Veröffentlicht: 12.09.08
Informatik

Die Playmobil Ritterburg einmal anders

Mit Hilfe verschiedener Technologien haben ETH-Studenten die Ritterburg von Playmobil mit multimedialen Inhalten erweitert. Die daraus entstehende interaktive Lernumgebung soll das freie Spiel von Kindern bereichern.

Saskia Wegmann
Die multimediale Spielumgebung für Kinder: Die Ritterburg und ihr Innenleben. (Bild: Distributed Systems Group)
Die multimediale Spielumgebung für Kinder: Die Ritterburg und ihr Innenleben. (Bild: Distributed Systems Group) (Grossbild)

Sie ist in zahlreichen Kinderzimmern auf der ganzen Welt zu finden: Die Ritterburg von Playmobil. Sie ist beliebig erweiterbar und hat sich zu einer beliebten Spielumgebung für Kinder entwickelt. Welches Potenzial in dem Playmobil-System steckt, erkannten Steve Hinske und Matthias Lampe, Doktoranden am Institut für Pervasive Computing, vor rund drei Jahren. Ihre Idee: Die Ritterburg und ihre Umgebung technologisch so aufzurüsten, dass die Figuren und die Umgebung auf das Spielgeschehen reagieren. Die Playmobilfiguren sollen sprechen, die Pferde wiehern und Effekte wie Rauch und Licht automatisch erzeugt werden.

RFID Technologie macht es möglich

Um das Spielgeschehen unauffällig zu erfassen, verwendeten Hinske und Lampe die Radiofrequenz-Identifikations (RFID)-Technologie. Sie haben jede Spielfigur der Ritterburg mit mehreren RFID-Transpondern ausgestattet, die Daten empfangen und weiterleiten können. An den Gebäuden und im Boden sind Antennen angebracht. Diese erkennen die Anwesenheit einer Spielfigur in ihrem Empfangsbereich und leiten die Identifikationsnummer an einen Computer weiter. Dieser liefert die detaillierten Informationen zur Figur. Stellt beispielsweise das spielende Kind die Figur des Königs in den Burghof, lesen die dort angebrachten Antennen die ID der Figur und aus den Lautsprechern des Computers ertönt eine Fanfare. Ein Ritter, der den Drachen besiegt hat, wird begleitet von Lichteffekten von der Burggesellschaft empfangen. „Mit diesen zusätzlichen Effekten können wir das Spiel der Kinder bereichern“, ist Hinske überzeugt und fügt sogleich hinzu, dass die Kinder dabei auch etwas lernen sollen. Dafür eignen sich mobile Geräte, die die Ritterburg in eine interaktive Lernumgebung verwandeln. Hinske und Lampe integrierten ein mit einem RFID-Lesegerät ausgestattetes Handy in das Spiel, mit dem Musik oder Videos abgespielt und Bilder oder Text angezeigt werden.

Spielend lernen

Der Einsatz mobiler Geräte ergibt zahlreiche Lernmöglichkeiten. Die Kinder können die Welt des Mittelalters entdecken, indem sie mit dem Mobiltelefon auf verschiedene Figuren und Gegenstände zeigen, die ihnen dann per Video oder Tonaufnahme von ihrer Rolle in dieser Epoche erzählen. Die Mehrsprachigkeit des Systems ermöglicht es, mit einem Knopfdruck die Sprache zu wechseln und die Kinder spielerisch an eine Fremdsprache heranzuführen. Das erworbene Wissen kann in Form von Spielen auf dem Handy geprüft werden, und bevor sich die Kinder langweilen, weil sie bereits alles über das Mittelalter wissen, kann man das System mit neuen Lerneinheiten ausrüsten.

In England auf Herz und Nieren geprüft

Die Entwickler haben bereits in Schulen in der Schweiz und in Deutschland Benutzerstudien durchgeführt, in der die technologisch erweiterte Ritterburg von Kindern getestet wurde. Die Ergebnisse werden zurzeit noch ausgewertet, die ersten Rückmeldungen der Kinder sind aber durchwegs positiv. Im Moment ist der Prototyp auf dem Weg nach England, wo Steve Hinske einen Forschungsaufenthalt an der University of Sussex verbringt. Dort arbeitet er mit zwei Kinderpsychologinnen zusammen, die in einer Langzeitstudie untersuchen werden, ob sich die Spielumgebung auch für Kinder eignet, die an Lernstörungen oder Autismus leiden. Mit den Resultaten könnten die Entwickler die Ritterburg exakt auf die kindlichen Bedürfnisse zuschneiden. Für Hinske stellt die erweiterte Ritterburg eine ideale Spielumgebung dar, mit der Kinder lustvoll lernen und ihre Fantasien beflügeln können. Er betont aber auch, dass die Technologien, die hinter der Ritterburg stehen, lediglich einen Mehrwert darstellen. „Per Knopfdruck kann man diese Technologien jederzeit ausschalten – und da sie komplett in die Spielumgebung integriert und für die Kinder unsichtbar sind, lässt es sich „ganz normal“ mit der Ritterburg weiterspielen.“

 
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