Bei König Abdullah zu Besuch
Eine Uni mit hochgesteckten Zielen: Von ihren ersten Eindrücken an der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) berichtet die Geophysikerin Sabrina Metzger. Sie ist für knapp drei Monate Gastdoktorandin an der KAUST, nahe Jeddah, an der Westküste Saudi-Arabiens.
Auf meinem Bildschirm habe ich zwei kleine
Wetterapplets installiert. Das linke zeigt 34 Grad, Sonne, das rechte meldet 5
Grad, Regen. Durch das Fenster sehe ich Palmen, blaues Meer (wieso heisst es
eigentlich Rotes Meer?) und einen makellos blauen Himmel wie aus dem
Ferienprospekt. Zwischen mir und Zürich liegen 2500 Kilometer, fast 30 Grad
Temperaturunterschied und eine fette Wolkenwand. Wobei die 30 Grad eigentlich
übertrieben sind. Im klimatisierten Büro ist es so saukalt, dass mir die Nase
läuft und die Flip-Flop-umfassten Füsse dem Tod durch Erfrieren nahe sind. Man
könnte meinen, hier werden Leichen gekühlt anstatt Hochleistungsrechner.
In der Wiege des Islams
Seit fast sechs Wochen bin ich als Gastdoktorandin zu Besuch an der King
Abdullah University of Science and Technology, kurz KAUST, an der Westküste
Saudi-Arabiens. Ich habe das Glück/Pech, dass mein Betreuer während meiner
Dissertation die ETH verlassen hat und als Associate Professor hier, in der
Wiege des Islams, eine neue Forschungsgruppe aufbauen wird. Zwecks besserer
Zusammenarbeit lud er mich als Gast für drei Monate in dieses hochspannende
Forschungsinstitut ein.
Die KAUST ist nicht irgendeine arabische Universität. Die KAUST ist ein Experiment,
ausgedacht und finanziert von König Abdullah bin Abdul Aziz, dessen
langfristiges Ziel es ist, den Exodus junger, talentierter Studenten aus dem
Königreich zu mindern und den Wirtschaftsstandort Saudi-Arabien zu fördern. Ja,
auch dem König ist schon längst klar, dass unter seinen Palästen keine unbegrenzten
Ölvorkommen liegen; Innovationen sind daher erwünscht.
Luxus unter der Sonne
Wie eine Fata Morgana im Niemandsland liegt der Uni-Campus nördlich von Jeddah
an der Küste. Unberührte Korallenriffs vor der Haustüre, Schulen, Sport- und
Shopping-Zentren, Beauty-Salon, Golfplatz und Jachthafen sollen den
Uni-Angestellten und ihren Liebsten das Leben versüssen. Wo man hinblickt, glänzt
der Luxus in der Sonne. Dank einer grosszügigen Stiftung (eine 10-stellige Zahl
soll es sein) kann sich die Uni nebst der erstklassigen Infrastruktur auch gute
Saläre, Stipendien, exzellent ausgerüstete Labors und atemberaubende
Forschungsprojekte leisten. Nur so können auch Top-Forscher und -Studenten aus
dem Ausland angeworben werden. Und die braucht es, um die KAUST möglichst rasch
an die universitäre Weltspitze zu katapultieren. So wurde nämlich das
unbescheidene Ziel dieser Reissbrett-Akademie formuliert.
Nach nur 2 (!) Jahren Bauzeit öffnete die frischgebackene Alma Mater im letzten
Sommer ihre Tore und startete den ersten Ausbildungs-Zyklus. Vorerst lebt nur
ein Bruchteil der möglichen Anzahl Studenten und Angestellten auf dem Gelände
und - mir fällt kein anderer Vergleich ein - dient als Versuchskaninchen. Mit
jedem Jahr wird die Gemeinde wachsen, bis nach etwa fünf Jahren die volle
Kapazität erreicht ist.
Noch nicht perfekt
Aber die Dinge stehen noch lange nicht so, wie sie in den glänzenden
KAUST-Prospekten beworben werden. Im Alltag mangelt es noch an allen Ecken und
Enden. Viel zu schnell musste alles bereit sein, was zu grossem Pfusch führte.
Der staatliche Öl-Gigant Saudi Aramco, zuständig für den ganzen
nicht-akademischen Teil des Campus-Betriebs, bestückte die Räume mit breiten
Ledersesseln und Konferenztischen anstatt mit Tafeln und Projektoren. Und
generell verlangsamt der grosse Kulturunterschied zwischen Morgen- und
Abendland ein reibungsloses Vorwärtskommen. Ich wusste nicht, wie sehr das Verständnis
von Werten wie Lebensstil, sozialem Verhalten und Arbeitsmoral in den diversen
Kulturen auseinanderdriftet.
Trotz des leicht spürbaren Gefängnis- oder Disney-Land-Charakters wird es aber
eine äusserst spannende Zeit, hier, in diesem arabisch-westlich vermischten Vexier-Bild, da bin ich mir sicher. Und ich werde jeden Tag mit Freuden
geniessen, an dem mein Wetter-Applet auf dem Bildschirm 34 Grad, Sonne,
anzeigt.
Zur Autorin
Sabrina Metzger studierte an der ETH Zürich Interdisziplinäre
Naturwissenschaften. Anschliessend arbeitete sie beim Schweizerischen
Erdbebendienst. Dort untersuchte sie Mikrobeben, die
in der Nähe des im Bau stehenden Gotthard-Basis-Tunnel auftreten können. Danach
wechselte sie zur Spectraseis Technologie AG, einem Spin-off der Uni Zürich. Seit Frühjahr 2008 promoviert sie am Institut für Geophysik der ETH Zürich.
Zur Zeit
weilt Metzger als Gastwissenschaftlerin in Saudi Arabien, an der neu
gegründeten King Abdullah University of Science and Technology (KAUST), da
ihr Betreuer, der isländische Geophysiker Sigurjón Jónsson, von der
ETH Zürich an die KAUST wechselte.
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