings fraglich.

Auftrag an die ETH: Mehr Low-Tech, weniger High-Tech

In der anschliessenden Podiumsdiskussion stand vor allem Peter Brabeck unter Beschuss. Auf den impliziten Vorwurf, er wolle die gesamte Wasserversorgung privatisieren, entgegnete der Nestlé-Verwaltungsratspräsident: «Ich propagiere nicht die Privatisierung der Wasserversorgung, aber in der heutigen Form funktioniert einfach vieles nicht.» Nestlé habe ausserdem den eigenen Wasserverbrauch in den vergangenen zehn Jahren von viereinhalb Litern auf eineinhalb Liter pro US-Dollar Umsatz gesenkt. Brabecks Lösung für viele Probleme rund ums Wasser heisst denn auch, haushälterisch mit dieser Ressource umzugehen. «Die Diskussion, ob wir in der Schweiz Avocado und Spargel aus Peru essen sollen, ist doch völlig absurd, solange sowieso ein Drittel unserer Nahrungsmittel im Abfall landet», so Brabeck.

ETH-Präsident Ralph Eichler hörte aus einigen der diskutierten Punkte einen unmittelbaren Auftrag an die ETH heraus: «Es gibt viele Probleme, zu deren Lösung die ETH einen Beitrag leisten kann.» Eichler appellierte insbesondere an die Forscherinnen und Forscher der ETH, nicht nur High-Tech-Lösungen für die hiesige Industrie zu fördern, sondern auch die Low-Tech-Ansprüche der Entwicklungsländer zu berücksichtigen.

Mehr Diskussionen zum Thema Nachhaltigkeit

Das Wassergespräch 2012 bildete die dritte Ausgabe des «ETH-Gesprächs», einer Veranstaltungsreihe von ETH Sustainability, der Koordinationsstelle für Nachhaltigkeit der ETH Zürich. Das alle ein bis zwei Jahre stattfindende ETH-Gespräch hat zum Ziel, Diskussionen zum Thema Nachhaltigkeit zu versachlichen und eine Plattform für pragmatische Lösungsansätze zu bieten. Bereits am 22. Juni findet an der ETH Zürich die nächste Veranstaltung zum Thema Wasser statt: Der diesjährige Informationstag des Wasserforschungsinstituts Eawag trägt das Motto: «Lebensraum Wasser – was er leistet, was er braucht.» Anmeldeschluss ist der 15. Juni.