Rund ums Wetter und ums Klima
Die Europäische Meteorologische Gesellschaft (EMS) und die Europäische Konferenz für Angewandte Klimawissenschaften (ECAC) tagen vom 13. bis 17. September an der ETH Zürich. Der ETH-Professor Hans Richner ist Vorsitzender des lokalen Organisationskomitees und erzählt, warum die «richtige» Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse Schwerpunktthema ist.
Herr Richner, wie kommt
es, dass Meteorologen und Klimatologen gemeinsam eine Konferenz abhalten? Der
Ansatz und das Ziel ihrer Forschung sowie deren angewandten Methoden sind
schliesslich nicht identisch.
Das ist richtig, die Methodik unterscheidet sich zum
Teil. Während die Meteorologen den Fokus auf die
eigentlichen physikalischen Prozesse legen, geht es in der Klimatologie um
langfristige und nicht immer prozessorientierte Abläufe, in die beispielsweise
Proxy-Daten, wie etwa die der Eisbohrkerne, einfliessen, oder bei denen
Statistik eine zentrale Rolle spielt. Die Grenzen sind
aber fliessend und man spricht deshalb heute besser von Atmosphärenwissenschaft,
womit die Aufteilung in Meteorologie und Klimatologie hinfällig wird. Diese
passt ohnehin nicht mehr ins heutige wissenschaftliche Umfeld, in welchem die
Atmosphäre als ein Teil des Systems Erde verstanden wird. Zudem hat die
Atmosphärenchemie in den letzten Jahrzehnten einen gewichtigen Platz in der
Atmosphärenforschung eingenommen; man denke nur an die Rolle des Ozons, des Kohlendioxids
oder der Treibhausgase in der Atmosphäre.
Was sind die
Schwerpunktthemen der EMS in diesem Jahr?
Der meteorologische Teil ist dreigeteilt. Das wichtigste Thema ist in
diesem Jahr «Communication and Education», denn die Meteorologen, oder besser
gesagt die Atmosphärenwissenschaftler, müssen ihre Informationen täglich einem
breiten Publikum weitergeben. Der zentrale Teil der Meteorologie, die
numerischen Wetterprognosen mit ihren numerischen Modellen, ist ein weiteres
Hauptthema der Tagung. Modelle sind die Grundlage für jede Wettervorhersage. Je
präziser sie werden, desto wichtiger werden Komponenten, von denen man nicht
glauben würde, dass sie etwas mit Meteorologie zu tun haben: Etwa Bodenfeuchte
oder Bewuchs der Erdoberfläche. Die Diskussion derartiger Komponenten unter der
Rubrik Atmosphäre und Wasserzyklus ist deshalb ein weiterer Schwerpunkt der
Tagung.
Besonders ist in diesem Jahr, dass wir eine Plenarsitzung mit einem
Podiumsgespräch über «Communication of climate change» organisieren.
Sie widmen
diesem Thema einen ganzen Nachmittag mit Vorträgen und einer Podiumsdiskussion.
Hat das mit den «Skandalen» und Fehlern zu tun, die man in den vergangenen
Monaten den Klimaforschern zum Vorwurf machte?
Nicht direkt. Die Idee dazu hatten wir schon vor dem vermeintlichen
E-Mail-Skandal der Universität von East Anglia und der Entdeckung von
Schwachstellen im letzten Bericht des Intergovernmental Panel on Climate
Change (IPCC). Das Thema entwickelte sich aus vielen Diskussionen und wurde vor
genau einem Jahr festgelegt.
Die Tagung
steht unter dem Moto «High resolution
climatology – towards climate change services». Was für Ziele verfolgen die
Veranstalter?
Die Tagung zielt darauf ab zu klären, wie Meteorologen und Klimatologen
die Entscheidungsträger unterstützen können, damit diese wissenschaftliche
Erkenntnisse nutzen und in die breite Öffentlichkeit bringen können. Ich bin
zutiefst davon überzeugt, dass die Menschen Vorschriften oder Verordnungen, die
beispielweise helfen, einer Klimaerwärmung entgegenzuwirken, besser
akzeptieren, wenn sie die Gründe dafür verstehen. Das ist häufig nicht der
Fall. Deshalb möchten wir versuchen, mit dieser Veranstaltung aufzuzeigen, wie Brücken
zwischen der Wissenschaft, der Politik, den Medien und der breiten Bevölkerung geschlagen
werden können.
Wo ist für
Sie der wichtigste Ansatzpunkt?
Eine Verhaltensänderung nur durch Einsicht ist den wenigsten Menschen möglich.
