Veröffentlicht: 22.11.10
Science

Namib-Sandwüste überdauert Klimaschwankungen

Die afrikanische Wüste Namib ist etwa 80 Millionen Jahre alt. Die eigentliche Sandwüste ist jedoch jünger und unterlag im Zeitalter des Quartärs, das vor rund 2,6 Millionen Jahren begann, weltweiten Klimaschwankungen. Diese scheinen keine Auswirkung auf die Sandwüste, deren Sande laut einer neuen Studie mindestens eine Million Jahre alt sind, gehabt zu haben.

Simone Ulmer
Der Sand, welcher die Sanddünen der Wüste Namib formen, liegt seit mindestens einer Million Jahren dort. (Bild flickr/Martin Heigan)
Der Sand, welcher die Sanddünen der Wüste Namib formen, liegt seit mindestens einer Million Jahren dort. (Bild flickr/Martin Heigan) (Grossbild)

Die malerischen Sanddünen der Wüste Namib ziehen den Betrachter in ihren Bann. Ein Mekka für jeden Forscher dürfte man meinen, vor allem, weil es noch viele Fragen zu beantworten gibt. Etwa, woher der Sand kommt und wie lange er bereits in der Wüste ist. Doch die Studien sind nicht nur technologisch, sondern auch logistisch eine Herausforderung. Einerseits, weil nicht jeder beliebige Ort in der Wüste für eine engmaschige Probenentnahme einfach zu erreichen ist, andererseits, weil Abschnitte der Wüste im Diamantenminen-Sperrgebiet liegen, sagt Florian Kober, Oberassistent am Institut für Geologie und Institut für Geochemie und Petrographie der ETH Zürich.

Liefergebiet und Mindestverweildauer bestimmt

Kober ist Mitautor einer kürzlich in «Nature Geoscience» erschienenen Studie, in der es Forschern gelang, bisher unbekannte Details über den Sand herauszufinden: Sie konnten das Liefergebiet des Sandes und somit dessen Transportrichtung bestimmen, aber auch die Zeit, die es braucht, den Sand bis etwa 400 Kilometer weit in den Norden zu verfrachten. Zudem bestimmten sie die Mindestverweildauer der Sande in den Dünen.

Die Vermutung lag nahe, dass der Sand aus dem Flussbett des Oranje stammt, der südlich der Namib von Ost nach West verläuft und schliesslich in den Atlantik mündet. Die Wissenschaftler bestätigten diese Vermutung anhand von vier Sandproben – eine aus der Oranje-Mündung und drei entlang des nahen Küstenbereiches –, bei denen die Altersdatierungen mit der Uran-Blei-Methode an Zirkon-Kristallen ein ähnliches Alter aufwiesen. Dies weise laut den Wissenschaftlern auf den Oranje als Sandquelle und somit auch auf die Transportrichtung hin. Der Sand wird demnach vom Flussbett mit den starken Passatwinden nach Norden verfrachtet und häuft sich in etwa 100 Meter hohen Sanddünen auf, entlang der Küste auf einer Fläche von 34‘000 Quadratkilometern. Weitere acht Proben, die im Landesinneren genommen wurden, weichen im Alter ab, was auf ein anderes Liefergebiet schliessen lässt, aber noch genauer untersucht werden müsse, sagt Kober.

Kosmische Strahlung nutzen

Um zu bestimmen, wie lange die Sandkörner von ihrem Ursprungsort bis zu ihrem Ablagerungsort brauchten, nutzen die Wissenschaftler den Einfluss der kosmischen Strahlung auf die oberflächennahen Quarzkörner des Sandes. Solange die kosmische Strahlung auf das Quarzkorn auftrifft – sie reicht bis maximal zwei Meter unter die Erdoberfläche – reichern sich Aluminium-26 und Beryllium-10 im Korn an. Sind die Sandkörner aber genügend tief vergraben, beginnt der radioaktive Zerfall der Isotope. Da beide Isotope eine unterschiedliche Halbwertszeit haben, verändert sich während des Zerfalls ihr Verhältnis zueinander. Über die unterschiedlichen Isotopenverhältnisse der Proben aus dem Süden und aus dem Norden konnten die Forscher schliesslich bestimmen, dass die Sandkörner seit mindestens einer Million Jahren in der Wüste sind. Das «Vergrabungsalter» entspricht gleichzeitig der Zeit, die das Sandkorn von Süden nach Norden braucht, sagt Kober.

Die Menge der neuen Isotope, die während des Transports der Sandkörner gebildet werden würden, sei vernachlässigbar, schreiben die Forscher. Unter anderem, weil die geometrischen Bedingungen der Dünen, in denen die Sandkörner trotz Umlagerung immer wieder tief vergraben werden, eine starke «Neu-Anreicherung» verhindern würden. Um diese Theorie abzusichern, zogen die Wissenschaftler das stabile Isotop Neon-21 heran. Auf der Reise des Sandkorns von Süden nach Norden zerfällt das Isotop nicht, wenn das Sandkorn von kosmischer Strahlung abgeschirmt ist. Ist es ihr aber ausgesetzt, kann es sich weiter anreichern. Das heisst, Neon bleibt konstant, oder nimmt zu. Die gemessenen Werte der vier Proben waren nahezu konstant und bestätigen somit den Forschern die Annahme, dass die kosmische Strahlung die Sandkörner auf ihrer langen Reise kaum beeinflusste.

Befunde stehen im Widerspruch zum damaligen Klima

Dass die Sande seit mindestens einer Million Jahren in der Sandwüste sind, ist für die Forscher überraschend, denn in diesem Zeitraum wechselten sich weltweite Kalt- und Warmzeiten ab. Auch in der Namib sollte deshalb ein Wechsel zwischen trockenen und feuchten Perioden erkennbar sein, durch Zeiten in denen die Sandwüste praktisch keinen Sand hatte. «Unsere Studie zeigt aber, dass dies nicht der Fall gewesen sein kann», sagt Kober. Um dies weiter zu verifizieren und Fragen zu klären, wie mobil oder stabil etwa die Dünen während der Verweildauer des Sandes in der Namib-Sandwüste waren, wollen die Forscher noch weitere Proben aus dem Zentrum der Sandwüste nehmen.

Literaturhinweis

Vermeesch P et al.: Sand residence times of one million years in the Namib Sand Sea from cosmogenic nuclides, Nature Geoscience Published online: 31 October 2010 | doi:10.1038/ngeo985

 
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