Veröffentlicht: 28.10.11
Science

Facebook massiv überbewertet?

Facebook ist höchstens halb so viel wert, wie bislang angenommen wurde. Das zeigt ein neues Berechnungsmodell der beiden ETH-Forscher Peter Cauwels und Didier Sornette, mit dem sie den Börsenwert des sozialen Netzwerkes neu einschätzen.

Peter Rüegg
Börsenwert nach unten korrigiert: Bei gleichbleibendem Benutzer-Wachstum dürfte Facebook 13,5 Milliarden Dollar wert sein, sagen ETH-Forscher. (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich)
Börsenwert nach unten korrigiert: Bei gleichbleibendem Benutzer-Wachstum dürfte Facebook 13,5 Milliarden Dollar wert sein, sagen ETH-Forscher. (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich) (Grossbild)

Die beiden Forscher schätzen den effektiven Unternehmenswert von Facebook auf 15 bis 33 Milliarden Dollar. In der einschlägigen Presse machen jedoch Zahlen von 66 bis 100 Milliarden die Runde. «Das ist eine deutliche Überbewertung», sagt Peter Cauwels. «Hier droht eine weitere Spekulationsblase.» Das habe es beim Internet schon einmal gegeben. Derzeit kursieren vor allem Gerüchte über den Wert des sozialen Netzwerks. «Um die Diskussion auf eine sachliche Ebene anzuheben, haben wir ein Modell entwickelt, mit dem wir den Wert von sozialen Netzwerken besser einschätzen können», betont Cauwels.

Zusammen mit Professor Didier Sornette von der Professur für Entrepreneurial Risks der ETH Zürich berechnete Cauwels den Wert von Facebook unter anderem anhand der Entwicklung der User-Zahlen, insbesondere dem erwarteten Nutzer-Zuwachs. Das reale Nutzer-Wachstum scheint sich nach steilem, unendlich scheinendem Anstieg abzuflachen und auf einem gewissen Niveau einzupendeln. Derzeit sind rund 750 Mio. Menschen weltweit auf Facebook eingetragen. «Die S-förmige Wachstumskurve ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass Facebook nicht ewig so weiterwächst und nun eine Sättigung eintritt», sagt Cauwels. Zudem berücksichtigten die Wissenschaftler den Reingewinn pro Facebook-User, der zurzeit bei einem US-Dollar liegt. Dazu liegen jedoch keine offiziellen Zahlen vor; die Wissenschaftler mussten sich deshalb auf Schätzungen abstützen, die in der Wirtschaftspresse wie Reuters und Bloomberg, kursieren.

«Nur» 15,3 Milliarden Dollar wert

Berechneten die Forscher den Wert von Facebook mit der gegenwärtigen Entwicklung der Benutzerzahl, die eine Milliarde nicht überschreiten wird, dann ist das soziale Netzwerk 15,3 Mia. US-Dollar wert. In einem mittleren Szenario mit grossem User-Wachstum und einer zukünftigen Nutzerzahl von über einer Milliarde wäre Facebook 20,2 Mia wert. Im Szenario mit extremem Wachstum, was mit beinahe 2 Milliarden Nutzern gleichzusetzen ist, würde der Wert des Netzwerks 32,9 Mia US-Dollar betragen.

Gemäss ihrem Modell müsste Facebook seinen Profit pro Benutzer vor dem Börsengang im Basisszenario um den Faktor drei bis sechs erhöhen, im zweiten Szenario um den Faktor 2,5 bis 5 und im dritten Szenario um 1,5 bis 3, will die Firma die aktuellen, weit verbreiteten hohen Erwartungen erfüllen.

Finanzmathematik und Physik gepaart

Die Bewertung von Cauwels und Sornette basiert auf einem finanzmathematischen Konzept der Abzinsung von Zahlungsströmen (Discounted Cash-Flow). Dies dient der Ermittlung des Kapitalwertes eines Unternehmens. Der ökonomische Wert von sozialen Netzwerken liegt in den Werbeanzeigen und den Benutzerprofilen, die (für Werbezwecke) verkauft werden können. Da Facebook keine anderen Werte als seine User und das damit verknüpfte Werbevolumen aufweist, reicht es, den durchschnittlichen Gewinn pro Nutzer sowie die Userzahlen zur Berechnung des Firmenwertes zu verwenden. Als Discount-Satz verwendeten die Forscher fünf Prozent. Die beiden ETH-Forscher haben für ihr Modell zudem Ansätze aus der Physik verwendet. Die Berechnungen lassen sich auf die Wirtschaft übertragen. Cauwels sagt, er habe überdies die Randbedingungen im Modell so gewählt, dass sie für Facebook vorteilhaft sind.

Neue dot.com-Blase

Das Kapital von Facebook wurde im Januar 2011 massiv aufgestockt. Mittlerweile stehen mehr als 500 Investoren hinter dieser Plattform. Das zwingt aber Mark Zuckerbergs Firma dazu, einen Rechenschaftsbericht über die Geschäfte anzufertigen, was Facebook nahe an eine öffentliche Gesellschaft heranrückt. «Weil das Unternehmen diesen Aufwand so oder so betreiben muss, dürfte der Börsengang nicht mehr weit sein», schätzt Cauwels. Den Rechenschaftsbericht muss Facebook im April 2012 vorlegen, danach erwartet der ETH-Forscher den Börsengang des Milliardenimperiums.

Dass Facebook zu einer Spekulationsblase werden könnte, ist nicht allein das Problem der Plattform, weiss Bankenspezialist Cauwels. Die Organisationen, die in Facebook investieren, erwarten vom Börsengang satte Gewinne.

«Investoren machen sogar Gewinne, indem sie dem Unternehmen zum Börsengang verhelfen», weiss er. Die Discount-Plattform www.groupon.com etwa zahlte den Investmentbanken, die ihr beim Börsengang geholfen haben, Schreibgebühren von über 30 Millionen Dollar.

Groupon wurde denn auch im Paper von Cauwels und Sornette, das demnächst in der Zeitschrift Portfolio Management erscheinen wird, ebenfalls unter die Lupe genommen. Der Wert dieser Internetfirma wird auf 30 Milliarden US-Dollar geschätzt, was mehr der Fantasie als der Realität entspricht. Gemäss Angaben der Firma gegenüber der Aufsichts- und Börsenkommission werden die Aktien zu einem Preis von 17 Dollar ausgegeben, was einem Gesamtwert von 11 Milliarden Dollar entsprechen wird. Groupon schreibt übrigens rote Zahlen und machte in diesem Jahr bereits 170 Millionen Dollar Verlust.