Veröffentlicht: 20.03.07
Besuch im Labor

Nun geht es um die Details

Teresa Fitzpatrick untersucht mit ihrer Gruppe am Institut für Pflanzenwissenschaften, wie Organismen Vitamine erzeugen. Im Falle von Vitamin B6 gelangen ihr in den letzten Jahren wichtige Durchbrüche. Nun will sie die Synthese dieses lebenswichtigen Stoffs noch genauer verstehen.

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Vieles dreht sich hier um Vitamine: Teresa Fitzpatrick, Lukas Bürkle und Thomas Raschle im Labor des Instituts für Pflanzenwissenschafte.
Vieles dreht sich hier um Vitamine: Teresa Fitzpatrick, Lukas Bürkle und Thomas Raschle im Labor des Instituts für Pflanzenwissenschafte. (Grossbild)

"In den letzten drei Jahren habe ich rund 80 Prozent meiner Arbeitszeit hier im Labor verbracht", erklärt Thomas Raschle lachend, wenn er von seiner Arbeit erzählt. Nun steht er kurz vor dem Abschluss seiner Dissertation – die Prüfung findet bereits in der nächsten Woche statt. Das Hantieren mit Flaschen und Schalen, Pinzetten und Pipetten fasziniert ihn immer noch. "Mir gefällt die Arbeit hier", erklärt er. "Ich geniesse eine grosse Unabhängigkeit und kann auch vieles selber entscheiden und ausprobieren." Mit ein Grund für seine Freude dürfte sein, dass er mit seinem Beitrag einiges zum Erfolg der Arbeitsgruppe betragen konnte.

Thomas Raschle ist Doktorand bei Teresa Fitzpatrick. Die gebürtige Irin führt seit vier Jahren als Oberassistentin am Institut für Pflanzenwissenschaften eine Gruppe von sechs jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Teresa Fitzpatricks Hauptinteresse gilt zurzeit dem Vitamin B6, einer Substanz, auf die alle Lebewesen vital angewiesen sind. Doch längst nicht alle können es auch selber herstellen. Tiere und Menschen müssen das Vitamin über die Nahrung aufnehmen, um ihren Bedarf zu sättigen.

Modell als Ausnahme

Lange glaubte man verstanden zu haben, wie Vitamin B6 von Organismen erzeugt wird. Denn beim Modellorganismus E. coli konnten die einzelnen Schritte im Detail rekonstruiert werden. Insgesamt sieben Proteine sind bei diesem Bakterium an der Synthese beteiligt. Umso überraschender war es da, als Teresa Fitzpatrick vor einigen Jahren zeigen konnte, dass in Pflanzen ein ganz anderer, wesentlich einfacherer Mechanismus vorhanden ist. "E. coli entpuppte sich als Ausnahme. Bei den meisten anderen Organismen, die Vitamin B6 produzieren, sind nur gerade zwei Proteine, das PDX1 und das PDX2, an der Synthese beteiligt."

Als sie zunächst mit Hilfe von deutschen Wissenschaftlern der Universität Heidelberg die Struktur von PDX1 und PDX2 entschlüsselte, war sie leicht enttäuscht, als sie die Resultate sah. Denn die beiden Proteine weisen eine gut bekannte Grundform auf, die wenig Spektakuläres versprach. Doch im Verlauf der weiteren Untersuchungen zeigte sich, dass es die Struktur doch in sich hat. "Vitamin B6 entsteht, wenn PDX1 und PDX2 aneinander docken." Teresa Fitzpatrick nimmt ein dreidimensionales Plastikmodell in der Form eines doppelten Zahnrads in die Hand, um den Vorgang zu erläutern. Sie zeigt auf den inneren Teil: "PDX1 bildet zunächst zwei Sechserringe, die übereinander angeordnet sind. Daran docken dann auf der Aussenseite die PDX2-Moleküle an. Wir haben deutliche Hinweise, dass dann das für die Synthese entscheidende Ammoniak durch einen Kanal in das Innere der beiden Ringe gelangen kann."

Zufall als Helfer

Die Gruppe hat in den letzten Jahren hart gearbeitet, um das Zusammenspiel der beiden Proteine möglichst genau zu charakterisieren. "Es kam immer wieder vor, dass uns der Zufall auf die Sprünge half", erzählt Thomas Raschle. "Wir entdeckten plötzlich unerwartete Wege, die uns weiterbrachten." Eine entscheidende Frage ist beispielsweise, welche Aminosäuren genau in den beiden Proteinen beteiligt sind, wenn sie aneinanderdocken. "Ich habe gezielt einzelne Aminosäuren blockiert und dann geschaut, wie sich das auf die Produktion von B6 auswirkt", erläutert Thomas Raschle die Graphik auf seinem Computerbildschirm.

Angesichts der Diagramme, welche Teresa Fitzpatrick in einer Powerpoint-Präsentation für eine Konferenz zusammengestellt hat, erhält man als Laie den Eindruck, der Mechanismus sei nun vollständig entschlüsselt. Doch Teresa Fitzpatrick sieht sich noch nicht am Ziel. Sie möchte in der nächsten Zeit noch detaillierter wissen, was sich genau abspielt, wenn PDX1 und PDX2 zusammenkommen. "Im Grossen und Ganzen verstehen wir, was in den Zellen abläuft. Nun geht es um die Details. Und diese sind nicht nur für die Grundlagenforschung von Bedeutung", meint sie. Im Rahmen eines von der EU geförderten Projektes hofft Teresa Fitzpatrick zusammen mit Wissenschaftlern aus Heidelberg, Graz und Glasgow einen Ansatzpunkt für die Bekämpfung von Malaria zu finden. "Der Malariaerreger produziert ebenfalls Vitamin B6 mit dem von uns entdeckten Mechanismus", hält sie fest. "Vielleicht finden wir einen Punkt in der Reaktionskette, wo man die Synthese dieses lebensnotwendigen Stoffs blockieren könnte."

Konkurrenz stimuliert

"Das Projekt lief wirklich sehr gut", blickt die Forscherin auf die letzten Jahre zurück. "Es besteht ein grosser Wettbewerb auf diesem Forschungsgebiet. Aber dieser Druck ist auch stimulierend – vor allem, wenn man die Nase vorne hat!" In der nächsten Zeit steht ihr persönlich nun aber ein Umbruch bevor. Der altersbedingte Rücktritt „ihres“ Professors Nikolaus Amrhein bedeutet auch für sie eine Zäsur. "Gegenwärtig schliessen gleich drei Doktoranden von mir ab", erzählt sie. "Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen kommt nicht in Frage, denn ich muss mich ja selbst auch nach einer neuen Stelle umsehen. Immerhin können zwei meiner Doktoranden noch einige Monate hier weiterarbeiten."