Veröffentlicht: 20.05.10
Science

Neue Rolle für Protektions-Tausendsassa

Das Protein Nrf2 spielt in vielen Wundheilungsprozessen sowie beim Schutz vor Krebsentstehung eine wichtige Rolle. Zellbiologen der ETH Zürich haben diesem molekularen Schalter, der zahlreiche Gene anschaltet, die Zellen vor Stress schützen, nun eine bisher unbekannte Rolle zuordnen können: Er verhindert in der Haut Zellschäden, die durch UVB-Strahlen des Sonnenlichts entstehen können.

Peter Rüegg
Sonnenbad mit Folgen: UVB-Strahlen dringen in die Haut ein und verursachen Schäden an den Zellen bis hin zu Krebswucherungen (Bild: MikeSchinkel / flickr.com)
Sonnenbad mit Folgen: UVB-Strahlen dringen in die Haut ein und verursachen Schäden an den Zellen bis hin zu Krebswucherungen (Bild: MikeSchinkel / flickr.com) (Grossbild)

UVB-Strahlen sind gefährlich, weil sie Hautkrebs verursachen können. Einerseits schädigen sie die Erbsubstanz, die DNS, direkt, andererseits entstehen unter ihrem Einfluss in der Zelle hoch reaktive Moleküle, die Sauerstoff-Radikale. Diese wiederum beschädigen Zellmembranen oder können die Stränge der DNS attackieren und zerbrechen. Kommt die Zelle mit den Reparaturarbeiten an der Erbsubstanz nicht mehr nach, kann sie entarten. Die Folge: gefährliche Tumore.

Die Haut ist der UVB-Strahlung jedoch nicht schutzlos ausgeliefert. Zellen der Oberhaut, so genannte Keratinozyten, haben bemerkenswerte Strategien, um die Schäden an Erbsubstanz, Proteinen und Membranen zu reparieren oder gar zu verhindern.

Schlüsselfaktor gegen UVB-Schäden

Hier kommt Nrf2 ins Spiel. Dieses Protein ist seit längerem als wichtiger Mitspieler bei der Wundheilung bekannt und hat in vielen Stress-Situationen eine zentrale Schutzfunktion. Forschende um Sabine Werner, Professorin für Zellbiologie der ETH Zürich, konnten diesen Eiweissstoff nun auch als Schlüsselfaktor bei der Antwort der Haut auf UVB-Strahlen identifizieren.

Der Proteinschalter Nrf2 ist ein so genannter Transkriptionsfaktor. Solche Proteine schalten ganz bestimmte Gene an, die die Zelle in einer spezifischen Situation braucht. Trifft nun UVB auf die Haut auf, ist diese durch eine Vielzahl von Nrf2 ausgelösten Mechanismen geschützt. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Schutzmolekül Glutathion (GSH), das aus drei Aminosäuren zusammengesetzt wird. GSH fängt die aggressiven Radikale ein und macht sie unschädlich. Dieser Schutzmechanismus dehnt sich auch auf benachbarte Zellen aus.

(K)ein Paradox

Weiter haben die Wissenschaftler beobachten können, dass die Konzentration von Nrf2 in der Haut von aussen nach innen abnimmt. Dadurch sterben die inneren Hautzellen unter UVB-Einfluss schneller ab als die äusseren – scheinbar ein Paradox.

Denn eigentlich würde man erwarten, dass die äusseren Hautzellen dem schädlichen Einfluss der UVB-Strahlung stärker ausgesetzt sind als die inneren und eher zugrunde gehen sollten als diese, die überdies durch unzählige Teilungen Hautzellen-Nachwuchs liefern müssen. Doch das Paradox macht im Licht der neuen Erkenntnisse Sinn. Die oberste Hautschicht garantiert die Integrität der Haut. Also muss sie erhalten bleiben, was die hohe Produktion von Nrf2 erklärt. Nicht so in den Haut-Stammzellen, in der innersten Schicht. Sobald diese Zellen zu stark mit UVB-Strahlen in Kontakt gekommen sind und sich Schäden einstellen, welche die Zelle nicht mehr reparieren kann, müssen sie sterben. Dies verhindert, dass die Schäden an ihre Nachkommen weitergeben werden. Die untere Schicht wird denn auch von der oberen normalerweise mit geschützt. Trifft jedoch UVB Strahlung auf die Haut, reicht dieser Schutz in der inneren Schicht nicht aus und die Zellen sterben, bevor gefährliche Schäden akkumulieren können.

Brokkoli-Extrakt gegen Sonnenschäden?

Bereits früher konnten Forscher zeigen, dass Nrf2 aktiviert wird, wenn die Haut mit Brokkolisprossen-Extrakt in Kontakt kommt. In diesem Extrakt ist interessanterweise der Stoff Sulforaphan enthalten, welcher unter anderem Nrf2 aktiviert. Die Wissenschaftler sehen aufgrund dieser und ihrer neuen eigenen Befunde in der Aktivierung von Nrf2 eine nützliche Strategie, um durch UVB-Strahlung ausgelöste Hautschäden zu verringern.

«Dieser Mechanismus ist interessant, da er allenfalls pharmakologisch genutzt werden könnte», sagt Matthias Schäfer, Oberassistent in der Gruppe von Sabine Werner und Erstautor der Studie. Dass daraus auch schon ein Wirkstoff für eine zukünftige Sonnencrème wird, sieht er hingegen skeptisch. Zuerst müsse geklärt werden, wie stark und wie oft Nrf2 aktiviert werden dürfe, damit es seinerseits der Haut nicht schade. Beobachtungen an Mäusen zeigen den Forschern nämlich, dass die Haut mit zunehmender Aktivierung von Nrf2 schuppig wird. Dennoch sprechen die neuen Befunde dafür, dass die Entwicklung besserer und spezifischerer Nrf2-Aktivatoren eine wichtige Strategie für den Schutz vor UV-Schäden sein könnte.

Literaturhinweis

Schäfer M et al. Nrf2 establishes a glutathione-mediated gradient of UVB cytoprotection in the epidermis. Genes&Development 24: 1045-1058. Article published online. DOI:10.1101/gad.568810

 
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