Veröffentlicht: 09.09.10
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Rund ums Wetter und ums Klima

Die Europäische Meteorologische Gesellschaft (EMS) und die Europäische Konferenz für Angewandte Klimawissenschaften (ECAC) tagen vom 13. bis 17. September an der ETH Zürich. Der ETH-Professor Hans Richner ist Vorsitzender des lokalen Organisationskomitees und erzählt, warum die «richtige» Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse Schwerpunktthema ist.

Simone Ulmer
Hans Richner ist Professor am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich (Bild: Simone Ulmer / ETH Zürich)
Hans Richner ist Professor am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich (Bild: Simone Ulmer / ETH Zürich) (Grossbild)

Herr Richner, wie kommt es, dass Meteorologen und Klimatologen gemeinsam eine Konferenz abhalten? Der Ansatz und das Ziel ihrer Forschung sowie deren angewandten Methoden sind schliesslich nicht identisch.
Das ist richtig, die Methodik unterscheidet sich zum Teil. Während die Meteorologen den Fokus auf die eigentlichen physikalischen Prozesse legen, geht es in der Klimatologie um langfristige und nicht immer prozessorientierte Abläufe, in die beispielsweise Proxy-Daten, wie etwa die der Eisbohrkerne, einfliessen, oder bei denen Statistik eine zentrale Rolle spielt. Die Grenzen sind aber fliessend und man spricht deshalb heute besser von Atmosphärenwissenschaft, womit die Aufteilung in Meteorologie und Klimatologie hinfällig wird. Diese passt ohnehin nicht mehr ins heutige wissenschaftliche Umfeld, in welchem die Atmosphäre als ein Teil des Systems Erde verstanden wird. Zudem hat die Atmosphärenchemie in den letzten Jahrzehnten einen gewichtigen Platz in der Atmosphärenforschung eingenommen; man denke nur an die Rolle des Ozons, des Kohlendioxids oder der Treibhausgase in der Atmosphäre.

Was sind die Schwerpunktthemen der EMS in diesem Jahr?
Der meteorologische Teil ist dreigeteilt. Das wichtigste Thema ist in diesem Jahr «Communication and Education», denn die Meteorologen, oder besser gesagt die Atmosphärenwissenschaftler, müssen ihre Informationen täglich einem breiten Publikum weitergeben. Der zentrale Teil der Meteorologie, die numerischen Wetterprognosen mit ihren numerischen Modellen, ist ein weiteres Hauptthema der Tagung. Modelle sind die Grundlage für jede Wettervorhersage. Je präziser sie werden, desto wichtiger werden Komponenten, von denen man nicht glauben würde, dass sie etwas mit Meteorologie zu tun haben: Etwa Bodenfeuchte oder Bewuchs der Erdoberfläche. Die Diskussion derartiger Komponenten unter der Rubrik Atmosphäre und Wasserzyklus ist deshalb ein weiterer Schwerpunkt der Tagung.
Besonders ist in diesem Jahr, dass wir eine Plenarsitzung mit einem Podiumsgespräch über «Communication of climate change» organisieren.

Sie widmen diesem Thema einen ganzen Nachmittag mit Vorträgen und einer Podiumsdiskussion. Hat das mit den «Skandalen» und Fehlern zu tun, die man in den vergangenen Monaten den Klimaforschern zum Vorwurf machte?
Nicht direkt. Die Idee dazu hatten wir schon vor dem vermeintlichen E-Mail-Skandal der Universität von East Anglia und der Entdeckung von Schwachstellen im letzten Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Das Thema entwickelte sich aus vielen Diskussionen und wurde vor genau einem Jahr festgelegt.

Die Tagung steht unter dem Moto «High resolution climatology – towards climate change services». Was für Ziele verfolgen die Veranstalter?
Die Tagung zielt darauf ab zu klären, wie Meteorologen und Klimatologen die Entscheidungsträger unterstützen können, damit diese wissenschaftliche Erkenntnisse nutzen und in die breite Öffentlichkeit bringen können. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Menschen Vorschriften oder Verordnungen, die beispielweise helfen, einer Klimaerwärmung entgegenzuwirken, besser akzeptieren, wenn sie die Gründe dafür verstehen. Das ist häufig nicht der Fall. Deshalb möchten wir versuchen, mit dieser Veranstaltung aufzuzeigen, wie Brücken zwischen der Wissenschaft, der Politik, den Medien und der breiten Bevölkerung geschlagen werden können.

