Veröffentlicht: 12.03.08
Neue Ansätze für die drahtlose Kommunikation

Markant höhere Übertragungsraten

Drahtlose Netzwerke können theoretisch nur eine begrenzte Menge an Informationen übermitteln. ETH-Forscher haben nun im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts gezeigt, wie diese Limiten überwunden werden können. Mit einer Demonstrationsanlage erreichen sie eine bedeutend höhere Übertragungsrate als konventionelle WLAN-Netzwerke.

Felix Würsten
MIMO-Transceiver des neuen Testbeds. Gut erkennbar sind die vier Antennen, die gleichzeitig auf derselben Frequenz senden oder empfangen können. Der Chip in der Mitte wird zur Signalverarbeitung und Steuerung benutzt.
MIMO-Transceiver des neuen Testbeds. Gut erkennbar sind die vier Antennen, die gleichzeitig auf derselben Frequenz senden oder empfangen können. Der Chip in der Mitte wird zur Signalverarbeitung und Steuerung benutzt. (Grossbild)

Es ist ein Kampf mit den Grenzen der Physik: Seit die Theorie der Informationsübertragung entwickelt wurde, weiss man, dass bei der drahtlosen Kommunikation innerhalb eines bestimmten Frequenzbands nur eine limitierte Menge an Daten übermittelt werden kann. Seither versucht man, dieses von der Physik vorgegebene Quantum möglichst vollständig auszuschöpfen. Angesichts der beachtlichen Datenmengen, die heute über Mobiltelefonnetze und WLAN-Verbindungen übertragen werden, besteht kein Zweifel, dass die bisherigen Bemühungen sehr erfolgreich waren. Trotzdem suchen Wissenschaftler nach neuen Wegen, noch mehr Daten zu übertragen – denn Übertragungskapazitäten sind ein knappes und daher auch kostbares Gut, das es effizient zu nutzen gilt.

Botschaften aus dem Stimmengewirr

Bereits in den neunziger Jahren konnten zwei Professoren aus Stanford zeigen, dass man in drahtlosen Netzen theoretisch weitaus mehr Daten übertragen könnte, als ursprünglich angenommen. Sie schlugen als neuen Ansatz die MIMO-Technik vor. MIMO steht für "Multiple Input Multiple Output" und bedeutet konkret, dass nicht mehr nur je ein Sender und ein Empfänger miteinander kommunizieren. Vielmehr können mehrere Nachrichten gleichzeitig im selben Frequenzband von mehreren Antennen ausgesendet werden. Das Empfängergerät verfügt ebenfalls über mehrere Antennen und kann damit durch aufwändige Signalverarbeitung die ursprüngliche Information aus den sich überlagernden Signalen zurückgewinnen.
"Es ist, als ob mehrere Menschen gleichzeitig mit mehreren anderen Menschen sprechen würden", erläutert Helmut Bölcskei, Professor am Institut für Kommunikationstechnik der ETH Zürich, das Prinzip. "Auf den ersten Blick scheint es, dass jeder Zuhörer nur ein unverständliches Stimmengewirr wahrnimmt. Allerdings hört jeder Zuhörer ein leicht anderes Geräusch, da die Schallwellen im Raum gestreut werden und es zu Interferenzeffekten kommt. Wenn die Zuhörer das Gehörte geschickt kombinieren, können sie die ursprüngliche Botschaft aus dem Stimmengewirr herausfiltern. Auf diese Weise kann man bedeutend mehr Informationen übermitteln als mit der herkömmlichen Technik."

Praxistauglichkeit bewiesen

So einleuchtend die Theorie der MIMO-Technik auch ist: Lange Zeit fragte man sich in Fachkreisen, ob sich der Ansatz in der Praxis überhaupt umsetzen lässt. Bereits vor vier Jahren hatten die ETH-Forscher mit einer Versuchsanlage den Beweis erbracht, dass die MIMO-Technik funktioniert – damals allerdings mit lediglich einem Nutzer. Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts "Mascot", an dem sich auch die Gruppe von Wolfgang Fichtner, Professor am ETH-Institut für Integrierte Systeme beteiligt, soll nun gezeigt werden, dass die erzielten Kapazitätsgewinne auch in komplexen Netzwerken mit mehreren Nutzern umgesetzt werden können. Dabei gelang es den ETH-Forschern, ein kompaktes System mit vier Antennen im Labormassstab zu bauen. Dieses sogenannte MIMO-Testbed haben die Wissenschaftler kürzlich an einem Workshop interessierten Fachleuten vorgesellt.

Kernpunkt der Arbeit war es, eine möglichst effiziente Decodierung der Signale zu entwickeln, um das Signalgewirr im Empfänger zu entflechten. Dabei sahen sich die Forscher mit gegensätzlichen Anforderungen konfrontiert: Je mehr Antennen das System besitzt, desto mehr Daten können im Prinzip übermittelt werden, desto anspruchsvoller ist aber auch die Decodierung. Da die Empfängerantennen in Geräte eingebaut werden sollen, die möglichst kostengünstig hergestellt werden, müssen die Signale mit einem möglichst kleinen Chip decodiert werden. Je kleiner der Chip ist, desto weniger Rechenleistung steht jedoch zur Verfügung.
"Dass ein MIMO-System mit vier Sendern funktioniert, konnten wir bereits vor vier Jahren zeigen", erzählt Bölcskei. "Inzwischen verstehen wir die theoretischen Grundlagen wesentlich besser, und dadurch konnten wir leistungsfähige Decodier-Algorithmen entwickeln. Damit war der Weg frei für den Bau von kompakten Empfängern." Die an der ETH Zürich entwickelten Empfänger sind so effizient, dass sie ohne weiteres in handelsübliche Laptops und WLAN-Stationen eingebaut werden könnten. "Ohne enge Zusammenarbeit zwischen Kommunikationstheorie und Chipdesign (VLSI-Design) wäre dies nicht möglich gewesen", hält Bölcskei fest. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit soll nun mit der Einrichtung der SNF-Förderprofessur von Andreas Burg in den nächsten Jahren weiter verstärkt werden.

Einmaliges Gerät

"Mit unserem MIMO-Testbed verfügen wir über ein weltweit einzigartiges Gerät, mit dem wir nun neue Ideen und Entwicklungsansätze testen können", erklärt Bölcskei. Mit ihrer Versuchsanlage erreichen die Forscher eine Auslastung des Spektrums, die im Vergleich zu heutigen WLAN-Netzwerken bis zu vier Mal höher liegt.

Bölcskei ist überzeugt, dass der MIMO-Technik die Zukunft gehört. Die Industrie ist denn gegenwärtig auch daran, Standards für solche Netzwerke zu definieren. Etwas überraschend ist hingegen, dass offenbar erst wenige Firmen auf diesem Gebiet aktiv sind. "Viele grosse Unternehmen haben den Zug in diesem viel versprechenden Gebiet verpasst", meint der ETH-Forscher. "Aus diesem Grund haben wir die Spin-off-Firma Celestrius gegründet, welche unsere Entwicklung nun vermarkten soll." Dabei gebe es einen wechselseitigen Austausch zwischen seinem Institut und der jungen Firma. "Viele aktuelle Forschungsfragen ergeben sich aus der Implementierung der Technik. Ein System im Labor zu entwickeln, ist das eine. Die Technik in marktfähigen Produkten einzubauen, etwas ganz anderes. Da tauchen plötzlich Fragen auf, an die wir nie gedacht haben – und genau diese sind für uns Forscher ungemein spannend." 

 
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