Der Bodenfeuchte auf den Grund gehen
Wie feucht ein Boden ist, hat grossen Einfluss auf das Regionalklima. Doch die Klimawissenschaft hat wenig Ahnung, wie gross dieser Beitrag wirklich ist. Ein neues, dichtes Messstellennetz in der Schweiz wird die dazu nötigen Daten liefern.
Das Testfeld vor Oensingen ist topfeben. Ausgedehnte Wiesen bis zum nächsten Hügel am Horizont und zur Autobahn A1, ein paar Gehölzstreifen. Die höchsten Erhebungen im Umkreis von einem halben Kilometer sind mehrere Erdhaufen, die auf der Wiese auf blauen Planen lagern. Drei Tonnen Material, schwerer lehmiger Gley-Boden aus zwei 1,20 Meter tiefen Gruben. Alles von Hand ausgehoben.
Blaue Erde
Irene Lehner, Postdoktorandin am Institut für Atmosphäre und
Klima sowie die Doktorandin Heidi Mittelbach stehen in Gruben und stecken in
regelmässigen Abständen Messsonden in den lehmigen Boden. Noch am Vorabend
haben die Forscherinnen ein 100jähriges Niederschlagsereignis über einem
Quadratmeter simuliert, das Wasser blau, mit Lebensmittelfarbe eingefärbt, um
bevorzugte Fliesswege zu erkennen Die Schollen sind noch immer blau, die
Schuhe, und die Hosensäume von Mittelbach ebenso. Dafür erkennt sie nun im Aushub,
wo das Wasser versickert ist, das Bodenprofil sieht aus wie ein Marmorkuchen.
Unter Einsatz ihres Körpergewichts lässt Mittelbach die Sonden vor allem in den
braunen Stellen verschwinden.
In jeder Grube stecken die Forscherinnen in sechs verschiedenen
Tiefen Sonden in den Erdboden, um die Bodentemperatur zu
messen oder um den Wassergehalt festzuhalten. Alle zehn Minuten senden die
Sonden Daten an ein Aufzeichnungsgerät, den Logger, der in einem Gehäuse über
Boden eingebaut ist. Von Zeit zu Zeit wird das Gerät über Funk oder WLAN die
Daten an die Forscherinnen schicken, welche in Echtzeit verfolgen, wie sich die
Bodenfeuchte und Temperatur über die Zeit und in welcher Bodentiefe ändert.
Dichtes Messnetz errichten
15 solche Stationen wollen die Forscherinnen im Rahmen des
Projekts SwissSMEX – the Swiss Soil Moisture EXperiment, das die ETH mit Agroscope
Reckenholz-Tänikon und MeteoSchweiz durchführt, in der ganzen Schweiz einrichten.
Die meisten Messstationen liegen im Kulturland im Schweizer Mittelland, nur der
Standort an der Lägern im Norden des Kantons Zürich liegt im Wald. Das
Experiment soll zunächst drei Jahre dauern. Einen Teil der Stationen wird
voraussichtlich nach Abschluss des Projekts von den beteiligten Institutionen weiter
betrieben werden.
Mit den Daten wollen die Forscherinnen herausfinden, wie
sich der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens an den verschiedenen Messstationen
unterscheidet. Die Forscher wollen auch herausfinden, wie sich die
Bodenfeuchtigkeit im Lauf der Zeit ändert und wie sie an die Sonneneinstrahlung
und den Niederschlag gekoppelt ist.
Die Klimaforscher wollen unter anderem auch herausfinden,
welchen Einfluss die Bodenfeuchtigkeit auf das Lokal- und Regionalklima hat und
ob sie zur Verbesserung der kurzfristigen
oder sogar saisonalen Vorhersage für die Schweiz genutzt werden kann.
Bessere Klimaprognosen
Modelle zeigen auch, dass sich die Klimazonen als Folge des
Klimawandels zu den Polen hin verschieben. Dadurch wird es in der Schweiz heisser
und trockener, und die Bodenfeuchte spielt im regionalen Klima eine stärkere
Rolle. Mit Hilfe von Bodenfeuchtedaten könnten die Wissenschaftler auch
Prognosen für die Landwirtschaft erstellen, um die Bewässerung der Kulturen zu
optimieren.
Zudem wird Anfang 2009 der Forschungssatellit SMOS ins All geschossen, der die Bodenfeuchte messen
wird, allerdings nur in den obersten zwei Zentimeters des Bodens. Diese Daten
können zusätzliche Information für die räumliche Variabilität geben. Zusätzlich
können die ETH-Forscher mit den flächendeckenden punktuellen Bodendaten die Satellitendaten
evaluieren.
„Die ersten Daten werden in den nächsten Wochen analysiert“,
sagt Heidi Mittelbach. Bis nächstes Jahr werden alle Stationen eingerichtet
sein. Als erstes wolle man die räumliche und zeitliche Variabilität berechnen
können. Payerne, die erste eingerichtete Messstation ist am Netz und lieferte
Daten zu allen Parametern. So sind dort beispielsweise nach dem starken Regen
vom 12. August die Feuchtigkeitswerte
von 20 Volumenprozenten auf über 35 gestiegen.
Boden hat Gedächtnis
Die Forschung fokussiert nicht ohne Grund auf den Einfluss des Bodens auf das Klima. Bodenfeuchtigkeit spielt im Klimasystem eine wichtige Rolle. Denn diese beeinflusst unter anderen die Verteilung von Strahlung und Niederschlag auf dem Land und nimmt bei der Kopplung Boden-Pflanze-Atmosphäre eine wesentliche Rolle ein. Ohne genügend Wasser kann auch die Vegetation nicht „funktionieren“. Zudem ist die Bodenfeuchtigkeit eine Art Gedächtnis, das Extremereignisse wie heftiger Niederschlag oder intensive Strahlung „speichert“ und erst zu einem späteren Zeitpunkt das Klima beeinflussen kann. So war zum Beispiel der Boden im Jahr 2003 schon vor dem Sommer ausserordentlich trocken war, konnte sich eine derartige Hitzewelle aufbauen.
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