Veröffentlicht: 01.02.08
Meeresgeologie

Chemische Kohlenwasserstoff-Bildung

Etwa 800 Meter tief unter der Meeresoberfläche des Atlantiks liegt Lost City, eine Ansammlung grosser schneeweisser Türme und Warmwasserquellen. Ihre bis zu 60 Meter hohen Kalkschlote sind Zeugen des speziellen geochemischen Milieus, das ein ungewöhnliches Ökosystem beherbergt. Eine neue Studie erhärtet nun die Vermutung, dass die dort vorkommenden Kohlenwasserstoffe chemischen Ursprungs sind.

Simone Ulmer
„Nature Tower“ ist ein 30 Meter hoher Kalkschlot von Lost City, beleuchtet von Unterwasser-Robotern. (Photo: Deborah Kelley und Mitch Elend, University of Washington, Institute for Exploration, URI-IAO, NOAA, and the Lost City science team)
„Nature Tower“ ist ein 30 Meter hoher Kalkschlot von Lost City, beleuchtet von Unterwasser-Robotern. (Photo: Deborah Kelley und Mitch Elend, University of Washington, Institute for Exploration, URI-IAO, NOAA, and the Lost City science team) (Grossbild)

Lost City, die untermeerische „verlorene Stadt“ im Atlantik, ist ein hydrothermales Feld aus Warmwasserquellen und turmartigen Kalkschloten. Hier hat sich der obere Erdmantel über tiefe Bruchzonen bis zur Oberfläche des Meersbodens angehoben und reagiert mit dem Meerwasser. Dadurch wird das Mantelgestein Peridotit zu Serpentinit umgewandelt. Gelangt das Wasser wieder an die Oberfläche, ist es zwischen 30 und 90 Grad warm, mit einem pH-Wert zwischen 9 und 11 stark basisch und reich an Wasserstoff und Kohlenwasserstoffen wie Methan.

Kein biologischer Prozess

Obwohl sich in der Regel Kohlenwasserstoffe dann bilden, wenn Mikroorganismen organisches Material zersetzen, konnten Wissenschaftler nun zeigen, dass dies in Lost City nicht der Fall zu sein scheint. „Seit Beginn unserer Forschungsarbeit in Lost City haben wir vermutet, dass die Kohlenwasserstoff-Vorkommen ihren Ursprung nicht in biologischen Prozessen haben“, sagt Gretchen Bernasconi-Green, Privatdozentin am Departement für Erdwissenschaften der ETH Zürich. Bisher fehlten hierfür jedoch ausreichend Beweise.

Bereits in früheren Studien stellten Wissenschaftler fest, dass die Isotopensignatur des Kohlenstoffs von Lost City - das Verhältnis von Kohlenstoff 13 zu Kohlenstoff 12 - in Methan ungewöhnlich gross ist. Sie entspricht dem der synthetisch hergestellten Kohlenwasserstoffe, die bei der Fischer Tropsch Synthese gebildet werden. Dabei werden aus den synthetischen Gasen Kohlenmonoxid und Wasserstoff flüssige Kohlenwasserstoffe erzeugt.

Kohlenstoff aus dem Mantelgestein

Die neue Studie zeigt nun, dass die Kohlenwasserstoffe in Lost City ähnlich aufgebaut sind wie synthetisch erzeugte. Das liefert einen weiteren Hinweis darauf, dass sie nicht biologisch gebildet wurden. Sie sind im Gegensatz zu biologisch gebildeten Kohlenwasserstoffen kurzkettig und haben ein niedrigeres Molekulargewicht. Zudem zeigten die radiometrischen Altersdatierungen des Kohlenstoffs, dass dieser vermutlich aus dem Mantelgestein gelöst wurde und nicht aus dem Meerwasser stammen kann, denn es konnte kein radioaktiver Zerfall mehr gemessen werden. Somit muss der Kohlenstoff älter als 50'000 Jahre sein. Dass das Meerwasser noch länger im Netzwerk der hydrothermalen Adern von Lost City verweilte, hält Bernasconi-Green aufgrund jüngster Studien für unwahrscheinlich. Diese zeigen, dass es vermutlich weniger als eine Million Jahre dauert, bis bereits das gesamte Wasservolumen der Ozeane durch die poröse ozeanische Kruste zirkuliert ist.

Bernasconi-Green gehört als einzige Schweizer Forscherin dem amerikanischen Forscherteam an, das nun versuchte, den biogenen Ursprung der Kohlenwasserstoffe systematisch auszuschliessen. Ihre Ergebnisse publizierten sie in der heutigen Ausgabe des Wissenschaftsmagazin „Science“.

Lost City wurde im Jahr 2000 entdeckt. Gretchen Bernasconi-Green sass damals am Bildschirm, als die Kamera, die den Meeresgrund absuchte, 15 Kilometer vom Mittelatlantischen Rücken entfernt auf einer Breite von 30 Grad Nord die Schlote des hydrothermalen Feldes aufzeichnete. Aufgrund der Lage von Lost City, weit ab des Mittelatlantischen Rückens, war der Forscherin schnell klar, dass es sich um eine besondere Art von Warmwasserquellen handeln muss.

Seit der Entdeckung von Lost City werden die dort laufenden Forschungsarbeiten von der NASA und von einigen Ölfirmen interessiert verfolgt. Einerseits können ähnliche geochemische Gegebenheiten Leben auf anderen Planeten entstanden lassen haben. Andererseits nähren Studien wie diese die von Thomas Gold bereits vor Jahrzehnten vertretene These, dass im Erdmantel unentdeckte Kohlenwasserstoff-Vorräte verborgen seien, die nicht durch biologische Prozesse entstanden wären.

Literaturhinweis

Proskurowski, G. et al.: Abiogenic Hydrocarbon Production at Lost City Hydrothermal Field, Science 319/2008. DOI: 10.1126/science.1151194

 
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