Das geht nur über Vorschriften und Verordnungen, die immer auch Einschränkungen
bedeuten. Gegen diese wehren sich beispielsweise bestimmte Wirtschaftskreise
oder die Tourismusbranche. Die Wissenschaft hat im Vergleich zu diesen eine
schlechte Lobby. Deshalb muss sie den Politikern wissenschaftliche Argumente,
die etwa für eine CO2-Abgabe sprechen, in die Hand geben. Es ist wichtig, Wissenschaftler,
Politiker und Gesellschaft zusammenzubringen, etwa mit Vorträgen und
Veranstaltungen, wie das die ETH mit dem Klimagespräch «Klimawandel - wohin steuert die Schweiz?» (siehe ETH Life Artikel vom
13. November 2009) im vergangenen November vorbildlich getan hat. Wichtig ist, dass die
Medien wissenschaftlich fundiert über das «Klimaproblem» und die Zusammenhänge berichten,
so dass die Menschen sich eine eigene, fundierte Meinung bilden können und im
Fall einer Abstimmung gut informiert und vorbereitet sind.
Wo sehen
Sie Verbesserungsbedarf in der Kommunikation?
Ich glaube, das Problem der Journalisten ist, dass sie immer einen
guten Aufhänger für ihre Artikel brauchen. Das führt dann manchmal zu
unverhältnismässigen Berichterstattungen und somit dazu, dass die Leute
verunsichert werden. Wie zum Beispiel im Fall des IPCC-Berichts, als es um die
Gletscherschmelze im Himalaya ging. Das waren zwei Sätze in einem über
tausendseitigen Bericht, die tatsächlich nicht korrekt und leichtfertig
übernommen worden waren. Aber darüber die ganze Arbeit des IPCC infrage zu
stellen, steht in keinem Verhältnis! East Anglia war, wie die Untersuchungen
zeigten, produziert und hochgespielt. Mehr Seriosität, Objektivität und
Ausgewogenheit wären wünschenswert.
Welchen
Stellenwert nimmt die Tagung im Vergleich zu anderen europäischen Konferenzen ein
- etwa der European Geophysical Union -, auf denen die Atmosphärenphysik und
das Klima ebenfalls Schwerpunktthemen sind?
Sie ist sicher eine der grossen europäischen Tagungen zum Klima,
vermutlich die wichtigste in diesem Jahr. Bei der angesprochenen EGU sind die
Atmosphärenwissenschaften jeweils nur ein Teil der Konferenz, während sie hier
im Zentrum stehen. Wir haben aber auch Teilnehmer von ausserhalb Europas, aus
der ganzen Welt. Die amerikanischen Pendants sind natürlich viel grösser. Ein
ehemaliger Präsident der American Meteorological Society - das amerikanische
Gegenstück zur EMS - wird die Konferenz übrigens mit eröffnen.
Neben dem
wissenschaftlichen Programm gibt es auch Grund zum Feiern.
Ja, die EMS findet zum 10. Mal statt. Für die Schweizerische Gesellschaft für Meteorologie, MeteoSchweiz und das Institut für
Atmosphäre und Klima, welche die Organisation vor Ort
durchführen, und für viele Teilnehmer ist es eine grosse Freude,
dass dies in Zürich gefeiert wird. Die Bedingungen hier sind ideal.
Ausserdem wird, wie jedes Jahr, die EMS Silver Medal verliehen. Sie
geht 2010 an den ehemaligen Direktor des European Centre
for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF), David Burridge. Er hat sich als
Meteorologe durch die entschiedene Förderung der numerischen Prognostik sehr
verdient gemacht, sowie natürlich durch seine Forschungsarbeiten und seine
vorausschauende Art, mit der er das ECMWF geführt hat.
Zur Tagung
Die 10. Jahresversammlung EMS und die 8. ECAC findet vom Montag bis Freitag, 13. bis 17. September 2010, jeweils von 08.30 bis 18.30 Uhr, im Hauptgebäude der ETH Zürich statt.Die Europäische Meteorologische Gesellschaft (EMS) - die laut Richner eigentlich besser Europäische Gesellschaft für Atmosphärenwissenschaften heissen sollte - trifft sich jährlich im Wechsel mit der Europäischen Konferenz für Angewandte Klimawissenschaften (ECAC) oder der Europäischen Konferenz für Angewandte Meteorologie (ECAM). Unter dem Motto «High resolution climatology – towards climate change services» werden über 50 führende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ihre Forschungsergebnisse vorstellen und vor dem Hintergrund diskutieren, dass der Bedarf an verbesserten Dienstleistungen, die über die traditionellen Vorhersage- und Warnsysteme hinausgehen, gestiegen ist. Gefragt sind in Zukunft präzisere Aufzeichnungen und Vorhersagen zum Wetter und Klima, um sich besser an künftige Klimaverhältnisse anpassen zu können. Rund 600 Teilnehmende werden erwartet.
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