Veröffentlicht: 08.06.12
Science

Auf dem Weg zum sauberen Kraftwerk

In der Diskussion um CO2-ausstossende Gaskraftwerke und Industrieanlagen tauchen oft drei Buchstaben auf: CCS. Sie stehen für Abscheidung und Lagerung von CO2. Wo sind die Knacknüsse, wo die Lösungsansätze für diese Technologie? Ein Bericht aus der ETH-Forschung in zwei Teilen.

Florian Meyer
In einem Pilotprojekt in Mongstadt, Norwegen wird die CO2-Abscheidung mit der «post-combustion»-Methode untersucht. Dabei durchläuft das Rauchgas nach der Verbrennung eine «Gaswäsche», um das CO2-abzutrennen. (Bild: Tøssekaien / Flickr)
In einem Pilotprojekt in Mongstadt, Norwegen wird die CO2-Abscheidung mit der «post-combustion»-Methode untersucht. Dabei durchläuft das Rauchgas nach der Verbrennung eine «Gaswäsche», um das CO2-abzutrennen. (Bild: Tøssekaien / Flickr) (Grossbild)

Das Ziel ist klar: Auch Kraftwerke und Industrieanlagen, die Kohle, Erdöl oder Erdgas verbrennen und das Treibhausgas CO2 ausstossen, sollen klimafreundlicher werden. Ein Ansatz dazu ist die so genannte CCS-Technologie. «CCS» steht für die Abscheidung und Speicherung von CO2 (engl. «CO2 Capture and Storage»). «Der Grundgedanke der CSS-Technologie ist es, Kohlendioxid, das bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht, abzuscheiden, zu komprimieren und unterirdisch gesichert einzulagern, damit es nicht mehr in die Atmosphäre entweicht», erklärt Marco Mazzotti, Professor für Verfahrenstechnik am Laboratorium für Trennprozesse und Leiter des Energy Science Center der ETH Zürich.

Die CCS-Technologie umfasst drei Komponenten: Abscheidung, Transport und Speicherung des CO2. Alle drei werden bereits heute weltweit getestet oder industriell angewendet. Der Einsatz von CCS in grossem Stil in Kohle- und Gaskraftwerken oder in Kehrichtverbrennungsanlagen, Zement- oder Stahlwerken ist allerdings wegen des zusätzlichen energetischen und finanziellen Aufwands umstritten. Pilotprojekte in Norwegen und in den USA werden auf den Internetportalen von renommierten Magazinen wie «The Economist» oder «National Geographic» kontrovers diskutiert. Dabei geht zuweilen der höhere Wert des sauberen Stroms und der CO2-freien Produkte vergessen. Nichtsdestotrotz ist die Forschung gefordert, die einzelnen, funktionierenden Prozesse weiterzuentwickeln und zu optimieren.

Ein «Waschmittel» für das CO2

Ein Teil dieser Diskussion dreht sich um die Aufrüstung der klimapolitisch umstrittenen Gaskombikraftwerke mit CCS (vgl. ETH Life Online vom 18. April 2012). Konventionelle Gaskombikraftwerke kombinieren eine Gas- und eine Dampfturbine und nutzen Erdgas als Brennstoff.

Um das CO2 bei Kraftwerken abzuscheiden, gibt es grundsätzlich drei Strategien, die erforscht werden, erklärt Daniel Sutter, Doktorand am Laboratorium für Trennprozesse der ETH Zürich und Forscher auf diesem Gebiet.

Beim «Oxyfuel-Verfahren» wird für die Verbrennung reiner Sauerstoff statt Luft eingesetzt. Diese Methode hat den Vorteil, dass das entstehende Abgas hauptsächlich aus CO2 und Wasserdampf besteht und vergleichsweise einfach getrennt werden kann. Negativ zu Buche schlägt, dass zuvor viel Energie benötigt wird, um den reinen Sauerstoff zu gewinnen. Die Oxyfuel-Methode kann für feste Brennstoffe wie Kohle oder Biomasse verwendet werden, zur Anwendung in Gaskraftwerken fehlen die entsprechenden Gasturbinen.

