Veröffentlicht: 09.04.08
Astronautenrekrutierung

Auf dem Weg ins All

Die Europäische Weltraumbehörde (ESA) sucht neue Astronauten. Rund 400 Zuhörer liessen sich gestern im Audimax der ETH vom Vortrag des Schweizer Astronauten Claude Nicollier in den Bann ziehen.

Thomas Langholz
Der Schweizer Astronaut Claude Nicollier bei seinem Vortrag.
Der Schweizer Astronaut Claude Nicollier bei seinem Vortrag. (Grossbild)

„Der Start ist der Anfang eines grossen Abenteuers“, sagte Claude Nicollier zu den anwesenden Zuhörern. Die ESA hatte zusammen mit dem Staatssekretariat für Bildung und Forschung (SBF) und der Space Biology der ETH Zürich zu einer Informationsveranstaltung geladen. Durch neue europäische Projekte in der Raumfahrt werden acht neue Astronautinnen und Astronauten gesucht. Claude Nicollier erläuterte in seinem spannenden Vortrag die Voraussetzungen, die Kandidaten erfüllen müssen.

Umfangreiche Qualifikation

Als fachliche Qualifikation ist ein Universitätsabschluss in Naturwissenschaften, den Ingenieurwissenschaften oder in Medizin eine gute Voraussetzung. Auch erfahrene Militär- und Testpiloten mit Universitätsabschluss können sich bewerben. Eine weitere Voraussetzung ist eine gute Gesundheit. „Obwohl es nicht in der offiziellen Ausschreibung steht, sind Sportarten wie Fliegen, Bergsteigen oder Tauchen, bei denen man auch in Extremsituationen geraten kann, eine zusätzliche Qualifikation“, gab der Schweizer Astronaut den Bewerbern mit auf den Weg. Neben Sprachkenntnissen in Englisch und Russisch ist auch Chinesisch von Vorteil. Wichtig ist es auch, so Nicollier, sich auf andere Kulturen einzulassen. Allein die ESA hat 17 europäische Mitgliedstaaten, so dass Crews immer international zusammengesetzt sind. Überzeugende Kommunikationsfähigkeiten gehören bei Astronauten einfach dazu. Neben der Kommunikation über Sprachgrenzen hinweg sind Astronauten auch immer Botschafter des einzelnen Landes und werben für die Weltraumfahrt. Doch Nicollier bat die Teilnehmer, sich nicht nur auf die fachlichen Qualifikationen zu beschränken. Wichtig sei es auch über die eigenen Fachgrenzen hinauszuschauen. „Gitarre spielen, Tanzen und Lesen sind genauso wichtig. Personen, die auch sonst mitten im Leben stehen, haben die besten Chancen“.

Erfahrener Astronaut

Claude Nicollier spricht aus Erfahrung. Der 62-jährige war 29 Jahre lang Astronaut und hat mit dem Space Shuttle vier Flüge ins All absolviert. Für ihn ist es der Traumjob. Er gibt zu bedenken, dass ein Astronaut nur einen geringen Teil seiner gesamten Arbeitszeit im All verbringt. Viel mehr Zeit entfällt auf Vorbereitung, Tests und die Entwicklung von Prozeduren und Geräten für den Raumflug. „Trotz der Hürden machen Sie mit, bewerben Sie sich. Das Abenteuer, die Wissenschaft und das, was Sie von dort aus sehen werden, ist so aussergewöhnlich, das rechtfertigt jeden Aufwand."

Physikstudent Sebastian Schnoz ist einer, der sich für diesen Beruf interessiert. Er will sich erst einmal informieren. „Mich reizt diese spezielle interdisziplinäre Aufgabe. Von der Erde losgelöst im All zu fliegen, das können nur wenige.“ Auch Elektrotechnikstudent Philip Hofer ist heute an die Veranstaltung gekommen, um sich die Auswahlkriterien anzuhören. „Für mich ist es wichtig etwas Nachhaltiges zu tun. Die Forschung, die dort betrieben wird, bringt uns alle ein Stück weiter. Und wer kann von sich schon sagen, Astronaut zu sein.“

Bewerbung erwünscht

Auch ETH-Präsident Ralph Eichler rief die Studierenden in seiner Begrüssungsrede auf  sich zu bewerben. „Wenn eine Schweizerin oder ein Schweizer ins All fliegen könnte, so wäre dies ein Katalysator für unsere Wirtschaft.“ Nicht nur die Astronauten sind mit der Raumfahrt verbunden, sie ist auch ein wichtiger Wirtschaftszweig. Rund 140 Millionen Franken investiert die Schweiz pro Jahr in die ESA. Allein in Europa sind 28'000 Arbeitsplätze direkt von der Raumfahrt abhängig.

Die Anforderungen an die zukünftigen Astronautinnen und Astronauten sind hoch. Neben einer speziellen medizinischen Fluguntersuchung für die Vorauswahl müssen die Kandidaten verschiedene psychologische Tests über sich ergehen lassen. Wer so weit gekommen ist, wird fünf Tage lang auf Herz und Nieren untersucht. Volker Damann, Leiter der Operationellen Medizin der ESA, gibt aber zu bedenken: „Wir wollen keine Olympia-Athleten. Durchschnittlich gesunde Kandidaten sind gefragt. Selbst eine Brille oder Zahnfüllungen müssen kein Ausschlusskriterium sein.“ Die ESA rechnet mit 50'000 Bewerbungen aus ganz Europa. Vier Astronauten und vier Ersatzkandidaten werden am Ende des Verfahrens übrig bleiben. Anmeldungen kann sich jede und jeder Interessierte direkt bei der ESA. Die Website dafür ist ab dem 19. Mai für vier Wochen frei geschaltet.
Claude Nicollier gibt allen Interessenten als Tipp mit auf den Weg: „Seien Sie motiviert und neugierig und hören Sie nicht auf die, die sagen, dass man eh keine Chance hat.“