Veröffentlicht: 14.12.10
Science

Sieben auf einen Streich

Gleich sieben Professoren der ETH Zürich überzeugten mit ihren Forschungsprojekten den Europäischen Forschungsrat (ERC) und erhalten nun über fünf Jahre hinweg zwischen 2,6 und 3,2 Millionen Schweizer Franken für ihre Forschung.

Franziska Schmid
Sieben ETH-Professoren und ein Doppelprofesser ETH/Uni haben «ERC Advanced Grants» erhalten. Oben (v.l.): Paul Schmid-Hempel, Bradley Nelson, Vahid Sandoghdar, Matthias Peter. Unten (v.l.): Andreas Hierlemann, Sebastian Bonhoeffer, Michael Detmar und Richard Hahnloser (Uni/ETH). (Bilder: ETH Zürich)
Sieben ETH-Professoren und ein Doppelprofesser ETH/Uni haben «ERC Advanced Grants» erhalten. Oben (v.l.): Paul Schmid-Hempel, Bradley Nelson, Vahid Sandoghdar, Matthias Peter. Unten (v.l.): Andreas Hierlemann, Sebastian Bonhoeffer, Michael Detmar und Richard Hahnloser (Uni/ETH). (Bilder: ETH Zürich) (Grossbild)

Ende des Jahres werden die begehrten «ERC Advanced Grants» bekannt gegeben. Insgesamt fliessen rund 27 Millionen Schweizer Franken an EU-Fördergeldern an Forschende aus der Universität und der ETH Zürich. Neben zwei Kollegen von der Universität dürfen sich gleich sieben Professoren der ETH Zürich über hohe Forschungsbeiträge freuen – auffällig dabei: Eine Grosszahl der Projekte stammt aus dem Bereich Life Science oder könnte in unmittelbarer Zukunft einen medizinischen Nutzen bringen.

Sebastian Bonhoeffer, Professor am Institut für Integrative Biologie, möchte die Evolution von Resistenzen in unterschiedlichen biologischen Systemen – bei Viren, Bakterien bis hin zu Krebs – untersuchen. Das Ziel des Projektes ist, mit Hilfe von mathematischen Modellen und Computersimulationen ein tieferes Verständnis zu gewinnen, welche evolutionäre Dynamik den unterschiedlichen biologischen Systemen zugrunde liegt und ob diese miteinander vergleichbar sind. Dieser Vergleich schafft womöglich eine neue Grundlage, um lebenswichtige Medikamente so einzusetzen, dass weniger Resistenzen entstehen und die Medikamente länger verwendet werden können.

Zwei unterschiedliche Mechanismen regulieren das Zellwachstum und die Zellteilung: So kann ein lebender Organismus einerseits einzelne Proteine und anderseits grössere Proteinkomplexe oder gar ganze Zellbestandteile abbauen. Matthias Peter, Professor am Institut für Biochemie, untersucht mit seinem Team, wie defekte Abbauwege mit Krankheiten, wie virale und bakterielle Infektionen, Krebs, muskuläre Dystrophien und neurodegenerative Störungen, verknüpft sind. Das Projekt versucht mittels eines interdisziplinären Forschungsansatzes Komponenten und Regulation dieser wichtigen Abbauwege bei Hefe und menschlichen Zellen zu entschlüsseln.

Peptiden-Cocktails und Genaktivität von Krebsmetastasen

Infektionen durch Parasiten sind meist sehr spezifisch. Nur gewisse Stämme eines Erregers können einen Wirt infizieren und nicht alle Wirte zeigen die gleiche Abwehr. Man nimmt oft an, dass dies auf den unterschiedlichen Varianten von Immun-Genen des Wirts beruht. Paul Schmid-Hempel, Professor am Institut für Integrative Biologie, möchte mit seinem Projekt alternative Abwehrstrategien untersuchen. Am Beispiel von Insekten möchte sein Team zeigen, wie Infektionen spezifisch bekämpft werden. Dazu aktivieren die Forschenden die gleichen Gene der Insekten auf unterschiedliche Weise, sodass spezifische Cocktails von anti-mikrobiellen Peptiden – eine Art natürliche Antibiotika – produziert werden. Zudem soll untersucht werden, wie sich das auf die Populationsstruktur der Parasiten auswirkt.