Auch die zweite Strategie eignet sich eher für die Stromerzeugung mit festen Brennstoffen. Beim «Pre-Combustion-Verfahren» wird das CO2 bereits vor der Verbrennung abgeschieden: Wie bei der Oxyfuel-Methode wird reiner Sauerstoff gewonnen und der Energieträger (zum Beispiel Kohle) mit Wasserdampf und Sauerstoff in CO2 und Wasserstoff umgewandelt.

Aus diesem Gemisch wird nun das CO2 abgetrennt. Nur der Wasserstoff wird dann in einer Gasturbine verbrannt, die wiederum mit einer Dampfturbine kombiniert werden kann. Dadurch erhöht sich der Wirkungsgrad der Energieumwandlung.

«Das Potenzial dieses Ansatzes liegt in der Tatsache, dass neben der CO2-Abscheidung aus einem zuvor festen Brennstoff ein gasförmiger entsteht, der dann viel effizienter in einem Gaskombikraftwerk genutzt werden kann», sagt Sutter. Um diesen Vorteil auszunutzen, werden Gasturbinen benötigt, die fast reinen Wasserstoff als Brennstoff effizient und zuverlässig nutzen können. Das EU-Projekt «DECARBit», an dem sich die ETH beteiligt, will diesen Kraftwerkstyp bis 2020 realisieren.

Am weitesten entwickelt ist eine dritte Methode: Das «Post-Combustion-Verfahren» eignet sich auch zur Nachrüstung konventioneller Gaskombi- oder Kohlekraftwerken und Industrieanlagen. Es funktioniert so: Nach der Verbrennung durchläuft das Rauchgas zusätzlich eine «Gaswäsche». Dabei trennt das jeweilige «Waschmittel» - zum Beispiel eine Ammoniaklösung - das CO2 von den restlichen Abgasen und verhindert den Austritt in die Atmosphäre.

Die Verfahrenstechnik setzt diese Art von Absorptionsprozessen seit Jahrzehnten ein. Um die Prozesse energetisch optimal und in der Grössenordnung von ganzen Kraftwerken effizient zu betreiben, ist aber weitere Forschung nötig, legt Daniel Sutter dar. Zusammen mit einem Industriepartner untersucht er in einem KTI-Projekt, wie sich die Gaswäsche mit Ammoniak weiterentwickeln lässt.

Eine Brückentechnologie

«Aufs Ganze gesehen stellt CCS eine klimapolitisch und ökonomisch sinnvolle Brückentechnologie dar, solange bis das Schweizer und vor allem das globale Energiesystem auf erneuerbare Ressourcen umgerüstet sein werden», sagt Marco Mazzotti. Seit 2008 leitet er das Forschungsprojekt «Carma», in dem das Potential der CCS-Technik in der Schweiz untersucht wird. Carma ist ein transdisziplinäres Projekt, das neben ingenieurwissenschaftlichen Ansätzen auch geologische und sozioökonomische Aspekte wie Kostenanalyse, gesellschaftliche Akzeptanz und rechtlicher Rahmen untersucht.

«Heute erscheint die CCS Technologie vor allem deshalb als teuer, weil sie mit dem Ausstoss des CO2 in die Atmosphäre verglichen wird», sagt Sutter und Mazzotti ergänzt: «Halten wir am Ziel fest, die globalen CO2-Emissionen schon bis zum Jahr 2050 zu halbieren und verrechnen wir die negativen Auswirkungen des CO2-Ausstosses auf das globale Klima zu einem angemessenen Preis, dann ist CCS in Kombination mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und Fortschritten in der Energieeffizienz ein wichtige Option.» Ausserdem würde mit jeder zusätzlich umgerüsteten oder neu installierten CCS-Anlage durch Lerneffekte der Preis für CCS sinken, schliessen die Forscher.

Der zweite Teil zum Thema CCS erscheint am Montag, 11. Juni, und widmet sich den Fragen rund um die mögliche Lagerung des abgeschiedenen CO2.

 
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