Veröffentlicht: 01.11.07
Buchvernissage im Archiv für Zeitgeschichte

Retter jüdischen Lebens

Saly Mayer war eine umstrittene Figur im vielfach hoffnungslosen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, da er für seinen Pragmatismus einige Kritik erntete. Hanna Zweig-Strauss beleuchtet nun in der neu erschienen Biografie das aussergewöhnlichen Engagement des St. Gallers während des Holocaust.

Angela Brunner
Saly Mayer (Mitte) in Paris 1948
Saly Mayer (Mitte) in Paris 1948 (Grossbild)

Gestern hat die Historikerin Hanna Zweig Strauss ihr neuestes Werk der Öffentlichkeit vorgestellt: "Saly Mayer 1882-1950 – Ein Retter jüdischen Lebens während des Holocaust". Für die Entstehung der knapp 300 Seiten umfassenden Biografie war die Autorin auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Archiv für Zeitgeschichte (AfZ) der ETH Zürich angewiesen, da dieses umfangreiches und zentrales Quellenmaterial zu Saly Mayer beherbergt. Die Buchvernissage fand denn auch im AfZ statt. Beatrix Mesmer, emeritierte Professorin für Schweizergeschichte in Verbindung mit Neuer allgemeiner Geschichte an der Universität Bern und Verfasserin des Geleitwortes, ging in ihrer Ansprache der Frage auf den Grund, welchen Beitrag denn die biografische Forschung leisten kann. 

Wachsender Antisemitismus und Formierung des Widerstandes

Die Eltern von Saly Mayer wanderten aus Süddeutschland nach Basel ein, wo er 1882 geboren wurde, ehe die Familie einige Jahre später nach St. Gallen umsiedelte. Dort war er als Lokalpolitiker der FDP aktiv. Die Autorin vermutet, dass er als „Alibijude“ auf der Liste platziert wurde, um Stimmen der Kaufleute sowie der Juden zu gewinnen.

Hanna Zweig-Strauss zeichnet nach, wie die Stimmung in der Schweiz umschlug und Mayer seinen Einsatz für die europäischen Juden verstärkte. Besonderes Gewicht erhält dabei die zunehmende Beunruhigung angesichts der Verbreitung des Antisemitismus.

Allerdings wurde anfangs die Gefahr, die mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1933 einherging, vielfach unterschätzt – so auch vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), den Saly Mayer von 1936-1943 präsidierte. Nachfolgend organisierte sich die Flüchtlingshilfe besser und die Mittelbeschaffung wurde für jüdische Hilfswerke wie das SIG zentral.

Pragmatische Haltung

Charakteristisch für Mayers pragmatische Vorgehensweise war seine Geheimniskrämerei, welche scheinbar gezielte Verschleierungsaktionen beinhaltete. Kritiker stuften dies teilweise als unnötig ein, was dem St.Galler den Ruf eines zu autoritären Managements eintrug. Diese Umstände verschärften die Differenzen zwischen Mayer und juristischen Mitarbeitenden. Aus den Ausführungen geht auch klar hervor, dass die Erwartungen dem Präsidenten über den Kopf wuchsen und er dadurch emotional unausgeglichener und wenig kommunikativ wirkte.

Internationale Anerkennung und Kritik

Indem Hanna Zweig-Strauss Dokumente seines Nachlasses analysiert, bringt die Ärztin nicht nur Licht in die Rolle von Saly Mayer als Präsident SIG, sondern auch bezüglich seines Verhaltens bis 1949 als Vertreter des American Jewish Joint Distribution Committee (AJJDC bzw. kurz Joint). Letztere Funktion war besonders wichtig im Hinblick auf seine Koordination von Hilfsgeldern aus den USA. Von St.Gallen aus stellte er sicher, dass die finanziellen Mittel die Juden in ganz Europa erreichten, welche angesichts des Nationalsozialismus bedroht waren. Dieser Aufgabe konnte er nur im Verborgenen nachkommen, da der amerikanische Geldtransfer mit dem Kriegseintritt der USA illegal wurde.

Saly Mayer gelang es jedoch, hierfür ein Netzwerk zu errichten und aufrechtzuerhalten. Sein Einsatz brachte ihm internationale Anerkennung ein, wenngleich die Kritik an seinem ambivalenten Verhalten nicht ausblieb. So erforderte seine geheime Tätigkeit, dass ihm sowohl die Schweizerischen als auch die Amerikanischen Behörden Vertrauen schenkten.

Seine Verschwiegenheit und sehr hohe Diskretion isolierten den Einzelkämpfer und zwangen ihn schliesslich zum Rücktritt. Die Autorin schliesst mit der Erkenntnis, dass sein ungewöhnliches Verhalten als Schweizer Jude seinerzeit nur von wenigen (an-)erkannt wurde. Eine verbindliche Antwort über die Motive für seine risikoreichen Unterfangen bleibe bisweilen verborgen, schreibt die Autorin zum Schluss.

 
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