Wo ist für Sie der wichtigste Ansatzpunkt?
Eine Verhaltensänderung nur durch Einsicht ist den wenigsten Menschen möglich. Das geht nur über Vorschriften und Verordnungen, die immer auch Einschränkungen bedeuten. Gegen diese wehren sich beispielsweise bestimmte Wirtschaftskreise oder die Tourismusbranche. Die Wissenschaft hat im Vergleich zu diesen eine schlechte Lobby. Deshalb muss sie den Politikern wissenschaftliche Argumente, die etwa für eine CO2-Abgabe sprechen, in die Hand geben. Es ist wichtig, Wissenschaftler, Politiker und Gesellschaft zusammenzubringen, etwa mit Vorträgen und Veranstaltungen, wie das die ETH mit dem Klimagespräch «Klimawandel - wohin steuert die Schweiz?» (siehe ETH Life Artikel vom 13. November 2009) im vergangenen November vorbildlich getan hat. Wichtig ist, dass die Medien wissenschaftlich fundiert über das «Klimaproblem» und die Zusammenhänge berichten, so dass die Menschen sich eine eigene, fundierte Meinung bilden können und im Fall einer Abstimmung gut informiert und vorbereitet sind.

Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf in der Kommunikation?
Ich glaube, das Problem der Journalisten ist, dass sie immer einen guten Aufhänger für ihre Artikel brauchen. Das führt dann manchmal zu unverhältnismässigen Berichterstattungen und somit dazu, dass die Leute verunsichert werden. Wie zum Beispiel im Fall des IPCC-Berichts, als es um die Gletscherschmelze im Himalaya ging. Das waren zwei Sätze in einem über tausendseitigen Bericht, die tatsächlich nicht korrekt und leichtfertig übernommen worden waren. Aber darüber die ganze Arbeit des IPCC infrage zu stellen, steht in keinem Verhältnis! East Anglia war, wie die Untersuchungen zeigten, produziert und hochgespielt. Mehr Seriosität, Objektivität und Ausgewogenheit wären wünschenswert.

Welchen Stellenwert nimmt die Tagung im Vergleich zu anderen europäischen Konferenzen ein - etwa der European Geophysical Union -, auf denen die Atmosphärenphysik und das Klima ebenfalls Schwerpunktthemen sind?
Sie ist sicher eine der grossen europäischen Tagungen zum Klima, vermutlich die wichtigste in diesem Jahr. Bei der angesprochenen EGU sind die Atmosphärenwissenschaften jeweils nur ein Teil der Konferenz, während sie hier im Zentrum stehen. Wir haben aber auch Teilnehmer von ausserhalb Europas, aus der ganzen Welt. Die amerikanischen Pendants sind natürlich viel grösser. Ein ehemaliger Präsident der American Meteorological Society - das amerikanische Gegenstück zur EMS - wird die Konferenz übrigens mit eröffnen.

Neben dem wissenschaftlichen Programm gibt es auch Grund zum Feiern.
Ja, die EMS findet zum 10. Mal statt. Für die Schweizerische Gesellschaft für Meteorologie, MeteoSchweiz und das Institut für Atmosphäre und Klima, welche die Organisation vor Ort durchführen, und für viele Teilnehmer ist es eine grosse Freude, dass dies in Zürich gefeiert wird. Die Bedingungen hier sind ideal.
Ausserdem wird, wie jedes Jahr, die EMS Silver Medal verliehen. Sie geht 2010 an den ehemaligen Direktor des European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF), David Burridge. Er hat sich als Meteorologe durch die entschiedene Förderung der numerischen Prognostik sehr verdient gemacht, sowie natürlich durch seine Forschungsarbeiten und seine vorausschauende Art, mit der er das ECMWF geführt hat.

Zur Tagung

Die 10. Jahresversammlung EMS und die 8. ECAC findet vom Montag bis Freitag, 13. bis 17. September 2010, jeweils von 08.30 bis 18.30 Uhr, im Hauptgebäude der ETH Zürich statt.Die Europäische Meteorologische Gesellschaft (EMS) - die laut Richner eigentlich besser Europäische Gesellschaft für Atmosphärenwissenschaften heissen sollte - trifft sich jährlich im Wechsel mit der Europäischen Konferenz für Angewandte Klimawissenschaften (ECAC) oder der Europäischen Konferenz für Angewandte Meteorologie (ECAM). Unter dem Motto «High resolution climatology – towards climate change services» werden über 50 führende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ihre Forschungsergebnisse vorstellen und vor dem Hintergrund diskutieren, dass der Bedarf an verbesserten Dienstleistungen, die über die traditionellen Vorhersage- und Warnsysteme hinausgehen, gestiegen ist. Gefragt sind in Zukunft präzisere Aufzeichnungen und Vorhersagen zum Wetter und Klima, um sich besser an künftige Klimaverhältnisse anpassen zu können. Rund 600 Teilnehmende werden erwartet.

 
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