Veröffentlicht: 09.09.10
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Der Bergkristall – und er glänzt doch

Die Neue Monte-Rosa-Hütte hat vorige Woche einen Solarpreis in der Kategorie «Neubauten und Bausanierungen» erhalten. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe, mit falschen Zahlen zur Energie-Autarkie der Hütte operiert zu haben, weist die ETH Zürich entschieden zurück.

Medienmitteilung ETH Zürich
Die Neue-Monte-Rosa-Hütte steht für nachhaltiges Bauen im Hochgebirge (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich)
Die Neue-Monte-Rosa-Hütte steht für nachhaltiges Bauen im Hochgebirge (Bild: Peter Rüegg / ETH Zürich) (Grossbild)

Die Neue Monte-Rosa-Hütte SAC auf 2883 Meter Höhe in der Nähe von Zermatt wurde von der ETH Zürich als Modell für nachhaltiges Bauen entwickelt und im Herbst 2009 eingeweiht. Die Sonntagszeitung und Le Matin Dimanche werfen der ETH Zürich nun in ihren Ausgaben vom 5. September vor, falsche Zahlen zur Energiebilanz verwendet zu haben. Der Selbstversorgungsgrad der Neuen Monte-Rosa-Hütte belaufe sich nicht wie behauptet auf 90 Prozent, sondern nach eigenen Berechnungen lediglich auf 64 Prozent, wenn man die Energie für das Kochen mit berücksichtige. Korrekt ist, dass der Autarkiegrad der Berghütte mit 90 Prozent angegeben wurde – unter Ausschluss der Kochenergie, die im konkreten Fall mehrheitlich aus Propangas und Strom stammt. Dieses Gas wird, wie auch Getränke und übrige Esswaren, per Helikopter auf die rund 3000 Meter über Meer liegende SAC-Hütte transportiert, was den Selbstversorgungsgrad entsprechend vermindert.

Die ETH Zürich legt Wert auf die Feststellung, dass der Selbstversorgungsgrad der Neuen Monte-Rosa-Hütte von 90 Prozent in Anlehnung an alle bekannten Label und Schweizer Normen ohne Kochenergie definiert wurde. So klammert beispielsweise auch das Label «Minergie-P», mit der die Neue Monte-Rosa-Hütte nota bene am 17. September 2010 ausgezeichnet wird, die Kochenergie aus. Gleichwohl wurde im Sinne einer gesamtheitlichen Betrachtung auch der Selbstversorgungsgrad mit Kochenergie berücksichtigt und mit 70 Prozent beziffert.

Umfassendes Konzept der Nachhaltigkeit

Hinter dem Bau der Neuen Monte-Rosa-Hütte steht die Vision, einen nachhaltigen Bau in einer absoluten Extremlage zu realisieren. Nachhaltigkeit erschöpft sich für die ETH Zürich jedoch nicht darin, möglichst viele Solarpanels an einem Bau anzubringen, sondern bedeutet ein ausgewogenes Verhältnis von Ökologie und Ökonomie. Dabei haben die Projektpartner verschiedenste Energiegewinnungsoptionen durchgedacht und sich schliesslich für den heute installierten Energie-Mix als optimale Lösung entschieden.

Ein Überschuss an Energie, wie ihn die Solarpreis-Jury vorschlägt, ist, so verlockend der Vorschlag im ersten Moment erscheint, für die Neue Monte-Rosa-Hütte nicht sinnvoll, weil man mit dem kostenintensiv bewerkstelligten Überschuss nichts anfangen kann: Das Einspeisen ins öffentliche Stromnetz kommt nicht in Frage, weil die Hütte an kein Stromnetz angeschlossen ist.

Ein Selbstversorgungsgrad von 90 Prozent ohne Kochen ist schon im Flachland ein ehrgeiziges Ziel. Wenn man berücksichtigt, dass bei der Neuen Monte-Rosa-Hütte noch die Abwasserreinigungsanlage hinzukommt, so sind die angestrebten Energieautarkiewerte erst recht bemerkenswert. Die Abwasserreinigungsanlage ist notwendig, weil die Hütte an keine Kläranlage angeschlossen ist, das Wasser aber in gereinigtem Zustand an die Umwelt abgeben werden soll.

Vom Erfolg überwältigt

Für die ETH Zürich stellt die Neue Monte-Rosa-Hütte ein Forschungsobjekt dar, an dem Konzepte in der Praxis ausgetestet werden sollen. So läuft zum Beispiel eine Doktorarbeit, in deren Rahmen ein neuartiges Energiemanagement erarbeitet wird. Dieses wird die Haustechnik mit Hilfe von Wetterprognosen, Gästebuchungen und weiteren Daten vorausschauend steuern und den Energieselbstversorgungsgrad weiter steigern.

Seit der offiziellen Eröffnung der Berghütte ist das Interesse enorm. Bis Saisonende werden wohl gegen 10'000 Personen die Neue Monte-Rosa-Hütte besucht haben – das ist das Doppelte dessen, was in der Vergangenheit registriert wurde. Aufgrund des hohen Besucheraufkommens wird die ETH Zürich das Energiesystem weiter optimieren und die Abwasserreinigungsanlage anpassen. Die Neue Monte-Rosa-Hütte bleibt somit ein einzigartiger Bau mit internationaler Ausstrahlung – nicht zuletzt dank der eingesetzten, innovativen Technologien.

 
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