Veröffentlicht: 26.07.10
Science

Heisenberg austricksen

Physiker haben einen Weg gefunden, mit dem sie das Heisenbergsche Unschärfeprinzip «ausschalten» können. Da dieses die Genauigkeit von Voraussagen einschränkt, die auf rein klassischen Daten basieren, setzen sie gänzlich auf quantenmechanisches Arbeiten.

Simone Ulmer
Werner Heisenberg formulierte 1927 die nach dem Forscher benannte Heisenbergsche Unschärferelation. Der Nobelpreisträger ist einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts. (Bild: ETH Zürich)
Werner Heisenberg formulierte 1927 die nach dem Forscher benannte Heisenbergsche Unschärferelation. Der Nobelpreisträger ist einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts. (Bild: ETH Zürich) (Grossbild)

Mit Hilfe der klassischen Physik kann eine Planetenkonstellation präzise berechnet werden. Somit können Wissenschaftler beispielsweise voraussagen, wann es zu einer Sonnen- oder Mondfinsternis kommt. Vergleichbares ist im atomaren Bereich nur begrenzt möglich. Zumindest besagt dies das Heisenbergsche Unschärfeprinzip, laut welchem in der Quantenmechanik etwa der Ort und Impuls (Geschwindigkeit multipliziert mit seiner Masse) eines Elektrons in Bezug zu seinem Atomkern nicht beliebig genau bestimmbar ist. Eine Kollaboration von Physikern der ETH Zürich, der Ludwig-Maximilian-Universität München und der Universität Darmstadt, hat nun eine Theorie entwickelt und in mathematischen Formeln beschrieben, wie diese Unschärferelation unter bestimmten Bedingungen nahezu ausser Kraft gesetzt wird: Wenn Daten zur Simulation eines bestimmten Problems «quantenmechanisch» erfasst und über einen Quantencomputer weiterverarbeitet werden.

Wertvollere Quanteninformation

Die Heisenbergsche Unschärfe setzt dort ein, wo aufgrund klassischer Daten Voraussagen über quantenmechanische Messgrössen getroffen werden. Sie entsteht dadurch, dass es in der Quantenmechanik keine klar definierten Zustände von 0 und 1 wie auf einem Bit eines klassischen Computers gibt, sondern gleichzeitig mehrere Möglichkeiten bestehen können. «Wenn wir die vorhandenen Informationen eines Teilchens in einem Quantenspeicher sammeln, sind diese Informationen deshalb fundamental wertvoller als die klassisch gesammelten Informationen», sagt Renato Renner, Assistenzprofessor für theoretische Physik an der ETH Zürich und Mitautor der Studie. Diese Quanten-Daten erlauben dann theoretisch beliebig genaue Voraussagen von Messgrössen, und die Heisenbergsche Unschärfe wird damit beliebig klein.

Dass eine solche Vorgehensweise möglich sein könnte, zeigte bereits eine Studie aus dem Jahr 2004, bei der ein Quantenspeicher für Licht experimentell generiert wurde. Ein Quantenspeicher und quantenmechanisch erfasste Daten könnten durchaus Realität werden, sagt Renner: «Unsere Formel erlaubt dann zu quantifizieren, wie gross die Unschärfe in diesem Fall noch ist.»

Die Wissenschaftler - dazu gehört auch Matthias Christandl, der zuvor von München aus an der Studie beteiligt war und im Juni eine SNF-Professur an der ETH Zürich antrat - sind überzeugt, dass diese Methode verschiedenste Anwendungen hat, insbesondere in der Quanten-Kryptographie. Die Sicherheit von Quanten-Kryptographie wird nämlich oft mit dem Heisenbergschen Unschärfeprinzip begründet. Diese Begründung funktioniert aber nicht mehr, wenn beispielsweise ein Angreifer selbst einen Quantencomputer verwendet. Die neuen Resultate werden es erlauben, diese Lücke zu schliessen, davon ist Renner überzeugt.

«Quanten-Bausteine» vorhersagen

Mit der Formel können Quantenwissenschaftler künftig auch quantenmechanische Bausteine, wie etwa Transistoren, auf ihre Eigenschaften testen. Bis anhin ist es nämlich schwierig nachzuweisen, dass solche Bausteine, die es dereinst vielleicht ermöglichen, einen Quantencomputer zu bauen, auch wirklich die Bedingungen eines «Quanten-Bausteins» erfüllen. Die Formel ermöglicht den Wissenschaftlern, den Spiess nun quasi umzudrehen. Erlaubt ein solcher Baustein nämlich, Messgrössen mit einer Genauigkeit vorauszusagen, wie sie gemäss dem Heisenbergschen Prinzip nicht erreicht werden kann, so muss der Baustein notwendigerweise quantenmechanisch sein.

Literaturhinweis:

Berta M, Christandl M, Colbeck R, Renes JM & Renner R: The uncertainty principle in the presence of quantum memory, Nature Physics advance online Publication 35. Juli 2010, DOI: 10.1038/NPHYS1734

 
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