Veröffentlicht: 12.03.10
Globetrotter

Bei König Abdullah zu Besuch

Eine Uni mit hochgesteckten Zielen: Von ihren ersten Eindrücken an der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) berichtet die Geophysikerin Sabrina Metzger. Sie ist für knapp drei Monate Gastdoktorandin an der KAUST, nahe Jeddah, an der Westküste Saudi-Arabiens.

Sabrina Metzger
Sabrina Metzger berichtet von der King Abdullah University of Science and Technology in Saudi Arabien. (Bild: Metzger)
Sabrina Metzger berichtet von der King Abdullah University of Science and Technology in Saudi Arabien. (Bild: Metzger) (Grossbild)

Auf meinem Bildschirm habe ich zwei kleine Wetterapplets installiert. Das linke zeigt 34 Grad, Sonne, das rechte meldet 5 Grad, Regen. Durch das Fenster sehe ich Palmen, blaues Meer (wieso heisst es eigentlich Rotes Meer?) und einen makellos blauen Himmel wie aus dem Ferienprospekt. Zwischen mir und Zürich liegen 2500 Kilometer, fast 30 Grad Temperaturunterschied und eine fette Wolkenwand. Wobei die 30 Grad eigentlich übertrieben sind. Im klimatisierten Büro ist es so saukalt, dass mir die Nase läuft und die Flip-Flop-umfassten Füsse dem Tod durch Erfrieren nahe sind. Man könnte meinen, hier werden Leichen gekühlt anstatt Hochleistungsrechner.

In der Wiege des Islams

Seit fast sechs Wochen bin ich als Gastdoktorandin zu Besuch an der King Abdullah University of Science and Technology, kurz KAUST, an der Westküste Saudi-Arabiens. Ich habe das Glück/Pech, dass mein Betreuer während meiner Dissertation die ETH verlassen hat und als Associate Professor hier, in der Wiege des Islams, eine neue Forschungsgruppe aufbauen wird. Zwecks besserer Zusammenarbeit lud er mich als Gast für drei Monate in dieses hochspannende Forschungsinstitut ein.

Die KAUST ist nicht irgendeine arabische Universität. Die KAUST ist ein Experiment, ausgedacht und finanziert von König Abdullah bin Abdul Aziz, dessen langfristiges Ziel es ist, den Exodus junger, talentierter Studenten aus dem Königreich zu mindern und den Wirtschaftsstandort Saudi-Arabien zu fördern. Ja, auch dem König ist schon längst klar, dass unter seinen Palästen keine unbegrenzten Ölvorkommen liegen; Innovationen sind daher erwünscht.

Luxus unter der Sonne

Wie eine Fata Morgana im Niemandsland liegt der Uni-Campus nördlich von Jeddah an der Küste. Unberührte Korallenriffs vor der Haustüre, Schulen, Sport- und Shopping-Zentren, Beauty-Salon, Golfplatz und Jachthafen sollen den Uni-Angestellten und ihren Liebsten das Leben versüssen. Wo man hinblickt, glänzt der Luxus in der Sonne. Dank einer grosszügigen Stiftung (eine 10-stellige Zahl soll es sein) kann sich die Uni nebst der erstklassigen Infrastruktur auch gute Saläre, Stipendien, exzellent ausgerüstete Labors und atemberaubende Forschungsprojekte leisten. Nur so können auch Top-Forscher und -Studenten aus dem Ausland angeworben werden. Und die braucht es, um die KAUST möglichst rasch an die universitäre Weltspitze zu katapultieren. So wurde nämlich das unbescheidene Ziel dieser Reissbrett-Akademie formuliert.

Nach nur 2 (!) Jahren Bauzeit öffnete die frischgebackene Alma Mater im letzten Sommer ihre Tore und startete den ersten Ausbildungs-Zyklus. Vorerst lebt nur ein Bruchteil der möglichen Anzahl Studenten und Angestellten auf dem Gelände und - mir fällt kein anderer Vergleich ein - dient als Versuchskaninchen. Mit jedem Jahr wird die Gemeinde wachsen, bis nach etwa fünf Jahren die volle Kapazität erreicht ist.

Noch nicht perfekt

Aber die Dinge stehen noch lange nicht so, wie sie in den glänzenden KAUST-Prospekten beworben werden. Im Alltag mangelt es noch an allen Ecken und Enden. Viel zu schnell musste alles bereit sein, was zu grossem Pfusch führte. Der staatliche Öl-Gigant Saudi Aramco, zuständig für den ganzen nicht-akademischen Teil des Campus-Betriebs, bestückte die Räume mit breiten Ledersesseln und Konferenztischen anstatt mit Tafeln und Projektoren. Und generell verlangsamt der grosse Kulturunterschied zwischen Morgen- und Abendland ein reibungsloses Vorwärtskommen. Ich wusste nicht, wie sehr das Verständnis von Werten wie Lebensstil, sozialem Verhalten und Arbeitsmoral in den diversen Kulturen auseinanderdriftet.

Trotz des leicht spürbaren Gefängnis- oder Disney-Land-Charakters wird es aber eine äusserst spannende Zeit, hier, in diesem arabisch-westlich vermischten Vexier-Bild, da bin ich mir sicher. Und ich werde jeden Tag mit Freuden geniessen, an dem mein Wetter-Applet auf dem Bildschirm 34 Grad, Sonne, anzeigt.

Zur Autorin

Sabrina Metzger studierte an der ETH Zürich Interdisziplinäre Naturwissenschaften. Anschliessend arbeitete sie beim Schweizerischen Erdbebendienst.  Dort untersuchte sie Mikrobeben, die in der Nähe des im Bau stehenden Gotthard-Basis-Tunnel auftreten können. Danach wechselte sie zur Spectraseis Technologie AG, einem Spin-off der Uni Zürich. Seit Frühjahr 2008 promoviert sie am Institut für Geophysik der ETH Zürich.

Zur Zeit weilt Metzger als Gastwissenschaftlerin in Saudi Arabien, an der neu gegründeten King Abdullah University of Science and Technology (KAUST), da ihr Betreuer, der isländische Geophysiker Sigurjón Jónsson, von der ETH Zürich an die KAUST wechselte.

 
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