Die Forschungsgruppe von Michael Detmar, Professor am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften entdeckte, dass Lymphgefässe eine wichtige Rolle in der Krebsabsiedlung und in chronischen Entzündungskrankheiten spielen. Im geförderten Projekt sollen neue bildgebende Verfahren zur nichtinvasiven Darstellung der Entzündung und der frühen Tumorabsiedlung entwickelt werden. Mit einem Hochdurchsatz-Screening-Verfahren möchten die Forschenden in Bibliotheken von chemischen Molekülen neue antientzündliche und antimetastatische Wirkstoffe finden. Umfangreiche Studien sollen die Genaktivität spezifischer Gefässzellen in Entzündungskrankheiten und in Krebsmetastasen zeigen und damit neue Krankheitsmechanismen charakterisieren. Insgesamt hat das Projekt das Ziel, neue Wirkstoffe und diagnostische Verfahren für Entzündungskrankheiten und Tumorerkrankungen zu entwickeln.

Mikrochip mit Hirnzellen und Mikrorobotiksysteme

Selbst Projekte, die beim Europäischen Forschungsrat unter der Kategorie «Physical & Engineering» eingereicht wurden, könnten eines Tages in der Medizin oder in der Diagnostik eingesetzt werden, wie das ERC-Projekt von Andreas Hierlemann, Professor am Departement Biosysteme (D-BSSE) in Basel: Hirnzellen sollen direkt auf einem Mikroelektronikchip platziert oder kultiviert werden. Mikroelektroden mit nur fünf bis sieben Mikrometer Durchmesser können dann die Signale jeder Zelle aufzeichnen und die Zellen stimulieren. Das Forschungsteam entwickelt einerseits die multifunktionalen Elektronikchips und die Auswertealgorithmen, die von grosser Bedeutung sind, da der Chip pro Minute etwa zwei Gigabyte Daten liefert. Ziel ist aber auch, mit dem Chip biologische Vorgänge auf der Netzhaut und die Plastizität in Netzwerken von Hirnzellen zu untersuchen.

Das Forschungsteam um Bradley Nelson, Professor am Institut für Robotik und Intelligente Systeme, kann auf einige Erfahrung zurückgreifen: So haben sie zum Beispiel die «Artificial Bacterial Flagella» - eine künstlich begeisselte Bakterie – erfunden, hergestellt und zum Schwimmen gebracht. Ziel des eingereichten Projekts «Microrobotics and Nanomedicine» soll sein, bisherige Entwicklungen und Technologien in ein komplettes Mikrorobotiksystem zu integrieren, sodass Sie sich optimal ergänzen. Diese Systeme könnten eines Tages Medikamente transportieren, die Diagnose unterstützen oder Gewebe entweder herausschneiden oder reparieren.

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge nimmt die ETH Zürich den ERC-Grant von Professor Vahid Sandoghdar vom Laboratorium für Physikalische Chemie zur Kenntnis: So sollen bei seinem ERC-Forschungsprojekt erstmals einzelne Ionen in einem Kristall optisch detektiert werden; Ionen im Festkörper sind interessant für eine Reihe von technologischen Anwendungen. Da Vahid Sandoghdar aber die ETH Zürich bald verlässt, wird das Forschungsprojekt wohl am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen umgesetzt werden.

Last, but not least sei erwähnt, dass Professor Richard Hahnloser vom Institut für Neuroinformatik ebenfalls einen ERC Advanced Grant erhalten hat. Richard Hahnloser ist sowohl für die Universität wie auch für die ETH Zürich tätig.

ERC Advanced Grants

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council - ERC) finanziert als EU-Institution die Grundlagenforschung und verfügt über zwei Förderungsmittel: die «ERC Starting Grants» für junge innovative Forscher, die eine neue Forschungsgruppe aufbauen wollen und die «ERC Advanced Grants». Die «ERC Advanced Grants» werden jeweils am Ende eines Jahres an bereits etablierte Spitzenforscher vergeben und sind damit auch als Auszeichnung zu verstehen. Ziel ist Forschungspersönlichkeiten aus allen wissenschaftlichen Disziplinen zu unterstützen und so ihren Spielraum für wissenschaftliche Kreativität zu vergrössern. Auf fünf Jahre ausgerichtet können bis zu 3,5 Millionen Euro an ein einzelnes Forschungsprojekt vergeben werden, das von den Forschenden eingereicht werden muss.

 
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