Veröffentlicht: 08.05.13
Science

Quantenoptik mit Mikrowellen

Physiker der ETH Zürich haben einen der wichtigsten Effekte der Quantenoptik – den sogenannten Hong-Ou-Mandel-Effekt – mit Mikrowellen nachgewiesen, deren Frequenzen 100'000-mal niedriger sind als die von sichtbarem Licht. Das Experiment eröffnet der Quantenoptik einen neuen Frequenzbereich und könnte längerfristig zu neuen technologischen Anwendungen führen.

Andreas Trabesinger
Mikrowellen aus der Mikroproduktion: Dieser Chip enthält zwei Mikrowellenquellen (in Grün), die in der Lage sind, einzelne Photonen zu erzeugen. Die Struktur in Rot dient als Strahlteiler. (Bild: Andreas Wallraff / ETH Zürich)
Mikrowellen aus der Mikroproduktion: Dieser Chip enthält zwei Mikrowellenquellen (in Grün), die in der Lage sind, einzelne Photonen zu erzeugen. Die Struktur in Rot dient als Strahlteiler. (Bild: Andreas Wallraff / ETH Zürich) (Grossbild)

Die Quantenmechanik ist berühmt dafür, voller Effekte zu sein, die unserer Intuition trotzen. Ein schönes Beispiel dafür ist der Hong-Ou-Mandel-Effekt, welcher sich manifestiert, wenn zwei Lichtquanten (oder Photonen) gleichzeitig auf einen sogenannten Strahlteiler treffen. Ein Strahlteiler ist, wie der Name andeutet, ein Instrument, das einen Lichtstrahl in zwei spaltet, nämlich indem eine Hälfte des auftreffenden Lichts durchgelassen und die andere Hälfte reflektiert wird. Für ein einzelnes Photon bedeutet dies, dass es mit jeweils 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit auf einer der beiden Seiten des Strahlteilers herauskommt. Wenn aber zwei Photonen gleichzeitig auf den Strahlteiler treffen, dann geschieht etwas Unerwartetes: Die Photonen verlassen den Strahlteiler immer paarweise. Entweder werden sie beide reflektiert oder durchgelassen. Nie aber werden die beiden Photonen den Strahlteiler auf verschiedenen Seiten verlassen.

Dieser kuriose Effekt wurde erstmals 1987 von den Physikern Chung Hong, Zhe-Yu Ou und Leonard Mandel mit Laserlicht nachgewiesen. Ihr Experiment wurde seitdem viele Male wiederholt. Alle diese Demonstrationen basieren jedoch auf Photonen im optischen Bereich (im Frequenzbereich des sichtbaren Lichts also).

Solide experimentelle Basis

Andreas Wallraff, Professor am Laboratorium für Festkörperphysik, und seine Mitarbeiter sind nun aus diesem Bereich ausgebrochen und haben den Effekt zum ersten Mal mit Mikrowellenstrahlung gezeigt, bei einer Frequenz, die 100'000-mal niedriger ist als die eines typischen Lasers. Wenn es auch keinen fundamentalen Grund gibt, anzunehmen, dass die Quantentheorie eine Unterscheidung machen würde zwischen «Mikrowellenphotonen» und «optischen Photonen», so verleiht das Experiment der ETH-Forschenden dieser Gleichwertigkeit über einen weiten Frequenzbereich hinweg eine solide experimentelle Basis.

Darüber hinaus war es dank der niedrigen Frequenz der Mikrowellenphotonen möglich, den Effekt vollständiger zu beschreiben als dies bisher mit optischen Photonen möglich war. Dies erschliesst neue Möglichkeiten zur Charakterisierung von Strahlungsquellen. Schliesslich zeigen die neuen Versuche auf, wie quantenoptische Effekte in Experimenten mit Mikrowellenquellen ausgenutzt werden können. Das könnte zu praktischen «mikrowellenoptischen» Anwendungen führen.

