Veröffentlicht: 22.08.08
Klimaforschung

Der Bodenfeuchte auf den Grund gehen

Wie feucht ein Boden ist, hat grossen Einfluss auf das Regionalklima. Doch die Klimawissenschaft hat wenig Ahnung, wie gross dieser Beitrag wirklich ist. Ein neues, dichtes Messstellennetz in der Schweiz wird die dazu nötigen Daten liefern.

Peter Rüegg
Doktorandin Heidi Mittelbach richtet eine Messstelle ein zur Erfassung von Bodenfeuchtigkeit und -temperatur.
Doktorandin Heidi Mittelbach richtet eine Messstelle ein zur Erfassung von Bodenfeuchtigkeit und -temperatur. (Grossbild)

Das Testfeld vor Oensingen ist topfeben. Ausgedehnte Wiesen bis zum nächsten Hügel am Horizont und zur Autobahn A1, ein paar Gehölzstreifen. Die höchsten Erhebungen im Umkreis von einem halben Kilometer sind mehrere Erdhaufen, die auf der Wiese auf blauen Planen lagern. Drei Tonnen Material, schwerer lehmiger Gley-Boden aus zwei 1,20 Meter tiefen Gruben. Alles von Hand ausgehoben.

Blaue Erde

Irene Lehner, Postdoktorandin am Institut für Atmosphäre und Klima sowie die Doktorandin Heidi Mittelbach stehen in Gruben und stecken in regelmässigen Abständen Messsonden in den lehmigen Boden. Noch am Vorabend haben die Forscherinnen ein 100jähriges Niederschlagsereignis über einem Quadratmeter simuliert, das Wasser blau, mit Lebensmittelfarbe eingefärbt, um bevorzugte Fliesswege zu erkennen Die Schollen sind noch immer blau, die Schuhe, und die  Hosensäume von Mittelbach ebenso. Dafür erkennt sie nun im Aushub, wo das Wasser versickert ist, das Bodenprofil sieht aus wie ein Marmorkuchen. Unter Einsatz ihres Körpergewichts lässt Mittelbach die Sonden vor allem in den braunen Stellen verschwinden.
In jeder Grube stecken die Forscherinnen in sechs verschiedenen Tiefen Sonden in den Erdboden, um die Bodentemperatur zu messen oder um den Wassergehalt festzuhalten. Alle zehn Minuten senden die Sonden Daten an ein Aufzeichnungsgerät, den Logger, der in einem Gehäuse über Boden eingebaut ist. Von Zeit zu Zeit wird das Gerät über Funk oder WLAN die Daten an die Forscherinnen schicken, welche in Echtzeit verfolgen, wie sich die Bodenfeuchte und Temperatur über die Zeit und in welcher Bodentiefe ändert.

Dichtes Messnetz errichten

15 solche Stationen wollen die Forscherinnen im Rahmen des Projekts SwissSMEX – the Swiss Soil Moisture EXperiment, das die ETH mit Agroscope Reckenholz-Tänikon und MeteoSchweiz durchführt, in der ganzen Schweiz einrichten. Die meisten Messstationen liegen im Kulturland im Schweizer Mittelland, nur der Standort an der Lägern im Norden des Kantons Zürich liegt im Wald. Das Experiment soll zunächst drei Jahre dauern. Einen Teil der Stationen wird voraussichtlich nach Abschluss des Projekts von den beteiligten Institutionen weiter betrieben werden.
Mit den Daten wollen die Forscherinnen herausfinden, wie sich der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens an den verschiedenen Messstationen unterscheidet. Die Forscher wollen auch herausfinden, wie sich die Bodenfeuchtigkeit im Lauf der Zeit ändert und wie sie an die Sonneneinstrahlung und den Niederschlag gekoppelt ist.
Die Klimaforscher wollen unter anderem auch herausfinden, welchen Einfluss die Bodenfeuchtigkeit auf das Lokal- und Regionalklima hat und ob sie zur Verbesserung der kurzfristigen oder sogar saisonalen Vorhersage für die Schweiz genutzt werden kann.

Bessere Klimaprognosen

Modelle zeigen auch, dass sich die Klimazonen als Folge des Klimawandels zu den Polen hin verschieben. Dadurch wird es in der Schweiz heisser und trockener, und die Bodenfeuchte spielt im regionalen Klima eine stärkere Rolle. Mit Hilfe von Bodenfeuchtedaten könnten die Wissenschaftler auch Prognosen für die Landwirtschaft erstellen, um die Bewässerung der Kulturen zu optimieren.
Zudem wird Anfang 2009 der Forschungssatellit SMOS ins All geschossen, der die Bodenfeuchte messen wird, allerdings nur in den obersten zwei Zentimeters des Bodens. Diese Daten können zusätzliche Information für die räumliche Variabilität geben. Zusätzlich können die ETH-Forscher mit den flächendeckenden punktuellen Bodendaten die Satellitendaten evaluieren.
„Die ersten Daten werden in den nächsten Wochen analysiert“, sagt Heidi Mittelbach. Bis nächstes Jahr werden alle Stationen eingerichtet sein. Als erstes wolle man die räumliche und zeitliche Variabilität berechnen können. Payerne, die erste eingerichtete Messstation ist am Netz und lieferte Daten zu allen Parametern. So sind dort beispielsweise nach dem starken Regen vom 12. August die Feuchtigkeitswerte von 20 Volumenprozenten auf über 35 gestiegen.

Boden hat Gedächtnis

Die Forschung fokussiert nicht ohne Grund auf den Einfluss des Bodens auf das Klima. Bodenfeuchtigkeit spielt im Klimasystem eine wichtige Rolle. Denn diese beeinflusst unter anderen die Verteilung von Strahlung und Niederschlag auf dem Land und nimmt bei der Kopplung Boden-Pflanze-Atmosphäre eine wesentliche Rolle ein. Ohne genügend Wasser kann auch die Vegetation nicht „funktionieren“. Zudem ist die Bodenfeuchtigkeit eine Art Gedächtnis, das Extremereignisse wie heftiger Niederschlag oder intensive Strahlung „speichert“ und erst zu einem späteren Zeitpunkt das Klima beeinflussen kann. So war zum Beispiel der Boden im Jahr 2003 schon vor dem Sommer ausserordentlich trocken war, konnte sich eine derartige Hitzewelle aufbauen.

 
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