Veröffentlicht: 09.07.12
Science

Ausserirdisches Leben bleibt irdisch

Forschende der ETH Zürich weisen in einer Studie nach, dass das 2010 von der NASA als spektakuläre neue Lebensform postulierte «Arsen-Bakterium» doch nicht ohne Phosphor auskommt. Damit bleibt ein zentrales Dogma der Biologie weiterhin bestehen.

Christine Heidemann
Auf den Spuren von Arsen und Phosphat: Das «Arsen-Bakterium» GFAJ-1 braucht doch Phosphat zum Wachsen. (Bild: Jodi Switzer Blum / NASA)
Auf den Spuren von Arsen und Phosphat: Das «Arsen-Bakterium» GFAJ-1 braucht doch Phosphat zum Wachsen. (Bild: Jodi Switzer Blum / NASA) (Grossbild)

Es war eine Sensation: die Tatsache, dass ein Bakterium giftiges Arsen statt Phosphor als Lebensbaustein verwendet, stellte das Verständnis vom Leben, wie wir es kennen, völlig auf den Kopf. Und nährte Spekulationen, wie ausserirdisches Leben auch aussehen könnte.

Entsprechend aufgeregt war die Wissenschaftsgemeinschaft, als die NASA 2010 in einer Pressekonferenz bekanntgab, dass ein Biologen-Team vom US Geological Survey, der amerikanischen Geoforschungsbehörde, einen aussergewöhnlichen Mikroorganismus namens «GFAJ-1» im Schlamm des kalifornischen Mono Lake gefunden hatte – ein See, der extrem salz- und arsenhaltig ist und damit ungewöhnliche Bedingungen für normales irdisches Leben aufweist. Diesem neu entdeckten Winzling konnte Arsen offenbar nicht nur nichts anhaben, sondern er war auch in der Lage, das giftige Halbmetall anstelle von Phosphor in seine Eiweisse, Fette und sogar das Erbgutmolekül DNS einzubauen.

Arsen als Element organischen Lebens?

Damit kippten die US-Wissenschaftler ein biologisches Dogma – nämlich, dass alles organische Leben auf der Erde, vom winzigsten Mikroorganismus bis zum Menschen, aus sechs Grundbausteinen aufgebaut ist: Kohlenstoff, Sauerstoff, Schwefel, Stickstoff, Wasserstoff und Phosphor.

Zwar sind sich Phosphor und Arsen chemisch sehr ähnlich, weshalb sich das giftige Element problemlos in Organe und Zellen «einschleichen» kann. Dort entfaltet das Arsen in Form von Verbindungen seine zerstörende Wirkung. Und nun sollte also plötzlich jener hochgiftige Stoff als siebtes Grundelement den Phosphor in einem Bakterium ersetzen können und den Organismus sogar wachsen lassen? Eine gewagte These, die viele Skeptiker auf den Plan rief.

Detaillierter Blick in den Stoffwechsel

Die Forschungsgruppe um Julia Vorholt, Professorin am Institut für Mikrobiologie, entkräftet nun in einer im Fachmagazin «Science» publizierten Arbeit die These des «Arsen-Bakteriums». Das ETH-Team aus Mikrobiologen und analytischen Chemikern der ETH Zürich warf erstmals einen detaillierten und systematischen Blick in den Stoffwechsel des Mikroorganismus.

Mithilfe hochauflösender Massenspektrometrie und einer neuentwickelten computergestützten Analyse, die alle möglichen Kombinationen arsenhaltiger Biomoleküle simuliert, suchten die Forscher gezielt nach Arsen-Verbindungen im Zellinnern von GFAJ-1-Bakterien. Dabei fanden sie tatsächlich einige arsenhaltige Zucker-Moleküle. Doch: «Entgegen der Annahme der NASA-Wissenschaftler wird der Arsen-Zucker nicht aktiv vom Bakterium selbst gebildet, sondern es handelt sich um einen spontanen Prozess», erklärt Tobias Erb, ETH Fellow und Erstautor der Studie.

In weiteren Experimenten konnten Julia Vorholt, Tobias Erb und Senior Researcher Patrick Kiefer anhand so genannter Isotopenmarkierungs-Studien zudem einen funktionierende Phosphatstoffwechsel des «Arsen-Bakteriums» nachweisen, während sich keine Hinweise auf eine Verstoffwechselung der Arsenzucker finden liessen. «Demzufolge gibt es keinen Anhaltspunkt, dass GFAJ-1 mit Hilfe arsenhaltiger Biomoleküle wächst oder sie aktiv als Zellbaustein nutzt», lautet das Ergebnis aus Zürich.

Ohne Phosphat geht es nicht

Gemeinsam mit ETH-Professor Detlef Günther und Senior Researcher Bodo Hattendorf, beides Experten für Spurenelement- und Mikroanalytik am Labor für anorganische Chemie, konnten Vorholt und ihr Team ausserdem zeigen, dass die robusten Mikroben äusserst effizient Spuren von Phosphat aus der Umwelt aufnehmen können. «Diese Fähigkeit ermöglicht es dem Bakterium trotz hoher Arsenkonzentrationen in der Umwelt genügend Phosphat zur Synthese der wichtigsten Lebensbausteine bereit zu halten», sagt Julia Vorholt. So bestünden auch die Hauptstränge der DNS des Arsen-Bakteriums, das sogenannte Rückgrat der Erbinformation, aus Phosphat und nicht aus dem giftigen Halbmetall. «Wir konnten in den DNS-Strängen keinerlei Spuren von Arsen nachweisen».

Spuren offenbar unterschätzt

Schliesslich nahmen die ETH-Wissenschaftler zusätzlich die 2010 in «Science» publizierten NASA-Daten noch einmal genauer unter die Lupe. Demnach waren auch bei der ursprünglichen Isolierung des Bakteriums sehr geringe Spuren von Phosphat im Nährmedium vorhanden. Diese reichten offenbar für das Wachstum des Bakteriums aus. Wahrscheinlich seien die Phophatspuren von den NASA-Wissenschaftlern unterschätzt worden, vermutet das Autorenteam der ETH Zürich.

Angesichts dieser umfassenden Ergebnisse, so das Fazit der fünf Forscherinnen und Forscher, habe das zentrale Dogma der Biologie weiterhin Bestand. Die Debatte, ob ein Leben auf der Erde jenseits der sechs bekannten Grundelemente möglich ist, muss bis zum Beweis des Gegenteils, wohl als beendet betrachtet werden.

Literaturhinweis

Erb TJ, Kiefer P, Hattendorf B, Günther D, Vorholt JA. GFAJ-1 is an arsenate-resistant, phosphate-dependent organism. Science, published online 8 July 2012. DOI:10.1126/science.1218455

 
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