Häppchenweise Mikrowellen

Wallraff und sein Team verwenden Mikrowellen, deren Frequenzen vergleichbar sind mit jenen eines normalen Mikrowellenherds. Abgesehen davon haben die Mikrowellenquellen der ETH-Forscher jedoch nichts mit den Haushaltsgeräten zu tun. Die Wissenschaftler nutzen mikrofabrizierte, millimetergrosse Schaltungen zur Erzeugung von Mikrowellen in der Form von einzelnen Photonen. «Wir können nach Bedarf einzelne Mikrowellenphotonen generieren, wann immer wir eines brauchen», sagt Christopher Eichler, Wissenschaftler in der Gruppe von Wallraff. Dies ist etwas, was mit Einzelphotonen-Quellen im optischen Bereich nicht leicht zu erreichen ist. Während ein Laser bequem ein- und ausgeschaltet werden kann, verwenden Quellen von einzelnen optischen Photonen typischerweise komplizierte Prozesse, die viel schwieriger zu kontrollieren sind.

Die Mikrowellenquellen haben zudem den Vorteil, dass ihre Frequenzen genau abgestimmt werden können, sodass zwei unabhängige Quellen Photonen mit der exakt gleichen Frequenz erzeugen können. Dies ist eine der Voraussetzung für die Beobachtung des Hong-Ou-Mandel-Effekts.

Effekt in allen Facetten charakterisiert

In den Experimenten von Wallraff und seiner Gruppe legten die Mikrowellenphotonen in der Tat das der Intuition widerstrebende Verhalten zutage, welches von der Theorie vorhergesagt wurde. Wenn zwei Photonen den Strahlteiler gleichzeitig erreichten, dann verliessen sie diesen stets als Paar.

Das Experiment ist allerdings mehr als eine Wiederholung des optischen Experiments bei Mikrowellenfrequenzen. «Da die Frequenz der Mikrowellenstrahlung viel niedriger ist als die von sichtbarem Licht, waren wir in der Lage, den Hong-Ou-Mandel-Effekt in all seinen Facetten zu charakterisieren», erklärt Christian Lang, Doktorand in der Gruppe von Wallraff und Erstautor der Studie. Zum Beispiel können die Wissenschaftler den Grad der Unterscheidbarkeit der beiden Photonen variieren und daher das Erscheinen und Verschwinden des Effekts steuern.

«Ich denke, wir können zu Recht sagen, dass wir die bisher umfassendste Studie des Hong-Ou-Mandel-Effekts vorlegen», ergänzt Wallraff. «Damit haben wir jetzt auch ein analytisches Werkzeug, um die Quantenaspekte der Mikrowellenstrahlung zu studieren. Dies kann hilfreich sein, um unkonventionelle Mikrowellenquellen, wie sie in mehreren Quantenexperimenten verwendet werden, zu charakterisieren.»

Die lichten Momente der Mikrowellen

Neben diesen grundlegenden Aspekten könnten die Ergebnisse der ETH-Physiker auch neue Perspektiven für praktische Anwendungen eröffnen. Historisch gesehen ist der Hong-Ou-Mandel-Effekt so wichtig, weil er einer der frühesten Nachweise dafür war, dass Lichtteilchen Dinge tun, die nicht mit klassischer Physik sondern nur mit der Quantenmechanik erklärt werden können. Dies führte zu theoretischen und experimentellen Arbeiten, die darauf abzielten, die Quantenmechanik zur effizienten Bewältigung von Rechen- und Kommunikationsaufgaben zu nutzen.

Die neue Arbeit, die einen der fundamentalen quantenoptischen Effekte mit Mikrowellenphotonen zeigt, kann als ein erster Schritt gesehen werden in Richtung Umsetzung dieser Erkenntnisse im Mikrowellenbereich. Dort können besondere Vorteile hinsichtlich der Erzeugung, Manipulation und Detektion von Photonen ausgenutzt werden. «Auf lange Sicht hinaus könnte dies zu neuartigen Formen der Quantenkommunikation und Quanteninformationsverarbeitung führen», sagt Wallraff.

Literaturhinweis

Lang C, Eichler C, Steffen L, Fink JM, Woolley MJ, Blais A, Wallraff A: Correlations, indistinguishability and entanglement in Hong-Ou-Mandel experiments at microwave frequencies. Nature Physics, 2013, doi: 10.1038/nphys2612

 
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